Protocol of the Session on January 22, 2016

(Zuruf von der CDU: Peinlich!)

Das ist die Situation, in der sich Niedersachsen befindet. Dabei gibt es dann noch einen Ministerpräsidenten, der sich in dieser Form einlässt und keine eigenen Ideen hat.

Wir würden uns wünschen, Herr Ministerpräsident, dass Sie einmal konkret zu den sehr differenzierten Fragen Stellung nehmen, die auch auf Bundesebene beantwortet werden. Zu den Worthülsen Ihres Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel will ich an dieser Stelle gar nichts sagen. Sie müssen sich entscheiden - das ist hier am Mittwoch schon deutlich gesagt worden -: Wollen Sie nun Opposition sein zur Bundeskanzlerin, wollen Sie Regierungskoalition in Berlin sein und mittragen, was dort entschieden wird, wollen Sie sich hier in Niedersachsen in Opposition zur Bundesregierung begeben, obwohl Sie in ihr als SPD mitregieren, aber eben als rot-grüne Koalition nicht, oder wollen Sie eine verantwortungsvolle Rolle als norddeutsche Stimme im Konzert der Länder spielen? - Die spielen Sie derzeit nicht. Das wird der Verantwortung nicht gerecht, und dem Problem allemal nicht.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Als Nächstes liegt mir die Wortmeldung der FDP vor. Das Wort hat der Kollege Jan-Christoph Oetjen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Herrn Kollegen Nacke ausdrücklich dankbar, dass er noch einmal die Äußerungen des Herrn Ministerpräsidenten von vor zwei Tagen aufgegriffen hat. Ich habe mich in dem Moment, als sich der Ministerpräsident hier im Hohen Haus hingestellt und gesagt hat „Wenn man das hochrechnet, kommt man auf 2 Millionen Asylbewerber“, gefragt, ob es Unvermögen oder Kalkül ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es! - Edi- tha Lorberg [CDU]: Genau!)

Aber egal, ob es Unvermögen oder Kalkül war, sehr geehrter Herr Ministerpräsident: Schlimm ist das allemal.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Der Kollege Nacke hat recht: Sie machen damit das Geschäft derjenigen, die in trüben Gewässern fischen. Es sind Aussagen wie diese, die Feuer legen in dieser Gesellschaft. Von daher, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, fordere ich Sie auf, etwas vorsichtiger darin zu sein, wie Sie sich in der Öffentlichkeit äußern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als Sie nach der Kabinettsklausur von der notwendigen Residenzpflicht schwadroniert haben, konnte man schon den Eindruck gewinnen, dass Sie nicht so richtig wussten, wovon Sie reden. Das hat ja dann die Sprecherin der Landesregierung eingefangen; sie hat gesagt, dass es gar nicht um Residenzpflicht geht, sondern um Wohnsitzauflagen. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, damit Sie das noch einmal verstehen, haben wir Ihnen das aufgezeichnet, was eine Wohnsitzauflage und was eine Residenzpflicht ist.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch - Lachen bei der FDP und bei der CDU)

Das übergebe ich Ihnen gleich gerne, damit Sie das auch verstehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Bitte kopie- ren! Für alle, und zwar sofort! - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Ein lächerlicher Auftritt!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute schon eine Wohnsitzauflage, sehr geehrter Herr Tonne, für Asylbewerber. Die gibt es schon.

(Ulrich Watermann [SPD]: Nein, auch falsch! Das ist eine Residenzpflicht!)

- Die gibt es schon, sehr geehrter Herr Watermann, die Wohnsitzauflage für die Asylbewerber. Das, was wir 2011 abgeschafft haben, ist die Residenzpflicht. Das waren CDU und FDP.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Da ging es darum, ob Asylbewerber den Landkreis, dem sie zugewiesen wurden, verlassen dürfen, um beispielsweise Einkäufe zu machen oder damit man, wenn man von Quakenbrück nach Bad Iburg fahren muss, nicht um Osnabrück herumfahren muss. Das ist die Frage von Residenzpflicht. Die ist in der Tat aufgehoben worden. Ich frage mich, ob Sie die wieder einführen wollen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident. Ich hielte das für falsch.

(Beifall bei der FDP)

Bei der Wohnsitzauflage stelle ich mir die Frage - das können Sie uns ja gleich erklären -, ob Sie über das hinausgehen wollen, was heute schon für Asylbewerber gilt. Wollen Sie also Menschen, die einen anerkannten Status haben, eine Wohnsitzauflage auferlegen, wie es in den 90er-Jahren bei den Aussiedlern der Fall gewesen ist? - Aber seit den 90er-Jahren hat sich ja etwas getan. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2008 geurteilt, dass eine solche Wohnsitzauflage nicht mit europäischem Recht zu vereinbaren ist und gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich frage Sie an dieser Stelle: Wenn Sie das wollen, was andere ja auch diskutieren, wie wollen Sie das mit europäischem Recht und mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbaren? - Diese Antwort bleiben Sie bisher schuldig.

