Meine Damen und Herren, das Haus ist bereits gut besetzt. Wir stellen somit jetzt schon die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.
Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 13, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 21.10 Uhr enden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Innenminister Boris Pistorius, von der Fraktion der CDU Herr Rainer Fredermann, von der Fraktion der SPD Herr Uwe Strümpel und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Heinrich Scholing.
Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setzen wir als allgemein bekannt voraus.
Ich weise wie üblich besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind.
Um uns im Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
a) Grüne Regierungsverantwortung in Hessen und Niedersachsen - Fatal für den ökologischen Zustand der Weser? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/4991
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass in Hessen das Raumordnungsverfahren für den Bau einer Oberweserpipeline eingeleitet worden ist. Ziel dieses Vorhabens ist es, die bei der Kaliproduktion anfallenden Abwässer mittels dieses Bypasses über die Weser zu entsorgen.
Der niedersächsische Umweltminister Wenzel hatte sich am 11. Januar 2016 gegenüber dem Weser-Kurier gegen diese Pläne ausgesprochen, wie das folgende Zitat des Ministers belegt:
„Ob das Regierungspräsidium hier dreist oder dumm gehandelt hat, konnte bisher nicht geklärt werden“.
Er kündigte in einer Pressemitteilung vom 14. Januar 2016 an, die Pläne seiner grünen Amtskollegin in Hessen nicht akzeptieren zu wollen.
Auf Initiative der CDU-Fraktion hat der Landtag die Landesregierung bereits im Oktober 2014 mit großer Mehrheit u. a. dazu aufgefordert,
„1. sich gegenüber dem Land Hessen mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass das Land Hessen seiner Verantwortung als zuständige Genehmigungsbehörde für die Entsorgung der Produktionsabwässer gerecht wird und die Grenzwerte stufenweise so verschärft, dass die Qualitätsziele der Wasserrahmenrichtlinie bis spätestens 2027 erreicht werden,
2. keinem Bewirtschaftungsplan für die Flussgebietsgemeinschaft Weser zuzustimmen, der eine Einleitung von Produktionsabwässern der Kaliförderung in die Weser mittels einer Pipeline vorsieht,
3. sicherzustellen, dass im nächsten Bewirtschaftungsplan für die Flussgebietsgemeinschaft Weser alle technischen Möglichkeiten zur Reduzierung der Salzbelastung von Werra und Weser aufgenommen werden“.
1. Welche konkreten Schritte wird die Landesregierung einleiten, um den Bau der Pipeline zu verhindern?
3. Inwiefern hat sich der niedersächsische Umweltminister in persönlichen Gesprächen mit seiner hessischen Amtskollegin für eine für Niedersachsen akzeptable Lösung eingesetzt?
Vielen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Für die Landesregierung antwortet der Umweltminister, Herr Wenzel. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Bäumer, die Anfrage beantworte ich im Namen der Landesregierung wie folgt:
Die Einleitung von Abwässern aus der hessischthüringischen Kaliproduktion in die Werra gehört zu den wichtigen Wasserbewirtschaftungsfragen, die im Flussgebiet der Weser gelöst werden müssen. Durch die hohe Salzbelastung wird nicht nur der ökologische Zustand erheblich beeinträchtigt, sondern es werden auch Nutzungen der Unterlieger, z. B. die Trinkwasserversorgung der Stadt Bremen, unmöglich gemacht. Seit rund 100 Jahren müssen die Unterlieger Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mit dieser Situation leben.
Im hessisch-thüringischen Kalirevier gibt es auch natürliche Salzbelastungen, die in der Werra auftreten und die bereits bei Tacitus verzeichnet sind.
Mit dem Inkrafttreten der europäischen Wasserrahmenrichtlinie ist der Gewässerschutz in Deutschland verbindlicher geworden. Das heißt, Deutschland hat sich mit seiner Zustimmung zu dieser Richtlinie auf europäischer Ebene dazu verpflichtet, Werra und Weser wieder in einen guten - sprich: nahezu natürlichen - Zustand zu versetzen. Dafür besteht Zeit bis spätestens im Jahr 2027.
Die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge achtet in diesem Fall sehr genau darauf, dass Deutschland seinen Verpflichtungen nachkommt. Man ist in Brüssel der Meinung, dass die bisherigen Schritte zur Sanierung der Werra und der Weser zu wenig konkret benannt sind, und fürchtet, dass sich Deutschland über verringerte Umweltziele aus der Verantwortung stiehlt. Daher wurde im Jahr 2012 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Nichteinhaltung der Bestimmungen der Wasserrahmenrichtlinie eingeleitet. Deutschland habe es versäumt - so der Vorwurf der Kommission im Jahr 2012 -, im ersten Bewirtschaftungsplan für die Flussgebietsgemeinschaft Weser aus dem Jahr 2009 diejenigen Maßnahmen festzulegen, die - auch bei der Inanspruchnahme von Fristverlängerung bis 2027 - erforderlich sind, um den guten ökologischen Zustand zu erreichen.
