Die Oberflächlichkeit Ihrer Ministerin, die die Vereinbarung als rein deklaratorisch bezeichnet hat, zieht sich wie ein roter Faden durch die von ihr geführten Verhandlungen. Das, meine Damen und Herren, ist der Grund, warum jetzt allerorts Irritationen und juristische Fragestellungen auftauchen.
Herr Ministerpräsident, Sie stellen fest, dass sich das Umfeld in den letzten zwei Jahren verändert hat. Das ist wohl so. Diese zwei Jahre Verzöge
rung verantworten aber Sie persönlich. Sie ziehen daraus in der NOZ vom 13. Februar den Schluss: „Deswegen muss man sich auch genug Zeit für Diskussionen nehmen.“
Herr Ministerpräsident, so etwas nennt man zurückrudern! Sie haben den richtigen Zeitpunkt für eine Vereinbarung verpasst und suchen jetzt einen Ausweg aus Ihren eigenen großspurigen Ankündigungen.
Meine Damen und Herren, so kann man mit Vertragspartnern des Landes und mit dem Landtag nicht umgehen!
Wir arbeiten gerne an einer vernünftigen Lösung mit. Vorher müssen aber Sie Ihre Hausaufgaben erledigen.
Vielen Dank, Herr Kollege Hillmer. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Onay das Wort. Bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hillmer, ich möchte richtigstellen, was Frau Schröder-Köpf hinsichtlich der Transparenz gesagt hat und was Sie offensichtlich falsch verstanden haben.
Tatsächlich hat es bisher noch nie - bei keinem anderen Vertrag - eine solche Öffentlichmachung, eine solche Transparenz in diesem Verhandlungsstadium gegeben.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jörg Hillmer [CDU]: Vor zwei Monaten war das! - Christian Grascha [FDP]: Das ist doch reines Chaos!)
Auf der Homepage des Kultusministeriums finden Sie Kommentierungen, Fragen und Antworten, Erklärungen zu den einzelnen Elementen dieses Vertrags. Das ist eine gute Begleitmusik und eine gute erklärende Information zu diesem Vertrag.
Aber wie es immer so ist: Durch Transparenz entstehen Diskussionen. Also lassen Sie uns diskutieren!
(Christian Grascha [FDP]: Es steht überhaupt keine Strategie dahinter, wie das laufen soll! Vom einen Fett- napf in den anderen gestolpert!)
Herr Hillmer, Sie haben die Gebetsmöglichkeiten angesprochen, die in Artikel 8 des Vertrags angesprochen sind.
Ich möchte da an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2011 erinnern. Das Urteil betraf einen Berliner Schüler, der an einem Gymnasium in Berlin-Wedding gebetet hatte. Die Lehrerin hatte ihm das untersagt. Daraufhin ging die Sache bis zum Bundesverwaltungsgericht. Dessen Urteil enthielt zwei Kernaussagen. Erstens: Ein Gebet außerhalb des Unterrichts ist auf dem Schulgelände möglich. Zweitens: Es besteht allerdings kein Anspruch auf einen Gebetsraum.
Nichts anderes, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist in diesem Vertrag geregelt. Es entsteht kein Anspruch auf irgendwelche Gebetsräume für Muslime. Das Verfahren ist weiterhin so wie bisher: Wenn eine Schule es für nötig oder geeignet erachtet, kann sie allen Schülerinnen und Schülern, egal welcher Glaubensrichtung, Räume zur Verfügung stellen, nicht nur zum Gebet, sondern auch zur Stille, zum Rückzug oder für andere Nutzungen.
Ganz wichtig ist auch folgender Punkt, der bei der Diskussion ein bisschen hinten runterfällt: In Artikel 8 drücken die muslimischen Verbände ganz klar ihre Position aus, dass das Gebet außerhalb des Unterrichts stattfinden muss, auch im Ganztagsschulbetrieb.
Eine andere Frage, die ich hier kurz ansprechen möchte, ist die Gleichstellung von Mann und Frau. Ich finde diesen Punkt wichtig. Sie von der FDP haben zwar eingeworfen, dass er selbstverständlich ist. Klar! Aber Sie merken es selber in den öffentlichen Debatten: Es besteht Bedarf nach einem ausdrücklichen Bekenntnis. Das ist, glaube ich, in der Präambel des Staatsvertrages gut angebracht.
