Protocol of the Session on November 12, 2015

b) Setzt die Landesregierung das neue Asylrecht um? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/4557

Die Anfrage wird vorgetragen von der Abgeordneten Angelika Jahns. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Dringliche Anfrage der CDU „Setzt die Landesregierung das neue Asylrecht um?“ vortragen.

Am 24. Oktober 2015 trat das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz in Kraft. Im Rahmen dieses Artikelgesetzes wurde u. a. das Asylverfahrensgesetz - nun Asylgesetz - geändert. So sieht der neue § 46 Abs. 1 a nun vor, dass Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 29 a) verpflichtet sind, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags nach § 29 a als offensichtlich unbegründet oder nach § 27 a als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.

Dies bedeutet, dass Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden dürfen, wie es derzeit noch geschieht. Sie sollen erst dann auf die Kommunen verteilt werden, wenn einer der seltenen Fälle vorliegt, in denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Gründe zur Schutzgewährung bejaht.

Weiterhin wurden das Asylbewerberleistungsgesetz und das Aufenthaltsgesetz geändert.

Am 5. November 2015 beschlossen die Parteivorsitzenden von CDU, SPD und CSU in Berlin nach Verhandlungen, an denen auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius teilnahm, die Verfahren für Asylbewerber mit geringer Aussicht auf Anerkennung zu beschleunigen. So sollen in Anlehnung an das Flughafenverfahren besondere Aufnahmeeinrichtungen bestimmt werden, in denen das gesamte Verfahren bis hin zur Abschiebung durchgeführt werden soll.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wird die Landesregierung die neue Rechtslage umsetzen und Asylbewerber aus sicheren Her

kunftsstaaten für das gesamte Asylverfahren in ihren Aufnahmeeinrichtungen unterbringen?

2. Wie verfährt die Landesregierung mit Ausländern aus sicheren Herkunftsstaaten, die sie bereits auf die Kommunen verteilt hat, vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage und der Beschlüsse der Vereinbarung in Berlin am 5. November 2015?

3. Wird die Landesregierung die gesetzliche Umsetzung der Ergebnisse des Berliner Gipfels vom 5. November 2015, die Innenminister Pistorius mitverhandelt hat, im Bundesrat unterstützen?

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Jahns. - Für die Landesregierung wiederum der Herr Innenminister Pistorius. Ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 47 Abs. 1 a - nicht § 46 Abs. 1 a - sieht vor, dass Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat verpflichtet sind, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags nach § 29 a als offensichtlich unbegründet oder nach § 27 a als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.

Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD haben am 5. November zur Beschleunigung des Asylverfahrens für Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit geringer Aussicht auf Anerkennung Folgendes beschlossen:

1. Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, mit Wiedereinreisesperren, mit Folgeanträgen oder ohne Mitwirkungsbereitschaft wird ein beschleunigtes Asylverfahren durchgeführt. In Anlehnung an das Flughafenverfahren sollen die zeitlichen Abläufe so gestaltet werden, dass das Verwaltungsverfahren innerhalb einer Woche und das Rechtsmittelverfahren innerhalb von zwei Wochen durchgeführt werden können.

2. Hierzu werden besondere Aufnahmeeinrichtungen bestimmt, die für die Asylantragstellung, die Antragsbearbeitung und -entscheidung, das Rechtsmittelverfahren und

die Rückführung abgelehnter Bewerber ausschließlich zuständig sind. Dafür sollen in Deutschland drei bis fünf solcher Aufnahmeeinrichtungen geschaffen werden

- bei Bedarf -,

zunächst in Bamberg und Manching.

3. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entsteht für die genannten Personen erst mit der Aufnahme in der zuständigen Aufnahmeeinrichtung.

4. Während des Aufenthaltes in der Aufnahmeeinrichtung gilt für den Bewerber eine verschärfte Residenzpflicht,

- Noch einmal zur Erinnerung: Wir reden hier über die Einrichtung für die Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten -

bezogen auf den Bezirk der unteren Ausländerbehörde. Verstöße gegen die Residenzpflicht haben dann auch den Wegfall des Leistungsanspruchs und das Ruhen des Asylantrages zur Folge.

