Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie namens des Präsidiums. Wir wünschen Ihnen einen guten Morgen!
Am gestrigen 10. November 2015 ist Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt nach längerer Krankheit im Alter von fast 97 Jahren in Hamburg gestorben. Damit endet ein Lebenslauf, der wie kaum ein zweiter für die Geschichte der alten Bundesrepublik steht.
Helmut Schmidt kam aus einer Familie, für die Aufstieg durch Bildung ein selbstverständliches Lebensziel war. Über diese Haltung fand er zur Sozialdemokratie, deren hanseatisch-bürgerliches Gesicht er über viele Jahrzehnte war.
Als Bundeskanzler, aber auch schon in seinen früheren Regierungsämtern stand Helmut Schmidt für den Primat der Vernunft, durch den sich weltanschauliche Gräben überbrücken ließen. Er war bereit, eine als richtig erkannte Entscheidung von großer Tragweite auch gegen erhebliche Widerstände durchzuhalten.
Im Krieg wurde er Offizier und geriet als Oberleutnant bei Kriegsende in britische Gefangenschaft. Seine militärische Prägung hat Helmut Schmidt später ebenso wenig verleugnet wie seinen Ekel vor den Untaten der Nationalsozialisten.
Im Zivilberuf wurde Schmidt nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre Verwaltungsbeamter und gehörte schon dem 2. Deutschen Bundestag als Abgeordneter an. 30 Jahre lang war der spätere Bundeskanzler Mitglied des Bundestages.
Kurz nachdem er zum Hamburger Innensenator berufen worden war, wurde die Stadt von einer der schwersten Sturmfluten ihrer Geschichte - mit 315 Todesopfern - heimgesucht. Der Einsatz Helmut Schmidts, der das Nötige tat und sich dabei mutig über manche bürokratische Hürde hinwegsetzte, rettete seine Heimatstadt vor noch weit schlimmeren Schäden.
Während der ersten Großen Koalition war Helmut Schmidt Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Es folgte seine erfolgreiche Zeit als Bundesminister der Verteidigung und dann der Finanzen. Als Willy Brandt 1974 zurücktrat, führte an Helmut Schmidt als Nachfolger kein Weg vorbei.
Als Bundeskanzler stand er für die Politik der engen Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland in außen- und europapolitischen Fragen. Gemeinsam mit Valéry Giscard d’Éstaing führte er fort, was Adenauer und de Gaulle begonnen hatten. Mitterand und Kohl konnten an dieses Vermächtnis des Kanzlers Schmidt anknüpfen.
Überhaupt legten die engen persönlichen Beziehungen Schmidts zu seinen europäischen und internationalen Kollegen in vieler Hinsicht die Basis für den außenpolitischen Weg seiner Nachfolger. Das gilt in besonderer Weise für den NATODoppelbeschluss, dessen Zustandekommen Helmut Schmidt wesentlich mit herbeiführte. Er polarisierte das politische Deutschland wie kaum ein anderes Thema und trug schließlich in nicht geringem Maße zum Ende der Kanzlerschaft Schmidts bei. Dieser stellte seine Überzeugung, zum Besten des Landes zu handeln, höher als den Machterhalt für sich und seine Partei. Zusammen mit Brandts Ostpolitik und Kohls beherztem Ergreifen der Chance von 1989/90 hat diese Haltung schließlich die Möglichkeit der deutschen und europäischen Einheit eröffnet.
Die Fähigkeit zur politischen Führung wurde Schmidt während seiner Regierungszeit in menschlich unendlich belastender Weise auch durch den RAF-Terrorismus abverlangt. Die Ereignisse des „Deutschen Herbstes“ 1977 waren ein tiefer Einschnitt - für den Menschen und Staatsmann Helmut Schmidt genauso wie für die deutsche Gesellschaft als Ganzes.
Schmidts Leistungen bei der Bewältigung der genannten Herausforderungen wirken vielfach bis heute nach und stellen ihn in der Reihe der Bundeskanzler ebenbürtig neben Adenauer, Brandt und Kohl.
