Protocol of the Session on September 17, 2015

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind also als Landesregierung erheblich gestaltend tätig.

Ich darf den Grundsatz des Verfassungsgerichtsurteils in Erinnerung rufen. Das Verfassungsgericht akzeptiert mit Blick auf die Arbeitsplätze die Privilegierung von Unternehmenserbschaften im Vergleich zu anderen Erbschaften. Es fordert jedoch im Grundsatz, dass wir eine bestimmte Größe festlegen, von der an nicht mehr automatisch privilegiert, sondern der Einzelfall betrachtet wird. Diese Einzelfallbetrachtung hat eine Prüfschwelle: ursprünglich 20 Millionen Euro und jetzt 26 Millionen Euro, für Familienunternehmen 52 Millionen Euro.

Das Handwerksunternehmen, das vielleicht sogar von zwei Kindern geerbt wird, müsste also mehr als 100 Millionen Euro reines Betriebsvermögen - ergänzendes Privatvermögen bleibt dabei außen vor - Wert sein, bevor wir überhaupt in die Einzelfallprüfung eintreten. Ob dann Steuern gezahlt werden, ist noch gar nicht ausgemacht. Dabei geht es nur darum zu prüfen.

Der Regierungsentwurf hat im Gegensatz zum Eckwertepapier eine Übergangszone vorgesehen, die die Privilegierung sehr, sehr weit fortschreibt, im Falle der Familienunternehmen bis zu 142 Millionen Euro. Erst dann würde geprüft, ob überhaupt ein Verschonungsbedarf besteht. Bis dahin würde ein langsam abschmelzender Verschonungsabschlag eingeräumt.

Nach unserer Auffassung geht eine solche weitreichende Übergangszone zu weit. Sie sprengt die vom Verfassungsgericht gesetzten Grenzen. Denn sie würde dazu führen, meine Damen und Herren, dass ohne eine Prüfung des individuellen Verschonungsbedarfs für eine so große Zahl von Anwendungsfällen eine Verschonung möglich wäre, dass die Zahl der potenziell überhaupt einer Prüfung unterworfenen Fälle marginalisiert würde. Dazu gibt es eine Aussage von Destatis, also der Bundesstatistik, nur noch 2 % der Fälle würden überhaupt überprüft. Auch das, Herr Bode, relativiert vielleicht diese abenteuerliche Zahl von 200 000 gefährdeten Arbeitsplätzen: 2 % der Fälle

würden überprüft. Damit ist noch nicht einmal gesagt, dass sie überhaupt Steuern zahlen würden.

Niedersachsen nimmt den richtigen Gedanken einer Übergangszone auf. Nach unseren jedenfalls vom Bundesratsfinanzausschuss angenommenen Vorschlägen würden wir die Übergangszone bei Erwerben von 34 Millionen Euro bzw. bei Familienunternehmen bei 60 Millionen Euro enden lassen. Das ist immer noch großzügig. Denn das bedeutet, dass bis zu 60 Millionen Euro ohne Einzelfallprüfung immerhin noch eine teilweise Freistellung von der Erbschaftsteuer eingeräumt wird.

Darüber - um es noch einmal in Erinnerung zu rufen - wird geprüft. Die Prüfschwelle bedeutet eben nicht - wie es in der Öffentlichkeit und offensichtlich auch hier im Hause vielfach missverstanden wurde -, dass ab dieser Schwelle gezahlt wird. Nein, ab dieser Schwelle wird geprüft. Es darf nicht mehr dazu kommen - so das Bundesverfassungsgericht -, dass hohe Millionen- oder gar MilliardenErbschaften ungeprüft von der Erbschaftsteuer befreit werden. Darum geht es.

Der Regierungsentwurf hat darüber hinaus eine Sockelverschonung in Höhe von 20 bzw. 35 % vorgesehen. Das wäre in der Praxis eine garantierte Mindestverschonung auch ohne Bedarfsprüfung.

Im Ergebnis würde diese Regelung dazu führen, dass es zu Steuerverschonungen in Milliardenhöhe kommen könnte. Das ist eindeutig nicht mit den Vorgaben des Verfassungsgerichts im Einklang.

Auch das haben wir im Finanzausschuss des Bundesrates vorgetragen und haben eine Mehrheit für unseren Vorschlag, die Sockelverschonung zu streichen, gefunden.

Der letzte Punkt. Der Regierungsentwurf sieht eine Stundung von bis zu zehn Jahren ohne weitere Prüfung vor. Das würde bedeuten, meine Damen und Herren, dass auch in den Fällen, in denen eine Verschonungsbedarfsprüfung gerade eben bescheinigt hat, dass es keinen Grund zur Verschonung gibt, automatisch zehn Jahre gestundet wird. Das gibt es in keinem anderen Fall einer Stundung. Auch hierzu haben wir einen Antrag gestellt. Auch dem ist gefolgt worden. Diese Regelung soll nach der Auffassung des Finanzausschusses des Bundesrates jedenfalls gestrichen werden. Es gelten dann auch in diesen Fällen die normalen Verschuldungsfälle, die eben auch Härtefälle hinreichend berücksichtigen.

