Protocol of the Session on September 17, 2015

Zu Ihrer letzten Forderung nach einer eigenen Statistik in Niedersachsen für die Erfassung antimuslimisch motivierter Straftaten ist festzustellen, dass bereits im Vorgriff auf die zu erwartenden Regelungen LKA und Polizeidirektionen die technischen Voraussetzungen vorbereiten und das EDV-System anpassen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich darf zum Schluss aus dem Protokoll über die Unterrichtung durch die Landesregierung zitieren:

„Das ist eine Veränderung, die all das berücksichtigt, was im Entschließungsantrag und auch in den Empfehlungen des PUA festgeschrieben wurde.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem ist nichts hinzuzufügen. Meine Empfehlung daher: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Ihre Forderungen sind entweder nicht umsetzbar, oder es wird bereits durch die Anregungen auf Bundesebene an einer gemeinsamen Begriffsbestimmung gearbeitet. Letztendlich wird die Innenministerkonferenz auch dazu ein Votum abzugeben haben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Jahns. Das war redezeitmäßig eine Punktlandung. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Belit Onay.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Initiative, die wir heute das erste Mal, aber gleichzeitig auch abschließend beraten, geht auf eine Anfrage zurück, die die Grünen-Landtagsfraktion gestellt hat. Der Kollege Dr. Pantazis hat sie bereits erwähnt und zitiert. Wir fragten damals nämlich, wie viele Anschläge es in den Jahren von 2001 bis 2014 auf Moscheen und islamische Einrichtungen gab. Die Zahl wurde auch bereits genannt: Es gab 141 Angriffe - eine sehr hohe Zahl.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Erschre- ckend!)

Bundesweit gab es - das hat eine Anfrage im Bundestag ergeben - im Zeitraum von 2001 bis 2011 knapp alle zweieinhalb Wochen irgendwo in Deutschland einen Anschlag auf eine Moschee oder eine islamische Einrichtung. Genau da sind wir bei dem Problem. Nicht nur die Anschläge stellen ein Problem dar. Es ist auch ein Problem, dass nur die parlamentarischen Initiativen wie unsere Anfrage oder die Anfrage im Deutschen Bundestag - ich meine, sie war von den Linken - diese Zahlen ergeben haben. Sie werden so separat nicht erfasst, wie es beispielsweise bei antisemitischen Straftaten der Fall ist. Genau das ist das Problem. Wir haben hier ein waberndes Problem von Kriminalität, Straftaten und Anschlägen in dieser Masse. Diese werden so nicht erfasst.

Ein weiteres Problem ist, dass von diesen 141 Straftaten lediglich 65 Fälle als politisch motiviert geführt werden, und das auch nur deshalb, weil es beispielsweise Hakenkreuzschmierereien oder

Sonstiges waren, bei denen die Botschaft der Täter relativ klar und ablesbar war. Sie können der Antwort entnehmen, dass es eine Reihe von anderen Fällen mit klassischem Vandalismus, Brandstiftung oder Schweinsköpfen vor Moscheen gab. Es gab sogar mindestens einen Sprengstoffanschlag auf ein Gebäude. Wenn nicht das Gebäude rechts oder links, sondern genau die Moschee angegriffen wird, dann ist klar, dass es mit dem muslimischen Leben in diesem Gebäude zusammenhängt, dass also eine antimuslimische Straftat vorliegt.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Die Unterrichtung war übrigens sehr, sehr gut. Dafür möchte ich dem Innenministerium noch einmal danken. Ich muss aber auch deutlich sagen, dass wir zu anderen Schlüssen kommen. Darauf komme ich noch. In der Unterrichtung wurde gesagt: Keine Panik, es wird gerade beraten und es wird eine separate Erfassung geben. - Diese soll unter dem Reiter bzw. unter den Themenbereich „Konfrontation/politische Einstellung“ geführt werden. Es ist zuerst einmal schön, dass es eine eigene Erfassung geben soll. Aber dieser Titel ist vollkommen irreführend.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Er suggeriert nämlich, es gebe hier eine Konfrontation zwischen rassistischen Straftäterinnen und Straftätern und den Muslimen, die angegriffen werden. Das spiegelt die Realität nicht wider. Wir haben rassistische Täter und auf der anderen Seite Opfer. Diese Überschrift ist mehr als irreführend, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist der eine Punkt. Deshalb beharren wir darauf, dass es eine separate Erfassung der Hasskriminalität mit antimuslimischen Straftaten geben muss.

Ein anderer Punkt ist die Ergänzung der Richtlinie für das Straf- und Bußgeldverfahren. Frau Jahns hat es bereits erwähnt. Auch das wurde im Strafrechtsausschuss der Justizministerkonferenz abgelehnt. Das hat die Unterrichtung ergeben.

(Glocke des Präsidenten)

Man hat gesagt, wir ergänzen das StGB. Die Strafzumessungsgründe sollen um rassistische, fremdenfeindliche und menschenverachtende Motive ergänzt werden, sodass diese später durch die Staatsanwaltschaft und Gerichte berücksichtigt werden können. Aber das Legalitätsprinzip hat es auch während der NSU-Morde gegeben. Erinnern

Sie sich einmal an die Fälle! Die NSU-Morde haben doch ganz klar gezeigt, es ist schon beim ersten Filter, nämlich an der polizeilichen Ermittlung, gescheitert. Da ist es schon gescheitert. Da hat es schon gehapert. Da sind die Migrationshintergründe der Opfer zwar erkannt worden, aber man hat daraus den Schluss gezogen, dass dort ein migrantisches muslimisches Milieu vorliegt, weshalb diese Personen wahrscheinlich innerhalb dieses Milieus getötet worden seien. Der rassistische Hintergrund der Straftaten wurde völlig verkannt.