(Beifall bei der FDP)

Wir glauben, dass alle diese Diskussionen über Residenzpflicht und Wohnsitzauflagen eigentlich nur unnütze Diskussionen und Ablenkungsmanöver sind. Der eigentliche Kern ist die Frage: Wie schaffen wir es tatsächlich, diese Flüchtlingskrise zu bewältigen?

Wenn Sie diesen Zustrom von 2 Millionen Flüchtlingen annehmen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, dann fordere ich Sie auf: Tragen Sie in

Ihrem Verantwortungsbereich Verantwortung dafür, dass wir diese Krise auch bewältigen können! Da sind Sie in der Pflicht.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Oetjen. - Das Wort hat jetzt die Kollegin Filiz Polat, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich im Wesentlichen auf die Entschließung der CDU-Fraktion konzentrieren, weil ich als Sprecherin einer kleinen Fraktion ja nicht so viel Zeit habe, obwohl ergänzend noch etwas draufgelegt worden ist. Aber es geht in Ihrem Antrag ja in erster Linie um Überlegungen der Landesregierung zur Residenzpflicht für Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Ich möchte die FDPFraktion in diesem Zusammenhang bitten, von der sehr gelungenen Übersicht - Gratulation dazu! - vielleicht auch eine Kopie für die CDU-Fraktion zu machen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ablenkungs- manöver!)

Denn das, was Sie, Herr Oetjen, gerade beschrieben haben, ist richtig. Es gibt seit 2012 eine erste Öffnung der räumlichen Beschränkung, also der Residenzpflicht - das ist ja ein nicht bestimmter Rechtsbegriff -, sodass sich Menschen in Niedersachsen frei bewegen können. Das erfolgte noch unter Ihrer Landesregierung. Wir waren uns eigentlich sicher, dass Sie, FDP und CDU gemeinsam, den Vorstoß des Landes Niedersachsen u. a. auf Bundesebene, die Residenzpflicht bundesweit aufzuheben, unterstützt haben. Aus dem Antrag der CDU geht hervor: Das ist mitnichten so, obwohl Sie dem Paket auf Bundesebene zugestimmt haben, also zugestimmt haben, die Residenzpflicht für den betroffenen Personenkreis, den Herr Oetjen angesprochen hat, aufzuheben.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Thema der letzten Wochen war die Wohnsitzauflage, ein Vorstoß des Deutschen Städtetages im Übrigen, auch im Zuge der Diskussion um die Konzentration anerkannter Asylbewerber, die vielleicht nach ihrer Anerkennung nicht in Bersenbrück bzw. in Freren im Emsland bleiben, sondern in die

Oberzentren ziehen. Dabei geht es darum, dass man ihnen einen Wohnort nach ihrer Anerkennung zuweist. Ihr Antrag beschäftigt sich aber ausschließlich mit Asylbewerbern.

(Zuruf von Jörg Hillmer [CDU])

Da muss ich mich schon fragen, ob auch Sie nicht verstanden haben, dass es eine Wohnsitzauflage für Asylbewerber bereits gibt.

(Jörg Bode [FDP]: Genau wie der Mi- nisterpräsident!)

Die Wohnsitzauflage für Asylbewerber und Asylsuchende gibt es. Insofern dreht sich die Diskussion nur um anerkannte Personen, die quasi schon subsidiären Schutz oder einen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben.

(Zuruf von Jörg Hillmer [CDU])

Einen Moment, bitte, Frau Polat! - Herr Hillmer, da Sie offenbar kommentieren möchten: Würden Sie vielleicht zu dem Instrument der Kurzintervention greifen? - Ihr Kollege Nacke tut es. Ansonsten ist es unfair, die Kollegin Polat weiter zu stören.

Frau Kollegin Polat, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hillmer zu?

Nein.

(Christian Dürr [FDP]: Aber von mir!)

Ich antworte gern auf eine Kurzintervention. Dann habe ich noch zusätzliche Zeit.

Frau Polat möchte keine Zwischenfrage zulassen.

(Christian Dürr [FDP]: Von mir auch nicht?)

- Nein, Herr Dürr. Sie fährt jetzt in ihrem Redebeitrag fort, und ich bitte Sie um Ruhe!

(Christian Dürr [FDP]: Das ist gemein! Ich lasse Zwischenfragen von dir im- mer zu! - Gegenruf von Petra Tie- mann [SPD]: Klärt das doch bilateral!)

- Herr Dürr, vielleicht klären Sie das hinterher.