(Beifall bei der SPD - Jörg Hillmer [CDU]: Warum benennen Sie das im Vertrag nicht? Das kommt darin gar nicht vor!)
Die hier lebenden Musliminnen und Muslime sowie Alevitinnen und Aleviten haben das berechtigte Anliegen, als Mitglieder der niedersächsischen Gesellschaft anerkannt zu werden und gleichberechtigt an ihr teilzuhaben. Dies soll mit den Verträgen gewürdigt und auch gefördert werden. Zugleich sollen die Verträge die Religionsgemeinschaften zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ermutigen und im Ergebnis zu einer Stärkung des Vertrauens zwischen ihnen und der Gesamtbevölkerung führen. Ich denke, das wäre ein wichtiges Signal.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verträge sind das Ergebnis intensiver und konstruktiver Gespräche mit den genannten Religionsgemeinschaften. Mit den Vertragsentwürfen konnten wir an die bereits geleistete Vorarbeit der Vorgängerregierung anknüpfen, die bereits im August 2009 über Vereinbarungen mit den muslimischen Verbänden und Institutionen verhandelt bzw. erste Gespräche aufgenommen hatte. Im Koalitionsvertrag haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen entsprechende Fortsetzungen vereinbart.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir ein paar Ausführungen zu den Regelungsgegenständen der Verträge im Einzelnen. Die gefundenen Regelungen sind in der Tat vielfach deklaratorischer Natur und eröffnen keine neuen Rechte, sondern halten vielmehr die aktuelle Rechtslage fest.
Das trifft auch auf die Regelungen zu Gebetsmöglichkeiten in den niedersächsischen Schulen und zu der Frage zu, ob es zulässig ist, dass Lehrerinnen und pädagogische Mitarbeiterinnen an niedersächsischen Schulen das islamische Kopftuch tragen. In beiden Fällen werden durch die ausgehandelten Regelungen keine Rechte geschaffen, die nicht ohnehin nach der aktuellen Rechtslage gelten.
(Jörg Bode [FDP]: Dann brauchen wir den Vertrag nicht! - Christian Grascha [FDP]: Für diese Beispiele brauchen wir einen solchen Vertrag nicht!)
grundsätzlich das Recht, außerhalb der Unterrichtszeit - das ist übrigens im Vertrag exakt enthalten - auch während des Schulbesuchs zu beten. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 2011 klargestellt. Es besteht danach allerdings kein Anspruch auf Einrichtung eines entsprechenden Raumes, sodass es den Schulen schon jetzt freisteht, für das Beten geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Dies wird im Vertrag nur noch einmal festgehalten.
Entsprechendes gilt für das islamische Kopftuch. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein pauschales Verbot religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagoginnen und Pädagogen mit deren Glaubens- und Religionsfreiheit nach unserem Grundgesetz nicht vereinbar. In Umsetzung dieser Rechtsprechung ist Lehrerinnen und pädagogischen Mitarbeiterinnen islamischen Glaubens somit grundsätzlich zu gewährleisten, sich auch an öffentlichen Schulen frei für oder gegen das Tragen des Kopftuchs zu entscheiden. Dies gilt unabhängig von der für den Vertragsentwurf gefundenen Regelung. Für unsere Verhandlungspartner war es jedoch von besonderer Bedeutung, dass die Verträge eine Aussage hierzu enthalten.
Im Übrigen sind auch in andere Verträge mit den Religionsgemeinschaften in Niedersachsen deklaratorische Inhalte aufgenommen worden.
Meine Damen und Herren, stellenweise haben Sie Kritik am Verfahren geäußert, insbesondere daran, dass die Beteiligung der Fraktionen und der Öffentlichkeit erst sehr spät stattgefunden habe. Diese Kritik halte ich für unberechtigt, denn in den vorliegenden Fällen wurde der auch sonst im Falle von Vertragsverhandlungen mit Religionsgemeinschaften vorgeschriebene Ablauf eingehalten.
Es liegt in der Natur der Sache, dass zunächst die Verhandlungspartner untereinander abstimmen, welche Themen sie für regelungsbedürftig halten und welche Regelungen sie sich im Ergebnis vorstellen könnten. Bei der Vielzahl der zu verhandelnden Themen waren übrigens auch immer Ex
pertinnen und Experten, z. B. aus anderen Ressorts, hinzuzuziehen, um sicherzustellen, dass die Regelungen dann auch rechtlichen Bestand haben. Ohne diese Vorarbeit gäbe es überhaupt keine Grundlage für eine Diskussion in den Fraktionen, in den Verbänden und der Öffentlichkeit, wie sie derzeit stattfindet.
Ich denke, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine solche Transparenz, wie wir sie derzeit für die Verträge herstellen, hat es bisher bei keiner einzigen Religionsgemeinschaft gegeben. Wir sollten das bislang praktizierte, bewährte und demokratisch legitimierte Verfahren bei der Ausarbeitung von religions- und verfassungsrechtlichen Verträgen auch im Verhältnis zu diesen Vertragspartnern nicht in Frage stellen, sondern sollten alle Religionsgemeinschaften gleichbehandeln.
