Dietmar Riemer, der Leiter des NDR-Hauptstadtstudios in Berlin, hat letzten Freitag zu Recht an die Mitverantwortung der Sozialdemokraten erinnert. Sie - also die Sozialdemokraten - müssten jetzt in Berlin die Frage beantworten, ob die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin noch die der Großen Koalition ist oder sie nur auf Rechnung Merkels gemacht wird.
Und da stellt sich dann die Frage: Was tut denn eigentlich Bundesaußenminister Steinmeier, was tut Bundeswirtschaftsminister Gabriel, und was tut Bundesarbeitsministerin Nahles? Schlafen die alle? Wo sind die denn? Tragen die keine Verantwortung? Was tun die? - Die tun nichts, außer kluge Sprüche zu klopfen!
Meine Damen und Herren, auf der Bundesebene kommen von Ihnen nur kluge Sprüche und gezielte Provokationen, aber keine Ansätze für Lösungen. Das ist der Stil, mit dem Sie Politik machen. Das ist genauso erbärmlich wie der Gleichschritt von Herrn Weil mit Herrn Dobrindt.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn es nach der Union gegangen wäre, wäre das Asylpaket II schon lange durch den Bundestag durch und im Bundesrat verhandelt worden. Aber Sie von der SPD sind es doch gewesen, die genau das in den letzten Monaten und Wochen immer verhindert
haben: mit hinhaltendem Widerstand und mit ständig irgendetwas Neuem, was Sie sich ausgedacht haben. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie eine Richtung hätten! Sie sind doch eine Hühnerherde. Das ist doch das Problem, vor dem Sie stehen.
Und da wir gerade dabei sind: Zur Wahrheit gehört auch, dass alles das, was viele von Ihnen jetzt fordern - nämlich die Residenzpflicht und dass man jetzt endlich einmal eine zentrale Aufnahme braucht -, in den Transitzonen möglich gewesen wäre. Aber die sind doch an Ihnen gescheitert, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit. Fragen Sie doch einmal Herrn Stegner, welchen Unsinn er dazu gesagt hat. Das ist doch alles ziemlich unglaublich.
Und im Übrigen - auch das will ich Ihnen sagen -: Sie, Herr Weil, sprechen von Überforderung. Ihre Bundesfamilienministerin Schwesig redete aber noch am Sonntag davon, dass jetzt der Familienzuzug organisiert werden muss. Das Bundesaußenministerium gibt Broschüren mit Hinweisen zum Familienzuzug heraus. Was für eine Politik ist das denn? - Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen! Das ist doch das Problem, das Sie den Menschen in diesem Land einmal erklären müssen.
Meine Damen und Herren - auch das sage ich hier mit allem Ernst -, Joschka Fischer hat es auf den Punkt gebracht. Er hat nämlich die berechtigte Frage in den Raum gestellt, wer denn, wenn Merkel morgen nicht mehr Kanzlerin wäre, die Rolle in Europa übernehmen solle. - Das ist eine sehr berechtigte Frage, weil darin deutlich wird,
(Anja Piel [GRÜNE]: Das klären Sie doch erst einmal bei sich selbst! Sie haben doch genügend Briefeschreiber bei sich an Bord!)
„In diesen Tagen und Monaten wird sich mehr entscheiden, als die Schlaumeier und Oberbegrenzer zugeben wollen - obwohl sie es besser wissen. Wenn die Kanzlerin Deutschlands Grenzen de facto schließen ließe, dann wäre das das Ende von Schengen-Europa, wie wir es kennen und so sorglos für selbstverständlich halten. …
Das alles wird teurer als jede nationale Flüchtlingsrechnung. Die Kanzlerin hat das im Gegensatz zu ihren Kritikern nicht nur begriffen, sondern handelt auch danach. Eine Staatsfrau!“
Und Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sind getrübt von keinerlei Sachkenntnissen! Sie empfehlen die Schließung der deutschen Außengrenze als Ultima Ratio.
(Detlef Tanke [SPD]: Diskutieren Sie das erst einmal mit der CDU! - Weite- re Zurufe von der SPD - Unruhe - Glocke der Präsidentin)
Das alles ist doch dem parteitaktischen Kalkül geschuldet, dem Sie vor den Wahlen in RheinlandPfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt ausgesetzt sind. Sie stellen doch die Errungenschaften der Europäischen Union hier infrage! Das ist Ihr Problem, weil Sie auf einen opportunistischen Kurs gewechselt sind, -
- weil er bei der Bevölkerung ankommt. Deswegen sage ich Ihnen: Das ist das Gegenteil von verantwortlicher Politik - das ist verantwortungslose Politik!
Ich schließe: Es ist die Aufgabe einer Regierung, nicht permanent Fragen zu stellen und Sorgen zu artikulieren, sondern zu versuchen, Lösungen zu
Vielen Dank, Herr Thümler. Ich glaube, Herr Kollege, wir sind uns einig, dass „Hühnerherde“ nicht zum üblichen Sprachgebrauch des Parlaments gehört.
Wir fahren jetzt fort, liebe Kollegen und Kolleginnen. Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Limburg.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Thümler, einigen Punkten in Ihrer Rede konnte ich sogar zustimmen. Aber Sie hatten einen zentralen Fehler in Ihrer Rede: Sie hatten nämlich den falschen Adressaten, Herr Kollege. Halten Sie diese Rede auf dem CDU-Parteitag! Halten Sie diese Rede vor der CDU-Landtagsfraktion und vor der CDU-Bundestagsfraktion! Die CDU ist es doch, die Chaos und Unsicherheit in diese Debatte bringt, meine Damen und Herren!
Zentral für die Frage, Frau Kollegin Lorberg, ob wir die gegenwärtige Einwanderungssituation als Staat und als Gesellschaft bewältigen, ist doch nicht, ob und wo wir eventuell eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung eröffnen und wie es gelingt, noch schneller mehr Lehrerinnen und Lehrer in die Schulen zu bekommen.
Die Frage, ob wir das bewältigen, ob wir aus der gegenwärtigen Situation gestärkt und gewachsen hervorgehen oder ob es schwere Jahre werden, wird doch nicht in Niedersachsen entschieden, sondern in Berlin, in Brüssel, in Straßburg, in Warschau, in Budapest, in Wien, in Tallinn, in Riga, meine Damen und Herren. Es muss eine europäische Lösung für die Herausforderung geben. Dafür muss sich die Bundeskanzlerin einsetzen. Darauf hat der Ministerpräsident völlig zu Recht hingewiesen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Das will doch jeder! Das ist doch Common Sense!)
Herr Dürr, die Umsetzung dieser Maßnahmen durchzusetzen ist in der Tat die Aufgabe Angela Merkels als deutscher Bundeskanzlerin.
Auch Ihnen von der Opposition, Herr Thiele, täte es gut, mal ein wenig über den Tellerrand zu blicken.
Nun ist der Herr Ministerpräsident ja nicht der einzige, der gegenwärtig Forderungen an die Frau Bundeskanzlerin stellt. In der Union entwickelt sich ja gerade eine ganze Reihe von Brieffreundschaften. Wer hätte gedacht, dass der Brief im Jahr 2015 und 2016 ein solches Comeback erlebt, meine Damen und Herren!