Protocol of the Session on July 15, 2015

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und die Zusammenarbeit.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der FDP und von Björn Thümler [CDU])

Vielen Dank, Frau Kollegin Hamburg. - Für die CDU-Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Editha Lorberg das Wort. Bitte, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag begrüßt ausdrücklich, dass sich alle Fraktionen des Landtags auf diese gemeinsame Resolution festgelegt haben. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass sich der Niedersächsische Landtag geschlossen gegen den Versuch der Neonazis stellt, ihre menschenverachtende Gesinnung hinter sogenannten Trauermärschen zu verstecken und auf diese Art und Weise den Menschen in Bad Nenndorf entgegenzutreten.

(Björn Thümler [CDU]: Genau!)

Seit 2006 müssen die Menschen in Bad Nenndorf immer wieder diese Trauermärsche erdulden und ertragen. Ich finde es bewundernswert - das wurde gerade schon gesagt -, dass es immer wieder Menschen in Bad Nenndorf gibt, die sich so massiv dagegen stellen, aber friedlich protestieren. Dafür auch von unserer Seite herzlichen Dank!

(Beifall)

Wir stehen an der Seite aller friedlich protestierenden Menschen. Wir wollen auch, dass diese friedlichen Prozesse deutlich machen, dass wir im ganzen Land - in Niedersachsen, aber auch in ganz Deutschland - gegen jegliche Form des Auftretens der Neonazis sind.

Glücklicherweise sind die Zahlen in Bad Nenndorf rückläufig. Wir haben im vergangenen Jahr nicht mehr so viele Teilnehmer an diesem sogenannten Trauermarsch gehabt. Das ist auch ein Beweis dafür, dass es wichtig ist, sich immer wieder dagegenzustellen, aber auch diesen Neonazis nicht mehr Beachtung zu geben als wirklich nötig. Es ist deshalb auch wichtig, dass wir dieses Thema nicht so behandeln, dass sich irgendjemand von diesen Herrschaften auch noch emporgehoben fühlt.

(Björn Thümler [CDU]: Genau!)

Wir müssen gerade in einer Zeit, in der so viele Flüchtlingsströme unterwegs sind und hier bei uns ankommen, darauf achten, dass sich dieses menschenverachtende Gedankengut nicht in unserer Gesellschaft irgendwie festsetzt. Darum ist es auch ganz wichtig, dass wir mit unserer Resolution nicht nur mahnen, sondern auch aufklären. Das wollen wir tun.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU] sowie bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es in der Hand. Wir können diese Resolution in unseren Wahlkreisen verteilen. Ich bitte Sie, das wirklich zu tun. Denn es ist ein ganz wichtiges Zeichen, das wir mit diesem Antrag in die Öffentlichkeit bringen.

(Beifall)

Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, dass die Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte, Moscheen und Synagogen nicht mehr stattfinden. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzutreten. Extremismus - ob links oder rechts gerichtet - darf in unserer Gesellschaft einfach keinen Platz haben, ebenso wenig antisemitische Ideologien oder Rassismus. Das darf sich in unserer Gesellschaft nicht festigen.

(Beifall)

Ich finde, es wird auch sehr deutlich, dass die Neonazis geschichtlich wirklich wenig Kenntnisse haben. Denn sie versuchen, die Geschichte um das Wincklerbad zu instrumentalisieren, die Geschichte zu missbrauchen. Das zeugt davon, dass sie wirklich wenig Kenntnisse haben.

Aber, meine Damen und Herren, es ist gut, dass sich unsere Gesellschaft nicht auf diesen Weg begibt und das Ganze nicht unterstützt, sondern immer wieder deutlich macht, dass dafür kein Platz mehr in unserer Gesellschaft ist.

Ich bin glücklich darüber, dass wir heute diese gemeinsame Resolution verabschieden, und ich danke Ihnen herzlich. Mein Dank geht an alle Richtungen und an jeden, der sich dafür eingesetzt hat, dass das auf den Weg gebracht werden konnte. Herzlichen Dank dafür!