Meine Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zur Flussgebietsgemeinschaft Weser gehören sieben Länder, und zwar die Länder Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Diese sieben Länder haben bei der Aktualisierung des Bewirtschaftungsplans 2015 für die Flussgebietseinheit Weser ein umfangreiches und sehr konkretes Maßnahmenpaket abgestimmt, mit dem der gute ökologische Zustand spätestens 2027 erreicht werden soll.
Dieser Zustand wird von den Weserländern an der Salzkonzentration an der niedersächsischen Messstelle in Boffzen unterhalb von Bad Karlshafen festgemacht. Für den Parameter Chlorid soll dort eine Konzentration von nicht mehr 300 mg/l erreicht werden. Für zwei weitere Messparameter - Kalium und Magnesium - gibt es ebenfalls Zielwerte, die der Wasserrahmenrichtlinie entsprechen.
Mit diesem Zeitzielwertkonzept sind die Weserländer in die Beratungen eingetreten. Nach schriftlichen und mündlichen Erörterungen mit der EUKommission wurde der Entwurf des Bewirtschaftungsplans 2015 um einen sogenannten Masterplan Salzreduzierung ergänzt. Neben dem Zeitzielwertkonzept enthält der Masterplan sehr konkrete Maßnahmen sowie einen sehr konkreten und anspruchsvollen Zeitplan für die Umsetzung.
Basis sind von dem Unternehmen Kali und Salz durchzuführende Maßnahmen: erstens ab 2017 die Eindampfung von Produktionsabwässern durch eine neue KKF-Anlage, zweitens ab 2021 der Regelbetrieb zur Abdeckung aller Rückstandshalden, drittens ebenfalls ab 2021 das Einstapeln und der Versatz von Salzabwässern, gegebenenfalls auch Haldenabwässern, unter Tage und viertens die jederzeitige Nutzung der bestverfügbaren Technik mit Fortschreibung der BVT-Dokumente.
Optional, meine Damen und Herren, sind derzeit im Entwurf zwei weitere Maßnahmen für den Fall enthalten, dass die oben genannten Maßnahmen nicht ausreichen.
Niedersachsen hat sich für die optionale Produktionsdrosselung ab 2027 eingesetzt. Darüber wird ab 2018 ein Entscheidungsprozess der Flussgebietsgemeinschaft Weser herbeigeführt, wenn die Zielerreichung infrage stehen sollte.
Alternativ hat der Weserrat einen Vorschlag Hessens über einen optionalen Weser-Bypass mit einem maximalen Durchsatz von 0,8 Millionen m3 pro Jahr für den Fall der Nichterreichung der Ziele diskutiert. Auch darüber soll 2018 eine Entscheidung in der Flussgebietsgemeinschaft Weser herbeigeführt werden, in der auch die alternative Möglichkeit der Produktionsdrosselung abgewogen wird.
Kali und Salz hatte bzw. hat eine Oberweserpipeline mit einem Durchsatz von 3,5 bis 5,5 Millionen m3 pro Jahr geplant.
Das Besondere an der europäischen Wasserrahmenrichtlinie ist die Bewirtschaftung der Gewässer in Flussgebieten ohne Beachtung geografischer
oder politischer Grenzen. Damit ist eine Koordinierungspflicht verbunden. Um der Koordinierungspflicht nachzukommen, haben sich die Weserländer im Jahr 2003 zu einer Flussgebietsgemeinschaft zusammengeschlossen und vereinbart, gemeinsame Beschlüsse zu fassen.
Im Sommer 2015 war der seinerzeitige Entwurf des Bewirtschaftungsplans sechs Monate lang öffentlich ausgelegt, um Stellungnahmen von Bürgerinnen und Bürgern, Kommunen, Unternehmen und weiteren Stakeholdern zu ermöglichen. Der Entwurf enthielt die oben genannten Zielwerte, die notwendig sind, um das anhängige Vertragsverletzungsverfahren mit der Europäischen Kommission zu beenden. Der Entwurf wurde von allen Ländern der Flussgebietsgemeinschaft getragen. Nach der Anhörung wurden die Stellungnahmen ausgewertet. Der Entwurf wurde zudem der EU-Kommission vorgestellt, die Konkretisierungen in Bezug auf die Maßnahmen für notwendig befand.