Das ist falsch, sinnlos und unwürdig! Wir brauchen praktische Solidarität und den Kampf gegen die Ursachen von Flucht und Vertreibung.
Wir tun gut daran, einen realistischen Blick auf unseren sicheren Ankunftsstaat zu werfen und die Chancen zu nutzen, die sich ergeben. Es ist eine Sackgasse, Schubladen für „gute Flüchtlinge“ zu öffnen und Schubladen für „schlechte Flüchtlinge“ zu schließen. Und wir gefährden mit dieser Art zu denken und zu reden den sozialen Frieden in den Einrichtungen, wenn wir nämlich den einen vermitteln, dass sie Platz in Anspruch nehmen, den eigentlich die anderen brauchen, verschärfen wir
damit eine Situation, die für die Menschen schon jetzt schwer genug ist. Das können wir uns an dieser Stelle nicht leisten. Diese immense Verantwortung muss uns immer bewusst sein!
Realismus heißt anzuerkennen, dass Migration die Gesellschaft verändert. Gesellschaften haben sich immer verändert. Migration war auch immer ein Teil dieser Veränderungen. Die Angst davor mag verständlich und auch nachvollziehbar sein, aber sie ist für uns in der Politik ein schlechter Ratgeber;
Meine Damen und Herren, ich sehe zahllose Ehrenamtliche, die mit großem Elan helfen und Willkommenskultur organisieren. Manche helfen spontan, wie am Bahnhof in München oder in Saalfeld, Braunschweig, Lüchow und Hameln. Viele übernehmen aber auch langfristig Verantwortung.
Solche Verantwortung zu übernehmen, ist bereichernd, aber das kostet auch Kraft. Wir leben nicht in einer perfekten Welt, und es gibt täglich Schwierigkeiten, die gemeistert werden müssen. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer in Aufnahmeeinrichtungen, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die Lehrerinnen und Lehrer, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen, sie alle können uns das bestätigen. Aber wer diese Schwierigkeiten annimmt, kann an ihnen wachsen und damit die Gesellschaft gestalten. Wir empfinden hohen Respekt und sind dankbar für all diesen Einsatz.
Aber wir schulden ihnen nicht einfach nur Dank. An dieser Stelle, will ich Ihnen sagen, bin ich tatsächlich auch froh, dass wir uns die Zeit nehmen, heute über Flüchtlingspolitik zu reden. Das teile ich übrigens mit meiner Kollegin Hanne Modder. Auch ich bin mir sicher, wir hätten das auch in der nächsten Woche tun können. Aber ich bin dennoch froh, dass wir uns heute die Zeit nehmen, ausgiebig zu reden. Wir tragen mehr Verantwortung. Wir tragen
Was überhaupt nicht hilft, ist die seit Jahren zunehmende Abschottungspolitik der EU. Wir leben nun mal nicht auf einer Insel. Zäune, Gräben und Grenzen - nicht einmal ein Meer mit seinen gefährlichen Umständen - ändern nichts daran, dass Menschen hierher kommen, um eine bessere Zukunft zu suchen. Das gilt es zunächst einmal zu akzeptieren.
Solange Politik so tut, als wäre es möglich, Menschen an der Flucht zu hindern, zwingt sie mit dieser Haltung Menschen im Grunde dazu, gefährliche Reisen anzutreten und illegal einzureisen.
Und da nützt es wenig, wenn man organisierte Schleuser verteufelt und jagt. Wir bleiben politisch verantwortlich dafür, dass es diesen zynischen Markt gibt. Wir müssen die Krisen auch weiterhin politisch angehen; denn solange Kriege weitergeführt werden und Menschen Opfer von Kriegen werden, brauchen wir auch sichere Fluchtwege aus den Kriegs- und Krisengebieten heraus in die EU hinein. Wir brauchen mehr humanitäre Aufnahmeprogramme,
nicht nur, weil sie die Aufnahmestaaten günstiger kommen. Sie kosten am Ende auch weniger Menschenleben.
Wir brauchen mehr Solidarität statt Dublin! Das Perfide an dem System Dublin ist, dass den Staaten am Rande der EU sowohl die Grenzsicherung als auch die Aufnahme der Flüchtlinge aufgedrückt wird. Nach der Logik von Dublin bräuchte Deutschland, weil es keine Außengrenzen zu Krisengebieten hat, kaum Flüchtlinge aufzunehmen und müsste sich nicht einmal mit der Sicherung der Grenzen die Hände schmutzig machen.
Dublin III ist aber nicht nur Ausdruck mangelnder Solidarität, das System steht für eine Politik, die die Realitäten nicht anerkennt und die einfach nicht mehr funktioniert.
Es ist höchste Zeit, dass in Europa Herausforderungen angenommen und Veränderungen gestaltet werden. Wenn wir akzeptieren, dass es Flucht und Migration in einem bisher nicht gekannten
Ausmaß gibt, heißt das auch - da bin ich dicht an Ihrer Seite und bin froh, dass wir die Diskussion heute auch darüber führen -, dass wir keine Zeit mehr haben, Verantwortung hin und her zu schieben. Wir müssen anfangen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die den Menschen gerecht werden.