Nach Bad Nenndorf vielleicht noch ein Wort: Wir stehen an Ihrer Seite, und wir hoffen, dass diese Genehmigung, die ja nun noch für so viele Jahre gilt, nicht mehr tatsächlich so viele Jahre diese Trauermärsche nach sich zieht und dass die Neonazis endlich begreifen, dass sie nicht gewollt sind, und ihre Ideologie schon gar nicht.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall)

Auch Ihnen herzlichen Dank, Frau Kollegin Lorberg. - Jetzt kommt für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Michael Höntsch. Sie haben das Wort, Herr Kollege.

Verehrter Herr Landtagspräsident Bachmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr darüber, dass wir uns heute im Niedersächsischen Landtag gemeinsam gegen den unseligen Aufmarsch der Rechten in Bad Nenndorf wenden. Wir setzen damit ein Zeichen. Wir sind uns einig in der Unterstützung der Bad Nenndorfer Bürgerinnen und Bürger gegen den Ungeist der Vergangenheit. Auch von mir einen herzlichen Gruß an die vier mutigen Frauen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Gerade in einer Zeit, in der wieder Flüchtlingsunterkünfte brennen, in der Fremdenhass, Antisemitismus und Islamophobie geschürt werden, ist es umso notwendiger, eindeutig Position zu beziehen. Das werden wir heute tun.

Ich will es nicht versäumen, meiner lieben Kollegin Julia Willie Hamburg, von der diese Initiative ausgegangen ist, herzlich zu danken. Julia, das hast du gut gemacht!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Natürlich geht auch ein herzliches Dankeschön an die beiden Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr und Björn Thümler. Ich freue mich wirklich aufrichtig.

Ich weiß, dass unser Entschließungsantrag bzw. der gemeinsame Änderungsantrag die Menschen vor Ort freut und ihnen den Rücken stärkt. Von diesem Raum aus sind es 986 km bis Omaha Beach in der Normandie. Mein Navigationsgerät sagt mir, dass ich dafür mit dem Auto 9 Stunden und 26 Minuten brauchen würde, wenn nicht zu viel Verkehr herrscht.

Die alliierten Soldatinnen und Soldaten, die am 6. April 1945 Hannover befreit haben, hatten sich diese 1 000 km blutig erkämpft. Zehn Monate lang töteten und starben sie - zuerst kämpften sie gegen Wehrmacht und Waffen-SS, anschließend gegen von den Nazis verratene Kinder und Greise. Sie wollten mit dem Nazi-Spuk aufräumen. Dafür wurde das Internierungslager im Wincklerbad eingerichtet. Zeitgleich hatten sie Angst. Der „Werwolf“ würde den Krieg verlängern, ließen die Nazis aus ihren Bunkern verlauten.

Wer von uns, der die Nazis 1 000 km durch Europa bekämpft hätte, hätte nicht alle diejenigen interniert, die vielleicht etwas darüber hinaus gewusst hätten? Auch wir hätten wohl so entschieden. Aber der „Werwolf“ entpuppte sich glücklicherweise nach der Befreiung als noch ungefährlicher als die Wölfe, die heute wieder durch Niedersachsen streifen.

Die Menschen in Deutschland hatten wohl andere Sorgen, als Krieg und Leid zu verlängern. Aber 1 000 km im Krieg, 1 000 km Angst, 1 000 km sterbende Freunde verändern Menschen. Als sie dieses Internierungslager betrieben, waren einige von ihnen bereits so verroht, dass sie teilweise Methoden und Material derer nutzten, die sie doch gerade aus den Rathäusern und Bunkern vertrieben hatten. Natürlich war das ein Fehler. Aber die stolze britische Demokratie hat diesen Fehler aus eigener Kraft behoben. Die Verantwortlichen wurden zur Rechenschaft gezogen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ihre Vergehen sind festgestellt worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ist aus dieser Randnotiz der Befreiung Europas von der HitlerBarberei geworden? Was können wir daraus lernen? - Zum einen, dass Krieg und Gewalt Menschen verrohen. Das war in Bad Nenndorf so. Das war in den Lagern der Nazis in ganz Europa so. Wer Menschen unkontrollierte Macht über andere gibt, sie zu Beherrschten und Herrschenden macht, der kann sich sicher sein, dass die Herrschenden Grenzen überschreiten. Daraus müssen wir lernen.

