Sie argumentieren, dass das unkonditioniert geschehen solle. Das stimmt nicht. Wir haben das ganz klar gesagt. Ich bin auch gern zu Kompromissen bereit, wenn die Union vorschlägt, die Grenze auf drei Monate, wie es bei EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern der Fall ist, oder auf fünf Jahre festzusetzen. Hier reden wir aber vor allem über Menschen, die seit Jahrzehnten in unseren Gemeinden leben.
- Wenn man die deutsche Staatsbürgerschaft hat, hat man natürlich mehr Rechte, nämlich das Wahlrecht auch auf Landes-, auf Bundes- und auf Europaebene. Insofern gibt es dann noch einen Mehrwert.
Ich glaube aber, dass Sie etwas an der Realität vorbeireden, wenn Sie diesen Menschen unterstellen, hier erst heimisch werden zu müssen; denn dass sie das schon sind, steht völlig außer Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich sehe, dass Frau Kollegin Jahns antworten möchte. Sie haben für 90 Sekunden die Möglichkeit dazu. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Onay, ich habe natürlich davon gesprochen, dass die Menschen, die hier seit 40 Jahren leben, schon heimisch sind. Ich habe nicht gesagt, dass diese Menschen erst heimisch werden sollen oder wollen.
Außerdem habe ich Folgendes sehr deutlich gemacht: Ihre Einbürgerungskampagne hat doch zum Ziel, bei diesen Menschen für eine Einbürgerung zu werben. Wenn Sie hier in Niedersachsen wirklich eine Einbürgerungskampagne durchführen, die eine Anzahl von Menschen überzeugt, frage ich mich: Wenn diese Menschen schon jetzt die Möglichkeit haben, eingebürgert zu werden, können sie doch den Antrag stellen.
Wenn diese Menschen seit 40 Jahren - diese Zahl haben Sie in Ihrem Antrag genannt - hier leben und auch ihren Lebensabend hier beschließen wollen - davon gehe ich jedenfalls aus -, dann müssen sie doch die Chance haben, auch eingebürgert zu werden.
(Johanne Modder [SPD]: Diese Men- schen würden gerne die doppelte Staatsbürgerschaft haben, Frau Jahns! - Belit Onay [GRÜNE]: Aber lassen Sie den Menschen doch die freie Entscheidung, wie Herr McAllis- ter sie auch gehabt hat!)
Herr Kollege Onay, man mag ja anderer Auffassung sein. Bei einer Kurzintervention sind zu viele Zwischenrufe aber nicht gut. Die Kollegen haben nur wenig Zeit. - Bitte!
(Belit Onay [GRÜNE]: Er hat aber die doppelte Staatsbürgerschaft! - Björn Thümler [CDU]: Er hat eine deutsche Mutter!)
- Ja. Hier gehen wir aber von den Drittstaatsangehörigen aus. Und dazu habe ich sehr klar Position bezogen, denke ich.
Herr Kollege Onay, ich bitte Sie noch einmal! - Frau Jahns, ich gebe Ihnen zusätzliche Sekunden. Ich will aber darauf hinweisen, dass es schwierig ist, in den 90 Sekunden von Kurzintervention und Erwiderung bei so vielen Zwischenrufen konzentriert die Aussage zu treffen. Halten Sie sich bei Kurzinterventionen und Antworten bitte etwas zurück. - Bitte!
Sie haben ja sehr deutlich gesagt, dass Sie auch für Konditionen offen sind. In Ihrem Antrag ist das leider nur ganz kurz in der Begründung erwähnt - nicht in dem Antrag selber und in den Forderungen, die Sie aufgestellt haben. Das ist auch unsere Kritik. Das habe ich sehr deutlich gemacht.
Wenn Sie in Zukunft noch weitere Konditionen oder Bedingungen aufführen werden, wird man darüber diskutieren. Wenn die Bundesratsinitiative auf Bundesebene zur Diskussion ansteht, werden wir auch dort unsere Positionen deutlich machen.
Ich denke aber, dass auch die Bevölkerung, die hier lebt und jetzt schon das Wahlrecht hat, an diesem Meinungsbildungsprozess beteiligt werden muss. Das fordern wir auch ein. Das müssen Sie erst einmal leisten und vorweisen.