In Niedersachsen hat sich unter Rot-Grün in Sachen Willkommenskultur nicht nur einiges getan. Wir haben es tatsächlich auch geschafft, Herr Dürr - wir sind dafür mit verantwortlich -, die Gesellschaft mitzunehmen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn wir verschiedene Einschätzungen zu den Maßnahmen haben, kann ich das aushalten. Aber bitte, überlegen Sie sich gut, ob Sie an Ihrem Märchen festhalten wollen und uns weiterhin Tatenlosigkeit vorwerfen!
Die Behauptung von Herrn Dürr, dass diese Landesregierung den Aufruf zu einem Sonderplenum brauchte, um tätig zu werden, ist ein Märchen.
Ich finde es erbärmlich - wenn ich das an dieser Stelle einmal sagen darf - und auch enttäuschend, Herr Dürr, dass Sie angefangen haben, uns vorzurechnen, wer sich wann um Flüchtlingspolitik gekümmert hat. Ich weiß von dieser Seite des Hauses genauso wie von der anderen, dass sich alle - inklusive dieser Landesregierung, der handelnde Minister, auch ohne Pressebegleitung - in den letzten Tagen in den Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen in den letzten Wochen und Monaten bewegt haben, dass sie sich kümmern, dass sie Praktika absolvieren,
von denen die Presse vielleicht nicht Kenntnis nimmt. Aber Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass wir diese Frage sehr ernst nehmen.
Herr Dürr, ich finde es enttäuschend, jämmerlich und der Wichtigkeit des Themas einfach nicht angemessen!
(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Ich habe das überhaupt nicht gesagt! Sie müssen zuhören! Sie hö- ren schlecht!)
Niedersachsen, allen voran unser Innenminister, hat sich in den letzten Jahren - Herr Dürr, Sie wissen das -
für mehr Aufnahmen durch den Bund und durch unser Land Niedersachsen stark gemacht. Wir werden dieses Engagement fortsetzen, besser noch: deutlich ausweiten.
Lassen Sie uns nicht vergessen - auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt -: Die Aufnahmezahlen sind im internationalen Vergleich gering, und wir können tatsächlich schaffen, was wir uns vorgenommen haben.
Boris Pistorius ist übrigens auch derjenige gewesen, der eine Erfolg versprechende Bundesratsinitiative zur Vereinfachung des Verfahrens - wir haben über Vorgänge gesprochen - zur Schaffung von Flüchtlingsunterkünften auf den Weg gebracht hat.
Wir wissen, dass wir alle unsere Kraft aufwenden müssen, um die Aufnahme und Unterbringung Geflüchteter zu entbürokratisieren. Wir können hier nicht mehr auf Berlin warten, sondern wir gehen in Vorleistung und tun unseren Teil.
Nächste Woche werden wir einen Nachtragshaushalt auf den Weg bringen, der dieser Entschlossenheit Rechnung trägt. Wir setzen uns ein für eine verbesserte Unterbringung, für mehr Sprachförderung und Flüchtlingssozialarbeit und vor allen Dingen für eine bessere Perspektive für die Kinder, die unbegleitet und alleine auf der Flucht sind, sowie für eine deutliche Entlastung unserer Kommunen. Dieser Nachtragshaushalt setzt die richtigen Schwerpunkte.
Wir müssen uns im Klaren darüber sein, wie wichtig es ist, dass Menschen schnell Nachbarn werden können. Mit einem „Herzlich willkommen!“ ist
es nicht getan. Wichtig ist, dass alle die, die bei uns ankommen, ihr Leben gestalten können, und das nicht erst nach monate- oder jahrelangen Wartezeiten wegen längst überholter bürokratischer Abläufe. Wir wollen Menschen als Nachbarn bei uns aufnehmen, ihnen Zuflucht geben und sie nicht zu lange in den Aufnahmeeinrichtungen warten lassen. Sie sollen hier schnell Fuß fassen. Dabei geht es nicht nur um Arbeit, sondern auch um alle anderen Perspektiven, die sie hier vorfinden. Vor allen Dingen geht es darum, dass sie auch uns als Gesamtgesellschaft mit ihren Fähigkeiten und Talenten bereichern können. Menschen, die zu uns kommen, haben das Recht auf eine Perspektive.
Unsere wichtigste Forderung bleibt an dieser Stelle aber immer noch die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die Sonderbehandlung von Flüchtlingen nach diesem Gesetz schadet den Betroffenen, sie diskriminiert die Flüchtlinge und verwehrt ihnen, selbstständig und eigeninitiativ für sich zu sorgen. Und nicht nur das: Das Asylbewerberleistungsgesetz - viele wissen das nicht - belastet auch die Kassen der Kommunen in völlig überflüssiger Weise.
Ihnen werden finanzielle Lasten aufgedrückt, die eigentlich der Bund tragen müsste. Die nach diesem Gesetz bisher Leistungsberechtigten müssten endlich in das Sozialgesetzbuch überführt werden.