Solche Situationen unkontrollierter Macht darf es auch im Kleinen in Demokratien nicht geben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der FDP)

Daran sollten wir immer denken, gerade auch in Debatten, wenn es um Strafvollzug, Geheimdienste oder die Unterbringung von Flüchtlingen geht.

Zum anderen lernen wir aus dieser Geschichte, wie Faschismus damals und heute funktioniert hat bzw. funktioniert. Die Verrohung der Deutschen und ihrer Verbündeten war Kalkül. Die Nazis setzten darauf, dass aus netten Nachbarn grausamste Monster wurden, die ohne Mitleid Millionen ermordeten. Sie setzten darauf, systematisch Hunderttausende zu Mittätern zu machen - in den Vernich

tungslagern an und hinter der Front, aber auch im Hinterland. Die Verrohung war Teil des Plans, Europa mit Mord und Krieg zu überziehen.

Anders die britischen Befreierinnen und Befreier: Hier war die Verrohung einer ganzen Generation von jungen Männern durch den Krieg in Europa, Afrika und Asien Teil des Blutzolls, den die britische Nation für die Freiheit Europas, für die Freiheit unseres Deutschlands gezahlt hat. Die Verbrechen an Nazi-Funktionären in Bad Nenndorf waren nicht Ziel der Politik der britischen Regierung, sondern Folge des Krieges und schlechter Kontrolle.

Die heutigen Rechten sehen das anders. Sie setzen die Verbrechen in Bad Nenndorf gleich mit den Verbrechen der Nazis. Sie sagen im Prinzip sogar, das sei alles schlimmer als das, was im deutschen Namen passiert sei. - Wer so etwas behauptet, der hat nicht etwas falsch verstanden, sondern der will etwas verdrehen.

Wenn ich am ersten Samstag im August wiederum in diesem kleinen Kurstädtchen sein werde, dann werde ich an Ausschwitz und Birkenau denken - wir waren kürzlich mit der Fraktion dort -, und ich werde an die Holocaust-Überlebenden aus Hannover, Henry Kormann und Salomon Finkelstein, denken. Ich habe sie in der letzten Woche getroffen; die Erinnerung an Mengele ist bei ihnen allgegenwärtig.

Diejenigen, die an diesem Samstag marschieren wollen, machen sich lustig über diese Schicksale. Sie leugnen entweder den Holocaust, oder sie verharmlosen ihn.

Bedenken wir: Was sich dieser Tage in Freital und vor anderen Flüchtlingsunterkünften abspielt, ist eine Schande. Wir dürfen es in Niedersachsen niemals so weit kommen lassen!

(Lebhafter Beifall)

Ich beobachte Nazis seit Jahren. Sie wollen immer noch Menschen verrohen. Nazis geht es immer noch darum, Menschen ihr Mitleid zu nehmen, um sie Gewalt gegen andere Menschen ausüben zu lassen. Sie tun dies beim Stammtisch, sie tun es bei Demonstrationen gegen Flüchtlingsunterkünfte, und sie tun es besonders gerne online.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als deutsche Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssen wir auch vor der deutschen Geschichte erkennen, dass es unser wichtigster Auftrag ist, dafür zu sorgen, dass Faschismus und Krieg nie wieder Einzug

in unsere Städte und Dörfer halten und dass der Hass keinen Boden mehr findet.

Deswegen freue ich mich, dass das gesamte Haus heute gemeinsam klar macht, dass wir die Errungenschaften einer zivilen Gesellschaft gegen Gewalt und Verrohung setzen.