In den mehr als drei Jahrzehnten nach Ende seiner Kanzlerschaft wurde er schließlich zu einer politischen Institution ganz eigener Art. Mit seinem Eigensinn und seinem Erfahrungsschatz sorgte der Altkanzler immer wieder für substanzielle Bereicherungen in Debatten aller Art. Mit Helmut Schmidt verliert Deutschland einen großen Mann. Helmut Schmidt wird uns fehlen.
Meine Damen und Herren, ich habe für das Gebäude des Landtags für heute Trauerbeflaggung angeordnet. Die SPD-Fraktion hat ein Kondolenzbuch ausgelegt, in das Sie sich im Laufe des Tages eintragen können.
Meine Damen und Herren, am 20. Oktober 2015 verstarb der ehemalige Abgeordnete Hans-Jörg Schramm im Alter von 80 Jahren.
Hans-Jörg Schramm gehörte dem Niedersächsischen Landtag als Mitglied der CDU-Fraktion von 1982 bis 1986 an. Während dieser Zeit war er Mitglied im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst, im Ausschuss für Bau- und Wohnungswesen, im Ausschuss für innere Verwaltung und im Unterausschuss „Strafvollzug“ des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen.
Wir werden dem Altkanzler, aber auch dem Kollegen Schramm ein ehrendes Gedenken bewahren. Ich bitte um ein kurzes Innehalten. - Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf bereits jetzt - gemeinsam mit den Schriftführerinnen - die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.
Zur Tagesordnung: Die Einladung für diesen Tagungsabschnitt sowie die Tagesordnung einschließlich des Nachtrages und der Informationen zu den von den Fraktionen umverteilten Redezeiten liegen Ihnen vor. - Ich sehe keinen Widerspruch und stelle deshalb das Einverständnis des Hauses mit diesen geänderten Redezeiten fest.
Die Fraktionen hatten sich bereits im Ältestenrat darauf verständigt, dass ein interfraktioneller Antrag anlässlich des 25. Jahrestages der deutschen Einheit gegebenenfalls heute Abend als letzter Tagesordnungspunkt behandelt und darüber sofort abgestimmt werden soll. Ich habe vorhin Signale bekommen, dass so verfahren werden kann. Alle Fraktionen haben sich auf einen gemeinsamen Antragstext verständigt. Dann werden wir so verfahren.
Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler des Roswitha-Gymnasiums aus Bad Gandersheim mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür haben die Abgeordneten Julia Willie Hamburg und Christian Grascha übernommen.
Die Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten der Multi-Media Berufsbildende Schule werden im Laufe der kommenden Tage wieder Sendungen im Rahmen des Projektes „Landtagsfernsehen“ erstellen. Sie halten sich während der Plenarsitzungstage im Vorraum zum Raum der Landespressekonferenz sowie im Raum der Landespressekonferenz auf und führen dort auch Interviews durch. Die einzelnen Sendungen stehen im Internet auf der Homepage der Schule - www.mmbbs.de - bereit und sollen über den Regionalsender LeineHertz 106.5 und den Fernsehsender h1 ausgestrahlt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigt haben sich: von der CDU-Fraktion Herr Heineking bis ca. 10 Uhr und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Scholing.
Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten - wie immer auch bei der Landesregierung - als bekannt voraus.
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass sich die Fraktionen aufgrund des sachlichen Zusammenhangs darauf verständigt haben, dass wir die Aktuelle Stunde zwar mit 2 a beginnen, dann aber 2 d vor
ziehen, um danach mit 2 b und 2 c fortzufahren. - Ich sehe unverändert Einvernehmen in dieser Richtung. Dann wollen wir das auch so machen.