5. Zur Wiederaufnahme eines ruhenden Asylantrages ist ein Wiederaufnahmeantrag erforderlich, der nur einmal und nur in der zuständigen Einrichtung gestellt werden kann. Ein erneuter Verstoß gegen die Residenzpflicht hat das Erlöschen des Antrages und die sofortige Ausweisung zur Folge. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen können unabhängig von einem eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

6. Die Rückführung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen, deren Antrag rechtskräftig und vollziehbar abgelehnt ist, erfolgt unmittelbar aus der Aufnahmeeinrichtung.

Diese Beschlüsse sind erst noch in einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren in geltendes Recht umzusetzen.

Zu den Fragen im Einzelnen:

Zu Frage 1: Die Landesregierung unterstützt das Ziel, nur noch Flüchtlinge mit einem sicheren Aufenthaltsstatus auf die Kommunen zu verteilen, damit dort gleich die Integration fortgesetzt werden kann. Dies setzt jedoch voraus, dass eine zeitnahe Asylantragsstellung möglich ist und die Bearbeitungsdauer der Anträge weiter - und zwar erheblich - verkürzt wird.

Bedauerlicherweise ist das hierfür allein zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bis auf Weiteres nicht in der Lage, das Asylverfahren binnen 3 Monaten abzuschließen. Das Verfahren dauert im Moment im Durchschnitt 5,2 Monate ab Antragstellung. Der Vorlauf, bis ein Asylantrag gestellt werden kann, beträgt gegenwärtig bis zu weitere 7 Monate.

Aufgrund der hohen Zugangszahlen sind wir daher weiterhin gezwungen, die Personen auch ohne Asylantragstellung auf die Kommunen zu verteilen, und zwar um Platz für Neuankömmlinge zur Verfügung zu haben. Wir sind weiterhin mit Nachdruck bestrebt, die Kapazität der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen zu erhöhen, um eine Verlängerung der Verweildauer in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen zu erreichen. Diese beträgt derzeit ca. vier Wochen.

Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz - darauf weise ich ausdrücklich hin - besteht im Übrigen ausdrücklich keine Rechtspflicht der Länder, diese Personengruppe bis zu sechs Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung unterzubringen. Vielmehr handeln die Länder hier im Rahmen ihrer Kapazitäten. Das steht ausdrücklich in der Gesetzesbegründung und ist auf unsere Intervention zurückzuführen, weil der ursprüngliche reine Gesetzestext der Bundesregierung die Realitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder weitgehend ausblendete.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Letztlich ist Voraussetzung für die Erreichung des in der Frage benannten und von der Landesregierung geteilten Ziels jedoch ganz eindeutig, dass das BAMF die Bearbeitungsdauer für die Asylanträge erheblich verkürzt.

Zu Frage 2: Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist zwischenzeitlich vom Bundesrat gebilligt worden. Es ist in weiten Teilen bereits in Kraft. Kosovo, Albanien und Montenegro sind als sichere Herkunftsstaaten eingestuft.

Über das Für und Wider einzelner Aspekte zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz haben wir uns hier ausführlich ausgetauscht. Wir sind nicht mit allen Regelungen glücklich, aber die Umsetzung der Neuregelung ist für die Landesregierung keine Frage, die es zu diskutieren gilt. Für mich ist es nicht Pragmatismus, sondern schlicht Verfassungstreue, die geltende Rechtslage ordnungsgemäß umzusetzen.

So wollen wir fortsetzen, was wir mit der Teilnahme am sogenannten Kosovo-Projekt begonnen haben, was später dann im Beschluss der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder als Aktionsplan verabredet und nunmehr auch im Asylgesetz verankert wurde. Asylsuchende aus den Westbalkanstaaten sollen nicht auf die Kommunen verteilt werden, sondern sehr zügig ihr Verfahren aus der Erstaufnahmeeinrichtung heraus durchlaufen.

