Protocol of the Session on January 20, 2016

Frau Kollegin, Sie müssten jetzt bitte zum Schluss kommen.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns darin einig sein, dass der Schutz unserer Frauen und Mädchen an erster Stelle stehen muss. Übergriffe sexueller Gewalt - egal von wem - wollen wir nicht dulden, und wir verachten sie zutiefst.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Lorberg. - Jetzt hat sich Frau Dr. Thela Wernstedt, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor genau vier Monaten haben die frauenpolitischen Sprecherinnen aller Landtagsfraktionen hier im Landtag eine Veranstaltung durchgeführt und alle Frauenverbände Niedersachsens eingeladen, sich mit der Frauenfriedensbewegung um den Ersten Weltkrieg herum zu beschäftigen. Wir haben gemeinsam die Forderungen des Frauenfriedenskongresses in Den Haag von 1915 gelesen und gehört. Zu den Forderungen gehörte, dass die massenhaften Vergewaltigungen von Frauen während der Kriegführung geächtet gehören. Die Veranstaltung trug nach einem Zitat der Frauenrechtlerin und Friedensaktivistin Lida Gustava Heymann den Titel „Frauen riefen, aber man hörte sie nicht“.

Die Forderung der Frauen, sexualisierte Gewalt gegen Frauen nicht als Kriegsmittel einzusetzen, ist bis heute nicht umgesetzt, auch wenn die UN bereits vor 15 Jahren die Resolution 1325 zu diesem Thema verabschiedet hat. Dennoch hat sich viel geändert. Frauen haben seit 1918 das Wahlrecht in Deutschland. Mädchen gehen zur Schule. Frauen können alle Berufe lernen und jedes Fach studieren, das sie möchten. Sie sind wirtschaftlich unabhängig und können ihren Partner oder ihre Partnerin frei wählen. Sie leben ein freies Leben, das sie nach ihren Wünschen und Fähigkeiten gestalten. Sie gehen tanzen, sie vergnügen sich, und sie übernehmen sehr viel Verantwortung in Beruf und Familie.

Eine international organisierte Frauenbewegung hat bereits im 19. Jahrhundert begonnen, das

Wahlrecht, das Versammlungsrecht und das Recht auf Bildung für Mädchen zu erkämpfen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, der Abermillionen von Menschen das Leben gekostet und noch viel mehr Menschen verletzt an Leib und Seele zurückgelassen hat, wurde durch ein Mitglied des Parlamentarischen Rates, die Sozialdemokratin Dr. Elisabeth Selbert, gegen alle Partei- und sonstigen Widerstände unter Mobilisierung einer breiten Frauenmehrheit in dem damals versehrten Land Artikel 3 in unser Grundgesetz eingeschrieben: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

Die zweite internationale Frauenbewegung hat dies in den 60er- und 70er-Jahren in den verschiedenen Lebensbereichen durchdekliniert. Es sind schwere Kämpfe gewesen, durch die unsere Gesellschaft hindurchgegangen ist. Aber: Diese Errungenschaften stehen fest.

Die Ereignisse in der Silvesternacht, in der in Köln und anderen Städten massenhaft sexualisierte Gewalt gegen Frauen ausgeübt wurde, verstören deshalb nachhaltig und verlangen deutliche und laute Reaktionen.

Mädchen und Jungen, Frauen und Männer lernen und leben in diesem Land gemeinsam. Sie streiten und kämpfen, sie lachen und versöhnen sich. In Deutschland gibt es keine Geschlechtertrennung.

Mädchen und Jungen, Frauen und Männer sind Menschen mit genau gleichen Rechten. Wer Frauen als Besitz betrachtet oder als den Männern unterlegen, wer Geschlechterhierarchien als gott- oder naturgegeben ansieht, verstößt gegen einen Grundwert.

Wer Christinnen, Jüdinnen, andersgläubige oder nicht gläubige Frauen glaubt verachten zu können, stellt sich gegen die Religionsfreiheit und verstößt gegen einen Grundwert.

Wer glaubt, dass er Frauen in ihrer körperlichen oder auch seelischen Integrität verletzen darf, vergeht sich am Fundament unseres Zusammenlebens.

(Beifall)

Unsere Verfassung schützt die Würde jedes Menschen. Es ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt, sie zu schützen. Wer Frauen mit sexualisierter Gewalt angreift und sie verletzt, verstößt gegen diesen Grundwert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Heute ist die Lage anders als 1915. Heute erheben Frauen ihre Stimme, und sie werden gehört.

Zugleich ist es unerträglich, wenn politische Gruppierungen die sexualisierte Gewalt gegen Frauen für ihre Zwecke instrumentalisieren, um Stimmungen zu machen, in dieser und jener Hinsicht. Das gilt für das rechte wie auch für das linke Spektrum.

