Niedersachsen ist dabei in mancher Hinsicht zum Glück noch privilegiert. Von den 32 Anschlägen auf Flüchtlingswohnheime in diesem Jahr hat der Anschlag in Barsinghausen in Niedersachsen stattgefunden und danach gleich ein zweiter. Aber gerade Barsinghausen macht vor, wie man auf rechten Terror reagieren sollte oder wie man besser nicht auf ihn reagieren sollte. Dass viele Hundert Bürgerinnen und Bürger aus Barsinghausen wenige Tage nach dem ersten Anschlag auf die Straße gingen, war die Reaktion, die ich mir wünsche und die wir uns alle für eine Demokratie wünschen sollten.
Demo gegen den rechten Terror „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ zu brüllen. Darauf fällt dann eine angemessene Reaktion schwer. Der Bürgermeister reagierte an diesem Tag mit der Feststellung, er sei gegen jeglichen Extremismus, egal ob von links, rechts oder in Form des Islamismus. Das kann ich als Reaktion auf diesen Brandanschlag nicht so stehen lassen.
Das ist ungefähr so, als wenn die Feuerwehr zu einem brennenden Haus gerufen wird und zuerst Sandsäcke in den Türrahmen aufstapelt und auf die Frage nach dem Warum antwortet, na ja, es brenne zwar, aber Lawinen und Überschwemmungen seien doch auch nicht so schön.
Das ist zwar sachlich richtig. Richtig wäre es aber, wenn die Feuerwehr sich darauf konzentrieren würde, den Brand zu löschen.
Hierin liegen auch unsere Unterschiede, meine Damen und Herren. Barsinghausen war nicht Schauplatz islamistischer oder kommunistischer Anschläge. Diese Stadt war Schauplatz eines mutmaßlich rechtsextremen Anschlags. Als Politik müssen wir das klar benennen.
Wer mit gefühlter linker oder abstrakter islamistischer Gefahr daherkommt, verwischt die gesellschaftliche Debatte, die wir unbedingt führen müssen.
Tagtäglich begehen weder Linke noch Islamisten in Deutschland Anschläge. Täglich begehen aber Rechtsradikale in Deutschland Anschläge.
Nach dem versuchten Mord in Form eines Brandanschlages auf die Unterkunft in Salzhemmendorf betonten anfangs viele Einwohner, es gebe im Landkreis Hameln und auch im Dorf keine rechte Szene. Das würde bedeuten, dass der Landkreis Hameln in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal hat.
So ist es aber leider nicht. Ich kann gut verstehen - hören Sie gut zu! -, dass man sich die Existenz rechter Strukturen einfach nicht vorstellen mag. Allein es gibt sie.
Wer die Berichterstattung über den Prozess gegen die Angeklagten aus Salzhemmendorf verfolgt, der kann lesen, dass auch die Täter sich nicht als rechts verorten lassen wollen. Das ist insoweit legitim. Sie verteidigen sich vor einem Gericht. Gleichzeitig kommt vor Gericht aber zum Vorschein, dass Hakenkreuze, Hitlerverehrung und der Wunsch nach dem Verbrennen von Menschen vorkamen. Einer der Täter war im Dorf dafür bekannt, etwas gegen Ausländer zu haben. Rechtsextrem will aber keiner von ihnen gewesen sein. Der Täter war Feuerwehrmann. Der Jugendwart musste auch eine Woche später gehen, weil man ihm NPD-Kontakte nachweisen konnte.
Warum aber fällt es uns so schwer zu sagen, Nazis, Rechte sind überall, auch bei uns? Vielleicht ist es manchmal so schwer, weil etwas daraus folgen muss, was schwerfällt. Wer erkennt, dass es rechte Einstellungen und rechtes Verhalten gibt, der muss aufstehen und sagen: Keinen Fußbreit diesen Leuten! Nicht woanders und nicht bei uns.
Wer das sagt, muss als Politiker antifaschistische Arbeit unterstützen und wird sich nicht überall beliebt machen.
In meinem schönen Wahlkreis Hannover-Mitte lebe ich nicht unter einer Glaskuppel. Hier liegt unser Landtag, hier leben Flüchtlinge und Menschen aus insgesamt über 120 Nationen. Selbstverständlich treffe ich auch auf Menschen, die sich Sorgen machen. Da kommt schon einmal jemand ins Büro, reißt die Tür auf und sagt: Jetzt reicht es aber langsam mit den ganzen Ausländern! - Und ich? Was sage ich dazu? Lächele ich jovial und gebe ihm das Gefühl, er habe ja recht? - Nein, ich halte dagegen und versuche, mit ihm zu sprechen.
Wir sollten unsere Haltung zur Flüchtlingsfrage und zu Fragen von rechtsextremer Gewalt nicht von denen abhängig machen, die damit drohen, uns nicht wieder zu wählen. Angst ist auch hier ein sehr schlechter Ratgeber.
Manchmal denke ich mir, wir reden so lange darüber, dass die Stimmung im Land kippt, bis sie tatsächlich kippt. Damit sollten wir aufhören.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Was sagt denn der Ministerpräsident da- zu? Wo ist er denn?)