(Beifall bei der CDU - Meta Janssen- Kucz [GRÜNE]: Sie sind wirklich von der Situation in den Kommunen ganz weit weg!)
Vielen Dank, Frau Kollegin Jahns. Damit sind Kurzintervention und Antwort abgearbeitet. - Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Rundt das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche heute in Vertretung für Innenminister Boris Pistorius, dem ich von hier aus die besten Genesungswünsche zukommen lassen möchten.
Der vorliegende Antrag ist einerseits hochaktuell und schließt andererseits an eine jahrzehntelange Diskussion an. Das erste Mal wurde nämlich vor ungefähr 30 Jahren ein themengleicher Antrag hier in den Landtag eingebracht, und zwar damals von den Grünen.
1997 hat sich der Bundesrat dann auf Antrag der SPD dafür ausgesprochen, dass dauerhaft hier lebende Ausländerinnen und Ausländer zu den Kreistagen und Räten mitwählen dürfen.
Diese Idee gewinnt heute immer mehr an Bedeutung - gerade in einer Zeit, in der zum einen immer mehr Menschen zu uns kommen und bei uns einen Neuanfang suchen und in der zum anderen Zuwanderung bzw. Einwanderung auch als Chance verstanden wird, nicht zuletzt von der Wirtschaft.
Nun ist eine solche Wahlrechtsänderung auch mit einer Grundgesetzänderung verbunden. Solche Prozesse brauchen bekanntermaßen etwas mehr Zeit, aber auch mehr Überzeugungsarbeit.
Frau Jahns, ich will Ihnen ganz ausdrücklich zustimmen: Wahlrecht ist ein hohes Gut. Ich will aber noch darüber hinausgehen: Wahlrecht ist auch ein Menschenrecht, ein Recht für alle Menschen -
Ich finde auch, dass die Gegenargumente inzwischen deutlich überholt sind. Es wurde immer argumentiert, es gebe außerhalb des Kommunalwahlrechts genügend Möglichkeiten zur Teilhabe. Das ist richtig. Es gibt viele Möglichkeiten. Sie werden auch rege genutzt. Ausländerinnen und Ausländer, die dauerhaft bei uns leben, engagieren sich z. B. in Integrationsbeiräten. Sie engagieren sich in hohem Maße ehrenamtlich in Migrantenselbstorganisationen. Damit leisten sie einen entscheidenden Beitrag nicht nur zur Integration, sondern für unsere Gesellschaft insgesamt. Das möchte ich hier ausdrücklich würdigen.
Nicht verständlich ist nach solchen Erfahrungen, dass man ihnen ausgerechnet das kommunale Wahlrecht vorenthalten will, weil es gerade das wichtigste Instrument von Partizipation und Teilhabe ist. Es gibt keinen Grund, warum man dieses Wahlrecht allen EU-Bürgerinnen und -Bürgern, aber nicht den Ausländerinnen und Ausländern aus Nicht-EU-Ländern einräumen sollte. Letztere sind von Entscheidungen über Schulen, Kitas und ähnliche Dinge genauso betroffen. Deshalb wäre es klug, sie bei den kommunalen Entscheidungen mitwählen zu lassen.
Das zweite Gegenargument ist lange Zeit gewesen, dass hier möglicherweise eine Verfassungswidrigkeit vorliegen könnte. Dieses Argument knüpft an die von Frau Jahns zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1990 an. Damals hieß es:
„Wahlen, bei denen auch Ausländer wahlberechtigt sind, können demokratische Legitimation nicht vermitteln.“
Man berief sich dabei auf Artikel 28 des Grundgesetzes, weil man sagte: „Volk“, damit muss das deutsche Volk gemeint sein.
Wir wissen, dass das Grundgesetz danach längst geändert worden ist, nämlich im Hinblick auf den Maastricht-Vertrag, sodass hier lebende Angehörige anderer EU-Staaten an Kommunalwahlen in Deutschland teilnehmen können. Es gibt, wie eben gesagt, keinen Grund, warum dieses Wahlrecht dann eben den übrigen hier dauerhaft lebenden Ausländerinnen und Ausländern verwehrt bleiben soll.