(Glocke des Präsidenten)

Deshalb beharren wir ausdrücklich darauf, das in die Richtlinien für Straf- und Bußgeldverfahren aufzunehmen, damit die Polizei nochmals und zusätzlich in diesem Bereich sensibilisiert wird. Das ist mehr als zielführend, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Schauen Sie jetzt auf die Uhr, Herr Kollege!

Ich komme zum Schluss.

Ich bin der festen Überzeugung, dass das weiterhin notwendig ist. Ich würde mich wie viele Menschen in diesem Land freuen, wenn Sie diesem Antrag zustimmen könnten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Auch Ihnen vielen Dank, Herr Onay. - Das Wort hat jetzt für die FDP-Landtagsfraktion Herr Kollege Dr. Stefan Birkner.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich voranstellen, dass wir uns, so denke ich, hier im Hause darüber einig sind, dass jede Form der Hasskriminalität, jede Form der Fremdenfeindlichkeit und Fremdenkriminalität mit rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen ist. Das gilt natürlich auch für die besondere Form der Islamfeindlichkeit.

Die Problematik fängt aber möglicherweise schon an, wenn es um die Erfassung islamfeindlicher Taten geht. Was genau ist islamfeindlich? Es gibt die Grenze zur berechtigten Kritik. Irgendwann ist sie überschritten, wenn man von einer Islamfeindlichkeit ausgehen muss. Das ist schon ein Definitionsproblem. Hier ist nicht ohne Weiteres erkennbar, dass das tatsächlich gelöst ist.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das gibt es an anderer Stelle auch!)

- Das gibt es an anderen Stellen auch. Aber Sie haben in Ihrem Antrag gar nichts zu diesem Problem gesagt.

Ich komme dazu, dass das ein Aspekt unter vielen Aspekten ist. Deshalb erzielt Ihr Antrag meines Erachtens nicht das, was Sie erzielen wollen, sondern gehört eher in das Reich der Symbolpolitik. Das ergibt sich spätestens, wenn man sich näher mit der von der Kollegin Jahns beschriebenen Anhörung im Ausschuss befasst. Dort wurde seitens des Vertreters der Landesregierung eigentlich zu jedem Ihrer Punkte dargestellt, dass er leerläuft.

Ich beginne mit dem ersten Punkt, der Änderung der RiStBV. Ich darf aus der Unterrichtung durch die Landesregierung zitieren. Dort heißt es:

„Die Aufnahme eines entsprechend formulierten Erfordernisses in die RiStBV hätte keinen Regelungsgehalt im Sinne einer konkretisierenden Handlungsanleitung für die strafrechtliche Praxis.“

Es heißt dort weiter, dass die Ergänzung des Katalogs der Strafzumessungsgründe in § 46 Abs. 2 StGB um rassistische, fremdenfeindliche und sonst menschenverachtende Beweggründe und Ziele des Täters zeitnah erfolgen wird.

Insofern läuft das schon leer. Das ist auch von der Justizministerkonferenz zur Kenntnis genommen worden. Ihre Partei ist dort durch die Frau Justizministerin vertreten. Es ist mir nicht bekannt, dass es eine Protokollnotiz oder Ähnliches gegeben hätte, in der es heißt, das ist nicht ausreichend und wir müssen doch die RiStBV ändern. Nein, man hat das mit Hinweis auf § 46 Abs. 2 StGB für ausreichend gehalten. Insofern können wir uns nur der Einschätzung der Landesregierung im Ausschuss anschließen, die ausgeführt hat - ich zitiere -:

„Wir müssen diese ‚überflüssige‘ Regelung, nicht in der RiStBV festschreiben, sondern über die Veränderung des Strafgesetzbu

ches wird automatisch derselbe Effekt erreicht werden.“

Damit ist der erste Punkt schon einmal gegenstandslos. Das müssen Sie dann auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, auch zum zweiten Punkt hat die Kollegin Jahns etwas ausgeführt. Auf IMK-Ebene finden Erörterungen statt, wie das auf Bundesebene berücksichtigt werden kann. Insofern geht Ihr Beschlussvorschlag schon ins Leere, der fordert, auf Bundesebene solle darauf hingewirkt werden; denn die Innenministerkonferenz muss glücklicherweise nicht erst auf einen Beschluss des Niedersächsischen Landtags warten. Sie ist in ihrer Weisheit infolge des NSU-Skandals, der NSU-Attentate längst tätig geworden.

Zum dritten Punkt ist es bemerkenswert, was man aus der Unterrichtung durch die Landesregierung dazu erfährt. Dort heißt es:

„Wie Sie wissen, gilt für Beschlussfassungen der IMK das Prinzip der Einstimmigkeit. 2011 hat man kein einheitliches Ergebnis“

- im Hinblick auf diese Frage -

„gefunden, d. h. man hat sich nicht dazu durchgerungen, die Islamfeindlichkeit als separaten Merker in den Bereich der Hasskriminalität mit aufzunehmen.“

Es heißt dort weiter: