Protocol of the Session on January 20, 2016

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Stattdessen liest man in ebendiesem Interview, Herr Weil:

„Ich wünsche mir generell, dass meine Partei ihre Standpunkte noch stärker konturiert und verständlich darstellt.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPD ist mir relativ egal. Aber ich erwarte es vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Ihre Einstellung zu Ihrem Amt wird nach drei Jahren Regierungstätigkeit langsam, aber sicher deutlich. Sie ist in der Pressekonferenz nach der Kabinettsklausur in Northeim deutlich geworden. Auch daraus will ich einmal zitieren. Unter der Überschrift - ebenfalls in der Welt - „Neues Jahr, alte Probleme“ ist die Rede vom

„Jahr 2016, einem Jahr, auf das der Regierungschef vielleicht auch deshalb ‚total gespannt‘ ist, weil er nach eigener Einschätzung selbst nur in recht geringem Maße beeinflussen kann, wie es am Ende ausgeht.“

Das ist genau das Problem, Herr Weil.

(Anja Piel [GRÜNE]: Das ist doch die europäische Situation! Er ist doch nicht Ministerpräsident in Brüssel!)

Dieses Zitat spricht Bände: der Ministerpräsident sozusagen als unbeteiligter Dritter am Spielfeldrand.

Da wundert es nicht, dass die einzigen Ergebnisse der Kabinettsklausur im FREIgeist in Northeim, die sicherlich nicht billig war, waren, dass Integration eine Querschnittsaufgabe ist - eine ganz neue Information! - und dass es keinen Sonderstaatssekretär für Flüchtlingspolitik gibt.

(Jörg Bode [FDP]: Den hat auch kei- ner gefordert!)

Meine Damen und Herren, das waren die einzigen beiden Punkte, die dort herübergekommen sind.

Bemerkenswert fand ich aber das Themendropping am Rande dieser Klausurtagung: Man müsse jetzt die Residenzpflicht wiedereinführen. - Ein paar Tage später musste die Pressesprecherin der Landesregierung - jetzt weiß ich auch, warum sie Staatssekretärin ist - das in der Landespressekonferenz wieder einfangen: Nein, das meinte der Ministerpräsident gar nicht so. Er meinte nicht die Residenzpflicht, sondern die Wohnsitzauflage, um zu einer besseren Verteilung der Flüchtlinge in Niedersachsen zu kommen.

Bessere Verteilung über eine Wohnsitzauflage? Ich habe eine ganz harte Botschaft für Sie, Herr Weil: Das können Sie längst machen. Das ist Ihre eigene Zuständigkeit. Sie fordern auf Pressekonferenzen Dinge, für die Sie als Landesregierung selbst zuständig sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund dessen, was Sie zu Frau Merkel gesagt haben, warte ich schon auf den nächsten Presseaufschlag, unter der Überschrift: Stephan Weil fordert vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten einen Plan B in der Flüchtlingspolitik.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das wird wahrscheinlich der nächste Aufschlag der Landesregierung sein.

Das Gleiche erleben wir bei der Initiative „Niedersachsen packt an!“, die wir alle in diesem Haus gemeinsam unterstützen. Meine Damen und Herren, das war ursprünglich eine Initiative von Kirchen, Deutschem Gewerkschaftsbund und Unter

nehmerverbänden Niedersachsen. Sie, Herr Weil, sind dabei, weil Sie für die Umsetzung der Dinge zuständig sind. Sie sprechen ja auch die richtigen Punkte an. In der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen vom 5. Januar beispielsweise sprechen Sie vom sozialen Wohnungsbau, von der Unterbringung von Flüchtlingen, von Bildung, von Sprachförderung und von Integration in den Arbeitsmarkt.

Wir, meine Damen und Herren, haben Ihnen zu all diesen Punkten Vorschläge gemacht. Wir haben Vorschläge zu den Baustandards gemacht. Unser Entschließungsantrag zur Arbeitsmarktintegration vom März 2015 liegt immer noch im Ausschuss.

Wir haben Ihnen in unseren Anträgen zu den Haushalten 2015 und 2016 gezeigt, wie man mehr für Sprachkurse hätte tun können. Meine Fraktion hat einen Vorschlag gemacht, um mithilfe eines vorübergehenden humanitären Schutzes das Chaos im Asylsystem zu beseitigen.

Meine Damen und Herren, ich unterstütze die Initiative „Niedersachsen packt an!“ ausdrücklich. Ich freue mich, dass sich so viele Menschen daran beteiligen. Aber es reicht nicht aus, dass die Staatskanzlei kalt-warme Buffets finanziert. Das ist noch keine gelungene Integrationspolitik, um das ganz klar zu sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Und nun erleben wir auch noch eine Debatte über die Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Ich frage mich, was dahintersteht; denn das wird, weil der Grundstücksverkauf teurer wird, am Ende doch zu weniger Wohnraum in Niedersachsen führen.

Meine Damen und Herren, die Flüchtlingskrise ist aus meiner Sicht ein denkbar schlechter Anlass, um eine Debatte über die Erhöhung der Grunderwerbsteuer in Niedersachsen zu führen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich halte es für unverantwortlich und unredlich, Flüchtlinge vorzuschieben, um Grundstückseigentümer und Immobilienkäufer abzuzocken.

Herr Ministerpräsident, entweder sind Sie nach eigener Auffassung nicht zuständig. Oder man muss, wenn Sie dann doch einen konkreten Vorschlag machen, mehr und mehr den Eindruck haben, dass Sie nicht wissen, wovon Sie sprechen.

Ich komme zum Schluss. Ich habe - um das sehr klar zu sagen - durchaus Kritik an dem, was die Bundesregierung, die Große Koalition und die

Kanzlerin derzeit tun. Aber ich stelle in Anlehnung an das Zitat aus dem Interview in der Welt vom 15. Januar auch fest: Nicht Angela Merkel muss sich zuerst korrigieren - Sie, Herr Ministerpräsident, müssen endlich anfangen zu arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dürr. - Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Onay das Wort. Bitte!

(Ulf Thiele [CDU]: Und jetzt kommt ei- ner von denen, die ihn lähmen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Landtagsfraktion fragt in der Überschrift der von ihr beantragten Aktuellen Stunde, ob die Willkommenskultur im Lande zu Ende sei. Ich greife das gern auf und glaube, hier lohnt erst einmal ein Blick auf die CDU und darauf, welchen Anteil an der Willkommenskultur sie selbst hat.

(Zuruf von Jörg Hillmer [CDU])

Wir erinnern uns: Die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, hat die Grenzen geöffnet. Sie setzte damit Schengen aus und sagte „Wir schaffen das!“. So weit, so gut!

Doch seitdem prasseln Drohungen und Forderungen auf Merkel ein. Die CSU beispielsweise droht damit, Merkel und ihre Politik vor Gericht zu zerren. Diverse Unionspolitiker schreiben wiederholt Briefe an Merkel. - Wobei man sich fragen muss: Reden Sie in der CDU nicht miteinander?

(Björn Thümler [CDU]: Doch! Wir dis- kutieren sogar!)

Die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin Klöckner fordert hingegen die Kritiker auf, einfach mal die Klappe zu halten.

(Björn Thümler [CDU]: „Und zu arbei- ten“, hat sie gesagt)

Es kommt allerdings anders. Der Bundesverkehrsminister Dobrindt fordert von Merkel einen Kurswechsel und die Schließung der Grenzen. Schäuble fordert währenddessen eine Benzinsteuer wegen der Ausgaben für Flüchtlinge.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Unmöglich! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Eine echte Kakophonie! - Weitere Zurufe bei den GRÜNEN: Das hätten wir einmal for- dern sollen!)

Die CSU fordert, Integrationspflicht und Leitkultur in die Verfassung aufzunehmen.

Darüber hinaus fordert der CDU-Vorstand, schon bei Bewährungsstrafen abzuschieben. CSU-Generalsekretär Scheuer hingegen fordert, Flüchtlinge bereits dann abzuschieben, wenn sie verdächtigt werden - also ohne rechtsstaatliches Verfahren! Die CDU Thüringen fordert einen V-Leute-Einsatz in Flüchtlingswohnheimen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Welch ein Chaos! - Zurufe von der CDU)

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Niedersachsen. Der CDU-Landtagsabgeordnete und Kollege Oesterhelweg fordert nach den Vorfällen in Köln den Einsatz von Schusswaffen.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch!)

Die innenpolitische Sprecherin Angelika Jahns allerdings distanziert sich davon und warnt vor Wildwest-Kultur. Dem kann man zustimmen.