Viel wichtiger ist aber doch - darauf hat Frau Doris Schröder-Köpf hingewiesen - die Verhandlungspraxis. Ich habe mir das von den muslimischen Verbänden noch einmal bestätigen lassen: Federführend und mehrheitlich wurde dieser Vertrag
Das Wissen hierum ermöglicht ein Verständnis, warum dieser Vertrag an vielen Punkten so ist, wie er ist. Ich glaube, das kann man gut nachvollziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas Versöhnliches sagen: An der öffentlich geübten Kritik sehen wir, dass nicht nur tatsächliche und rechtliche Fragen gestellt werden, sondern auch viele emotionale Fragen - Fragen, die sich vor allem aus den Bildern ergeben, die wir von muslimischen Menschen und muslimische Gemeinden in unserer Gesellschaft haben. Das kann man nachvollziehen. Ich glaube, das hat seine Berechtigung. Darüber sollten wir sprechen.
Lassen Sie mich das mit einem persönlichen Beispiel erläutern: Ich selbst bin als Kind muslimischer Zuwanderer in diesem Land zur Welt gekommen. Ich habe mein gesamtes Leben hier verbracht, und ich werde wahrscheinlich bis zum Ende meines Lebens in diesem Land leben. So geht es vielen Muslimen. So geht es vielen Migrantinnen und Migranten in unserem Land. Im Grunde ist dieser Staatsvertrag
- dieser öffentlich-rechtliche Vertrag - eine Anerkennung ebendieser Realität. Er ist vor allem auch einer Positionierung zu der Frage: Gehört der Islam zu Deutschland, zu Niedersachsen?
Sie alle kennen die Debatten. Ich will die hier gar nicht noch einmal führen. Aber wenn wir uns die Realität anschauen, können wir ganz klar festhalten: Die Muslime gehören zu Deutschland. Sie gehören zur Zukunft Deutschlands und auch Niedersachsens. Der Vertrag erkennt diese Realität an.
Ich möchte unterstreichen: Alle Fraktionen, die heute in diesem Landtag vertreten sind, haben - in der Vergangenheit oder aktuell - Anteile an diesem Vertrag
- positive Anteile, Herr Nacke. Deshalb möchte ich noch einmal ausdrücklich darum bitten und dafür werben, diesen Vertrag nicht kaputtzureden. Lassen Sie uns inhaltlich über die einzelnen Fragen diskutieren! Lassen Sie uns auf die Sorgen und die Fragestellungen eingehen, wie es das Kultusministerium bereits tut! Auch die GBD-Antworten kommen hoffentlich demnächst. Lassen Sie uns die Debatte in diesem Sinne weiterführen!
Ich glaube, der Abschluss eines solchen Vertrages wäre zukunftsweisend, sowohl für Deutschland und das Flächenland Niedersachsen als auch für viele gesellschaftliche Fragestellungen.
Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Für die Landesregierung hat nun Frau Kultusministerin Heiligenstadt das Wort.
(Jens Nacke [CDU]: Der Ministerprä- sident redet nicht einmal! Das ist ja in- teressant! Eine Beerdigung dritter Klasse! - Gegenruf von Johanne Modder [SPD]: Nacke, deine Bemer- kung ist doch völlig überflüssig! - Ge- genruf von Christian Grascha [FDP]: Aber wahr!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Oktober 2013 verhandelt das Land mit den islamischen Religionsgemeinschaften DITIB und SCHURA sowie der Alevitischen Gemeinde Deutschland über den Abschluss von Verträgen zur Gestaltung und zur Pflege der wechselseitigen Beziehungen.
Wir können mit dem Abschluss der Verträge ein ganz wichtiges Zeichen der Integration setzen. Wir haben gerade, zwei Tagesordnungspunkte vorher, intensiv über das Thema Integration diskutiert. Der
(Beifall bei der SPD - Jörg Hillmer [CDU]: Warum benennen Sie das im Vertrag nicht? Das kommt darin gar nicht vor!)