Auch wenn wir teilweise in einigen der Punkte selbstverständlich übereinstimmen: Insgesamt würden uns die Anträge der FDP und der CDU in die Verfassungswidrigkeit führen. Sie würden das grundsätzliche Ziel der Landesregierung, das zu vermeiden, konterkarieren. Der nächste Gang nach Karlsruhe wäre vorprogrammiert. Aus der Sicht der Landesregierung sind die Anträge deshalb abzulehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich schaue noch einmal ins Plenum. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Es liegen auch keine mehr vor. Deswegen ist die Debatte zum Tagesordnungspunkt 14 abgeschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst zu Nr. 1 der Beschlussempfehlung. Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen ist die weitergehende Empfehlung. Wir stimmen daher zunächst über diese ab. Nur dann, falls diese abgelehnt wird, könnten wir über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion abstimmen.

Wir kommen also zur Abstimmung über die Nr. 1 der Beschlussempfehlung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 17/3121 ablehnen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Dann ist mit großer Mehrheit so beschlossen worden, wie es der Ausschuss empfohlen hat.

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist zugleich der Änderungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 17/4250 nach § 39 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung abgelehnt.

Ich rufe die Abstimmung zu Nr. 2 der Beschlussempfehlung auf. Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Einsender der in die Beratung einbezogenen Eingabe über die Sach- und Rechtslage unterrichten möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich frage nach Gegenstimmen. - Ich frage nach Enthaltungen. - Dann ist vom Landtag mit Mehrheit so beschlossen worden, wie es der Ausschuss empfohlen hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 15: Abschließende Beratung: Barzahlung ist ein Stück Freiheit - für eine freie Wahl des Bezahlweges - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/3835 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 17/4195

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

(Unruhe)

- Bevor ich die Beratung eröffne, mache ich jetzt so lange eine Pause, bis die Gesprächskreise und die Wanderungsbewegungen im Plenarsaal beendet sind, damit der erste Redner Aufmerksamkeit findet.

(Anhaltende Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Sie sich außerhalb der Plenarbänke befinden, sollten Sie wenigstens zuhören! - Ich habe gesagt, wir machen erst weiter, wenn die Wanderungsbewegungen und die Gespräche im Plenarsaal beendet sind.

Jetzt ist es so weit. Ich hoffe, dass es genügend Aufmerksamkeit für den ersten Redner der FDPFraktion, die Antragstellerin, gibt. Herr Kollege Grascha, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach einer spannenden ersten Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt hier im Plenum kann ich Ihnen heute von den Ausschussberatungen berichten. Dabei ging es ebenfalls sehr spannend zu.

Am Anfang der Ausschussberatungen hat der verehrte Kollege Schmidt das, was wir hier beantragt haben, sinngemäß - - -

(Unruhe)

Herr Kollege Grascha, in Ihrem Interesse: Es hat nicht viel genutzt. Einige Kollegen sind immer noch

der Auffassung, dass man Ihnen nicht zuhören muss. Das sehe ich von hier oben ganz anders.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig, Herr Präsident!)

Nun ist Ruhe. Setzen Sie bitte fort!

Vielen Dank, Herr Präsident.

Herr Kollege Schmidt war im Prinzip der Auffassung - so hat er es im Ausschuss gesagt -, dass der Antrag, den wir hier vorgelegt haben und in dem wir uns gegen eine Einschränkung des Bargelds aussprechen, eigentlich eine Phantomdebatte sei, und dass man auch den Kollegen WalterBorjans aus Nordrhein-Westfalen, den dortigen Finanzminister, gar nicht so ernst nehmen sollte. - Das teilen wir ja.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Das habe ich überhaupt nicht gesagt! Hören Sie auf, die Unwahrheit zu sagen!)

Viele Dinge, die von dort kommen, kann man in der Tat nicht ernst nehmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber als dann die Landesregierung, ein Vertreter des Finanzministeriums, im Ausschuss berichtet hat und plötzlich auf den Tisch kam, dass man im Zuge einer Arbeitskreisdiskussion zur Bekämpfung der Schwarzarbeit dieses Thema doch prüfen soll, mussten Sie dann doch zurückrudern und fingen an zu schwimmen.

(Christian Dürr [FDP]: Aha!)

Sie weigern sich aber leider, hier eine eigene Positionierung vorzunehmen. Deswegen ist es völlig klar: Sie planen eine Einschränkung des Bargelds, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Maximilian Schmidt [SPD]: Sie haben eine ganz merkwürdige Wahrneh- mung! Abenteuerlich!)

Unsere Positionierung ist sehr klar - da muss nicht lange geprüft werden -: Wir lehnen solche Überwachungsmechanismen ab. Wir lehnen es ab, dass alle Bürgerinnen und Bürger hier unter einen Generalverdacht gestellt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In welcher Realität Sie leben, Herr Kollege Schmidt - wenn ich einmal dabei bleiben darf -, hat man ja auch in der ersten Beratung erlebt. Frau Kollegin Joumaah hat dort die Frage gestellt, wie sie sich denn bei ihren Töchtern verhalten soll, wenn dort Geld angespart ist und z. B. ein Gebrauchtwagen für 5 000 Euro gekauft werden soll. - Das ist wahrlich ein Beispiel, das aus dem Leben gegriffen ist.

Sie hingegen haben in Ihrer Antwort dazu darüber philosophiert, dass schwerste Kriminalität bekämpft werden muss. Das zeigt: Sie sind bei dieser Debatte meilenweit von der Realität entfernt.