a) Beteiligungsverfahren: Vom Dialog zum Erfolgsmodell - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/4559
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Keine Berühmtheit aus Politik, stattdessen ein eher unbekannter Mensch mit einer Qualifikation für Moderationsprozesse, keine hierarchisch verteilten Rollen, stattdessen ein Gruppenprozess auf Augenhöhe, keine administrativ und von oben geregelten und hinzunehmenden Vorgaben, stattdessen ein von allen eingefordertes, die eigene Arbeit unterstützendes Fachwissen, kein enervierendes Diskutieren der Wortstarken und im Reden Geübten, stattdessen Gruppenarbeitsprozesse, keine harten Mehrheitsentscheidungen durch Abstimmungen und einfaches Auszählen, stattdessen Meinungsbilder, um Zwischenstände grundsätzlicher Positionen abzufragen - das Modell Dialogforum Schiene Nord zeigt, wie es funktionieren kann.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es galt der faire Umgang miteinander. Niemand wurde wegen seiner oder ihrer anderen Meinung angebrüllt, und niemand wurde persönlich angegriffen.
Ein selbst organisierter Prozess von mehr als 80 Menschen unterschiedlicher Prägungen mit deutlich voneinander abweichenden Vorstellungen zur Lösung ihres jeweils regionalen Problems ist gelungen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Diese rot-grüne Landesregierung hat mit dem Dialogforum Schiene Nord beispielhaft unter Beweis gestellt, dass Bürgerbeteiligung funktioniert - ein Erfolg, den man zur Halbzeit des Forums übrigens im zuständigen Ausschuss noch infrage gestellt hat. Der Moderator selbst hat bezweifelt, dass es am Ende die eine Lösung geben wird. Es gab auch nicht die eine alternative Trasse, sondern das Dialogforum hat, abweichend von der herrschenden
Überzeugung, nur der komplette Neubau, mithin eine alternative Neubautrasse, sei die einzige Lösung, eine komplett andere gefunden: die Nutzung vorhandener Trassen und die stufenweise Realisierung des Projekts, genannt Alpha-Variante.
Das Ergebnis zeigte am Ende nicht nur das Finden einer klaren Entscheidung. Der Findungsprozess an sich zeigt, dass man in klug organisierten und moderierten Diskussionsprozessen um Großbauvorhaben den Akteuren - egal ob sie Verkehrsdezernentin oder Mitglied einer Bürgerinitiative sind - zutraut, kompetent dazu beizutragen, am Ende eine Entscheidung zu treffen, die alle akzeptieren können.
Es gibt nicht die klassischen Abstimmungsgewinner und -verlierer, so wie wir es in der Parlamentsarbeit gewohnt sind, was angesichts unserer Arbeit auch wichtig und richtig ist, um Verlässlichkeit für eine Mehrheitspolitik herzustellen. Auch will ich nicht der plebiszitären Demokratie das Wort reden. Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Landtag, es tut der Demokratie gut, Beteiligungsmodelle auszuprobieren, um Konflikte zu vermeiden und hochgradig problembelastete Projekte erst gar nicht entstehen zu lassen.
Dazu gehört selbstverständlich auch, dass man jetzt die Arbeit auswertet, um Schwächen und Stärken dieses Verfahrens auszumachen und um mögliche weitere Beteiligungsverfahren - übrigens nicht nur bei uns, sondern hoffentlich auch in anderen Bundesländern - zu optimieren. Dazu gehört es auch, die Bedenken derer ernst zu nehmen, die nicht im Dialogforum saßen. Der fortlaufende Prozess ist nicht abgeschlossen. Ein Beirat sowie Beteiligungsgremien für die Teilprojekte werden auch weiterhin den Realisierungsprozess konstruktiv unterstützen.
Dem viel beklagten Politikverdruss können wir - davon bin ich überzeugt - durch Bürgerbeteiligung insofern begegnen, als wir Bürgerinnen und Bürger, so wie wir es gewagt haben, an Entscheidungen für Großprojekte beteiligen. Es gibt so viele gut ausgebildete, kluge, kreative und engagierte Menschen in diesem Land, die nicht in eine politische Partei gehen möchten, die aber trotzdem etwas zu sagen haben und deren Unterstützung wir alle brauchen.