Trotz Überbelegung hat mein Haus jüngst mit der LAB NI vereinbart, beginnend mit einem kleinen Korridor am Standort Braunschweig für Asylsuchende aus Montenegro in die Umsetzung einzusteigen. Bei erfolglosem Ausgang des Asylverfahrens soll aus der Aufnahmeeinrichtung heraus die Rückführung - freiwillig oder anderenfalls durch Abschiebung - erfolgen. Gegenwärtig ist das allerdings allenfalls mit einer kleinen Anzahl leistbar, weil die Kapazitäten angesichts der Verfahrensdauer noch immer nicht ausreichen.

Die hier angesprochene Neuregelung des § 47 Abs. 1 a Asylgesetz betrifft jedoch nur Personen, die noch nicht auf die Kommunen verteilt sind. Das ergibt sich wiederum daraus, dass Absatz 1 a die §§ 48 und 50 Asylgesetz, die u. a. die landesinterne Verteilung regeln, unberührt lässt. Daraus folgt: Sofern eine landesinterne Verteilung nach § 50 Asylgesetz bereits vorgenommen wurde, ist sie mit einer Zuweisungsentscheidung zu versehen, aufgrund derer die asylbegehrende Person verpflichtet ist, in einem bestimmten Ort Wohnsitz zu nehmen. Und damit ist logischerweise die Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, gemäß § 48 Nr. 1 Asylgesetz, beendet.

Im Übrigen gilt auch, soweit die Verteilung auf die Kommunen bereits erfolgt ist, dass die Rückführung abgelehnter Asylbewerberinnen und Asylbewerber konsequent erfolgen muss. Dazu zählt auch, dass Niedersachsen Sammelcharter in erforderlichem Umfang initiiert. Hinsichtlich der diesbezüglichen Bedarfe stehen wir in engem Kontakt mit den Ausländerbehörden. Dafür, dass ich zu konkreten Umsetzungsschritten und Terminen im Vorfeld derartiger Maßnahmen grundsätzlich keine Angaben machen kann, werden Sie sicherlich Verständnis haben.

Schließlich will ich hier auch auf die Unterstützung des Bundes zu sprechen kommen, der auf diplomatischem Wege erreicht hat, dass die Westbalkanstaaten - und das ist sehr wichtig - jedenfalls vorübergehend Rückführungen unter Nutzung des

EU-Laissez-Passer-Verfahrens zunächst mündlich zugestimmt haben. Dieses Verfahren wird wegen des Wegfalls der Passersatzpapierbeschaffung die Rückführung wesentlich beschleunigen. Sobald die schriftliche Bestätigung der Zustimmung zur Nutzung dieses Laissez-Passer-Verfahrens aus den Westbalkanländern vorliegt, werden wir hier die Ausländerbehörden entsprechend informieren.

Zu Frage 3: Die Landesregierung entscheidet immer anhand konkreter Gesetzesvorhaben über ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Da noch kein konkretes Gesetzgebungsvorhaben zu den oben genannten Beschlüssen vom 5. November im Bundesrat vorliegt, stellt sich diese Frage derzeit nicht. Wir sind gespannt auf das, was kommt.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Sie wissen das doch genau!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, eine erste Zusatzfrage stellt die Kollegin Pieper, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Vor dem Hintergrund dessen, was Herr Minister Pistorius auf die zweite Frage dargestellt hat - nämlich dass Registrierungszentren usw. ein Konstrukt der Medien seien -, frage ich den Ministerpräsident - ich sage gleich dazu, dass ich bei der dortigen Podiumsdiskussion anwesend war -, ob er in Bad Fallingbostel nicht ganz explizit davon gesprochen hat, dass Bad Fallingbostel ein Registrierungszentrum werden kann.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Danke schön. - Für die Landesregierung der Ministerpräsident! Bitte sehr, Sie haben das Wort.

(Christian Dürr [FDP]: Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!)