Lassen Sie uns deshalb die Chance nutzen, dass diese Vertragsentwürfe ein wirklich wichtiges Ziel haben: eine gemeinsame Entwicklung hin zur Normalität des gelebten Islams in Niedersachsen auf der Basis gegenseitigen Vertrauens und gleichberechtigter Teilhabe am religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben in unserem Bundesland zu fördern. Dies sollte unser aller Ziel sein - im besten Sinne einer Integration. Jede und jeder Einzelne kann heute und in den kommenden Wochen dazu beitragen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die FDP-Fraktion hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Herr Dr. Birkner, die Ministerin hat 1:16 Minuten überzogen. Diese Zeit bekommen Sie auch. Bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie sagten, in dem Vertrag gehe es auch um die Gleichbehandlung mit anderen Religionsgemeinschaften. Das sei ein Grundsatz bei derartigen Verträgen.
Genau da setzt auch unsere Kritik an. Ich verweise auf Artikel 3, die Feiertagsregelung. Wir zweifeln an, dass das keine Privilegierung sein soll. Dort geht es um die Befreiung für einen ganzen Tag, nicht gesetzlicher Art, aber zu religiösen Zwecken.
Was ist mit Artikel 12, der Seelsorge? Den islamischen Religionsgemeinschaften werden hiernach Aufwandsentschädigungen im pflegerischen Bereich gewährt. - Die christlichen Kirchen bekommen im pflegerischen Bereich keine Aufwandsentschädigungen.
Warum geht das darüber hinaus? Was ist denn da mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung? Dazu haben Sie nichts gesagt.
Und was ist mit der Gebührenbefreiung? Die gilt, wenn ich es recht verstanden habe, für Körperschaften des öffentlichen Rechts. - Hier haben wir es gerade nicht mit Körperschaften des öffentlichen Rechts zu tun. Das heißt, das ist eine Privilegierung gegenüber anderen, die diesen Status auch nicht haben. Warum wird das hier gewährt?
Dazu sagen Sie nichts. Sie gehen darüber hinweg und erwecken den Eindruck, das sei eine Gleichbehandlung. Aber das ist es nicht. Mit der Politik, dies zu überdecken und nicht transparent zu machen, säen Sie Misstrauen und erhalten keine hinreichende Unterstützung für ein im Ergebnis von uns durchaus unterstütztes und richtiges Anliegen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sicherlich gibt es viele Fragen, die es zu beantworten gilt.
(Zuruf von der FDP: Ja! - Christian Grascha [FDP]: Das müssen Sie jetzt machen! Warum tun Sie es nicht?)
Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich Ihnen bereits vor einigen Wochen die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt und auch angeboten habe, in die Fraktion zu kommen. Das habe ich
allen Fraktionen angeboten. Ihre Fraktion hat noch nicht wegen eines Termins nachgefragt. Ich kann diese Details aber auch gern mit Ihrer Fraktion besprechen.
(Christian Dürr [FDP]: Das können Sie doch auch in der Öffentlichkeit vorstel- len! - Petra Tiemann [SPD]: So ehrlich ist man mit dem zu schließenden Ver- trag! Vielen Dank, das war entlar- vend!)
Vielen Dank. - Ich schließe die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 2 c und eröffne die Besprechung zu
d) Wird Niedersachsen zum Paradies für Einbrecher und Kleinkriminelle? - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/5164
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche gab es zwei bemerkenswerte Termine in Niedersachsen. Vergangenen Freitag startete die Gewerkschaft der Polizei mit einer Plakatkampagne einen öffentlichen Hilferuf. Ich habe Ihnen einmal zwei dieser Plakate mitgebracht. Auf dem einen sagt der Verbrecher: „Cool! Die Polizei hat kaum Leute, die Streife fahren!“ und auf dem anderen: „Genial! Keine Polizei weit und breit!“
Dieser öffentliche Hilferuf weist auf das hin, was wir hier auch bei der Regierungserklärung des Innenministers diskutiert haben: dass die Polizei unter den derzeitigen Bedingungen nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Wir haben einfach zu wenig Polizeibeamte in Niedersachsen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Am Montag gab es eine Pressekonferenz des Innenministers. Dort ging es um die Kriminalitätsstatistik. Sie wurde zwar noch nicht vorgestellt - denn sie liegt noch nicht vor -, aber die tatsächlichen Daten wurden vom Innenminister schon einmal gedeutet. Eine der bemerkenswerten Zahlen war:
Herr Minister, Sie sind der einzige, den ich in ganz Niedersachsen gefunden habe, der glaubt, dass diese beiden Umstände nichts miteinander zu tun haben.
Aber nicht nur die Kriminalitätsstatistik, sondern auch die Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes - Ihres Landeskriminalamtes - spricht eine deutliche Sprache.
Der Welt vom 16. Februar konnte man entnehmen, dass ausweislich einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen nur 2,6 % der Einbrecher auch verurteilt werden. Die Aufklärungsquote ist zwar höher, aber für eine Verurteilung reicht es ausweislich dieser Studie am Ende nicht.