Die massenhaften sexuellen Übergriffe müssen analysiert und bestraft werden. Solches muss mit allen Mitteln des Rechtstaates unterbunden werden. Menschen, die illegal unter mehreren Identitäten hier leben und alle Regeln unterlaufen, sollten ausgewiesen und wirksam abgeschoben werden.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

So viel zur Selbstvergewisserung.

Es wird aber mehr Lösungen brauchen als den Ruf nach Ausweisung. Eine wachsende Zahl junger Männer aus dem nordafrikanischen und subsaharischen Raum, die jahrelang quer durch Europa wandern - ohne Ausbildung, ohne reale Chance auf Aufenthaltserlaubnis und Arbeit -, die ihre Pässe zerstört haben und von ihren Heimatländern nicht wiederaufgenommen werden, sind ein Problem, aus dem sich auch die Heimatländer nicht davonstehlen können.

Die politische Frage, wie es gelingen kann, Wanderungsbewegungen zu kontrollieren und damit Illegalität und Kriminalität zu vermindern, werden wir nicht allein in Deutschland lösen können.

Sexualisierte Gewalt ist ein großes gesellschaftspolitisches Thema und gehört auf die Tagesordnung - analytisch, sachlich, lösungsorientiert und ohne Tabus.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Wernstedt. - Jetzt hat sich Dr. Marco Genthe, FDP-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Grundgesetz, nach unserer Verfassung, ha

ben die Menschenwürde und die Unverletzlichkeit der Person einen sehr hohen Stellenwert. Das ist ganz bewusst so.

Daraus folgt, dass der Staat dafür zu sorgen hat, dass die Menschen möglichst gewaltfrei, möglichst selbstbestimmt ihr Leben in Niedersachsen, in Deutschland führen können.

Entsprechend beinhaltet das Strafgesetzbuch einen umfangreichen Katalog von fast 30 Paragrafen mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Diese §§ 174 ff. werden ergänzt durch die Körperverletzungs- und Nötigungsdelikte. Das, meine Damen und Herren, ist schon ziemlich umfassend.

Aber zur Wahrheit gehört auch: Wenn sich zwei Personen in einem Raum befinden, wird es strafprozessual später immer Beweisprobleme geben. Dieses Problem wird wahrscheinlich nicht abschließend zu regeln sein, auch nicht mit den jetzt vorgeschlagenen Gesetzesänderungen.

Aufgabe des Staates bleibt jedoch, darauf hinzuwirken, dass es gar nicht zu solchen Taten kommen kann. Er muss also auch präventiv aktiv werden. Insoweit sind die Ereignisse von Köln einfach nur erschreckend.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist nicht hilfreich, wenn bestimmte Politiker die fast 1 000 Straftaten in einer einzigen Nacht bundesweit mit kulturellen Ereignissen wie z. B. dem Oktoberfest oder dem Karneval in Beziehung setzen, wie es eben die Fraktionsvorsitzende der Grünen gemacht hat.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Helge Limburg [GRÜ- NE]: Und warum nicht? Was hindert sie daran?)

Denn derartige Vergleiche sind geeignet, diese Taten zu relativieren.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Nein!)

Diese Relativierungsversuche lenken von den wirklichen Problemen ab, und ich habe den Eindruck, das ist auch gewollt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist doch Unfug, was Sie da reden!)

Aussagen wie von dem stellvertretender Hamburger Grünen-Vorsitzenden im Focus - der da sagte: „Alle Männer sind potenzielle Vergewaltiger“ - zei

gen insbesondere die Hilflosigkeit der Grünen in der aktuellen Lage.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, hier ist aber der Niedersächsische Landtag, und die Wähler erwarten, dass wir hier in Niedersachsen auf diese Dinge reagieren. Da komme ich sofort zu der Frage, wie wir vorbereitet sind.

Wir haben heute Morgen darüber gesprochen. Ich entnehme der Neuen Presse vom 19. Januar 2016, dass die Betreiber der Klubs am Steintor eine private Initiative für die Sicherheit von Frauen ins Leben gerufen haben - und dafür bekommen sie offensichtlich auch berühmte Unterstützung aus Spanien. Jedenfalls ist dieser spezielle Fall auch eine direkte Folge der Auflösung der Polizeistelle am Marstall durch Rot-Grün.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Oder denken Sie an den sexuell motivierten Überfall am Raschplatz! Das ist in unmittelbarer Nähe der Polizei geschehen. Die betroffene Frau bekam dann Hilfe von Türstehern.

Meine Damen und Herren, so entsteht doch der fatale Eindruck, als sei die Polizei in Hannover nicht in der Lage, die Frauen ausreichend zu schützen.