Dieses Land wird dank Rot-Grün seinen Teil dazu tun, rechten Strukturen in Niedersachsen ganzheitlich zu begegnen - mit Opferhilfe, mit Aussteigerprogrammen und weiteren Dingen. Ich bin stolz darauf. Noch stolzer wäre ich aber darauf, wenn die Entwicklung der letzten Monate dazu führen würde, dass in allen Städten und Gemeinden in Niedersachsen Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker, aber auch wir mehr darüber nachdenken, was wir dazu beitragen können.
Ich war am gestrigen Tag auf einem Symposium in der Friedensstadt Osnabrück. Veranstalter waren die Universität, der Lehrstuhl für Islamische Theologie, und die Polizeidirektion. Eines wird immer wieder deutlich: Wir haben umfangreiche Statistiken über Gewalt, über tätliche Angriffe, über Brandanschläge. Nahezu unbekannt sind Statistiken über Bürgerengagement, über Nachbarschaftshilfe. - Es ging in Osnabrück um Flüchtlinge, aber auch um rechte Gewalt und auch um Ängste. Der Vertreter der SCHURA erklärte in seinem Beitrag: Ja, wir haben Angst, wenn jetzt so merkwürdige Parteien einen so großen Zulauf bekommen. - Er führte aus, dass es wir, die demokratischen Parteien, seien, die mit dafür Verantwortung trügen, weil wir keine Zuversicht ausstrahlten.
Ich gebe ihm recht. Wir sollten mehr Zuversicht ausstrahlen. Die Vertreterin einer katholischen Einrichtung aber brachte es auf den Punkt. Ich persönlich habe es nicht so mit dem Herrn. Aber ich denke, ich darf trotzdem einmal ein Zitat aus der Bibel hier anbringen.
Jederzeit. Danke schön. - Es ist in Osnabrück an einem Haus angebracht, aus dem Buch Levitikus, Kapitel 19:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Höntsch. - Jetzt hat sich zu Wort gemeldet Thomas Adasch, CDUFraktion. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der CDU-Landtagsfraktion liegt der Kampf gegen Rechtsextremismus am Herzen. Rechtsextreme Gewalt ist in allen ihren Ausprägungen in keiner Form zu tolerieren, um dies hier gleich zu Beginn in aller Deutlichkeit zu sagen.
Menschen, die eine menschenfeindliche Ideologie propagieren oder sogar bereit sind, Gewalt zum Erreichen ihrer Ziele einzusetzen, müssen mit der gesamten Härte unseres Rechtsstaats rechnen. Das gilt gerade in der jetzigen Situation, in der sich politische, aber auch religiöse Extremisten in Niedersachsen neuen Zulauf erhoffen und diesen auch erhalten.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, aus diesem Grunde unterstützen wir den vorliegenden gemeinsam abgestimmten Entschließungsantrag „Prävention und Intervention gegen Diskriminierung, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Ideologien der Ungleichwertigkeit - ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus“ mit den von meiner Fraktion eingebrachten Änderungsvorschlägen.
Ein neuer Einstieg soll deutlich machen, dass sich der Niedersächsische Landtag gegen alle Formen des politischen oder religiösen Extremismus ausspricht und es angesichts der erheblichen ideologischen und sozialen Unterschiede passgenaue Präventionsansätze bei der Bekämpfung der verschiedenen Extremismusformen in Niedersachsen braucht.
Unser Änderungsantrag sieht zudem einen ergänzenden Absatz vor, welcher darlegt, warum ein schnelles Handeln gegen Rechtsextremismus gerade jetzt in der Flüchtlingskrise notwendig ist, nämlich um zu verhindern, dass Rechtsextremisten
Die CDU-Landtagsfraktion fordert darüber hinaus, dass das Landesprogramm spätestens bis zum 30. Juni 2016 in Kraft tritt und dass ein konkreter Zeitplan mit zu erreichenden Meilensteinen für die einzelnen Ziele und Maßnahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus erstellt wird.
Zu guter Letzt spricht sich die CDU-Landtagsfraktion für eine wiederkehrende Evaluation des Landesprogramms aus - der Kollege von der FDPFraktion hat darauf hingewiesen -, um seine Qualität und Wirksamkeit auch tatsächlich sicherzustellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Extremismusprävention wird in dieser Legislaturperiode bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das gilt nicht nur für den Rechtsextremismus, sondern auch für den religiös motivierten Extremismus und auch den Linksextremismus. Ein entsprechendes Präventionsprogramm, das bereits vor drei Jahren im rotgrünen Koalitionsvertrag angekündigt wurde, müsste eigentlich längst vorliegen. Eine Landeszentrale für politische Bildung allein reicht nicht aus, Arbeitskreise und Absichtserklärungen reichen ebenso wenig.
Die CDU-Fraktion unterstützt daher den vorliegenden Entschließungsantrag gegen Rechtsextremismus, ergänzt um die eben vorgestellten Änderungen, ausdrücklich.
Herr Kollege Adasch, ich darf Sie kurz unterbrechen. Die Frau Kollegin Hamburg möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.
Gerade in der jetzigen Situation, in der politischer und religiöser Extremismus wieder eine zunehmende Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung und unsere Gesellschaft darstellen, in der Flüchtlingsunterkünfte brennen, sich selbst ernannte Bürgerwehren formieren, Polizisten brutal angegriffen werden und Salafisten ver
suchen, Flüchtlinge zu rekrutieren, gerade in dieser Situation müssen wir als Demokraten zusammenstehen und passgenaue, konkrete und evaluierbare Antworten finden, um den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen angemessen zu begegnen.