Ich will Ihnen sagen, warum ich etwas länger dazwischengerufen habe: Ich habe das getan, weil ich es für unerträglich halte, dass Sie sich als haushaltspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion hier vor diesem Parlament hinstellen und erklären, dass Sie seit mehreren Wochen wissen - ich gehe davon aus, dass es damit auch die Landesregierung weiß -, dass es einen zusätzlichen finanzpolitischen Handlungsbedarf bei der Frage der Sprachförderung gibt, dass Sie dann aber bis ganz zum Schluss warten, um einen Antrag der Fraktion einzubringen - im Zweifel deshalb, um sich hier noch einmal profilieren zu können -,
(Petra Tiemann [SPD]: Das ist Ihre Denke! - Zuruf von Johanne Modder [SPD] - Christian Grascha [FDP]: Hö- ren Sie doch mal zu!)
was nämlich bedeutet, dass auch bei diesem Nachtragshaushalt diese Landesregierung ein weiteres Mal die Prinzipien von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit sträflich vernachlässigt und mit Füßen tritt.
Das ist nämlich das Problem. Das haben Sie bei der Haushaltsaufstellung gemacht, das haben Sie gemacht, als Ihr Finanzminister seine Reserven, die er eingeplant hatte, verschleiert hat. Das hat er getan - das wissen wir alle miteinander -, weil er sich einen schönen Puffer anlegen wollte,
Ich fordere Sie auf: Wenn Sie Zahlen vorliegen haben - die Landesregierung oder diese Fraktion - und Handlungsbedarfe erkennen, dann legen Sie hier Haushalte vor, die ehrlich und offen sind, damit die Öffentlichkeit weiß, wie der Handlungsbedarf in diesem Land ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Thiele, ich kann Ihnen nur raten, dass Sie in Ihrer Fraktion ein bisschen mehr miteinander reden. Wenn Sie das getan hätten, dann hätten Ihre Fraktionskollegen Sie schon darauf hingewiesen, dass wir bereits bei der Einbringung des Nachtragshaushaltsplanentwurfs - das war vor zwei Wochen; der Plural ist also korrekt - darauf hingewiesen haben, dass genau im Bereich der Sprachförderung ein Änderungsantrag kommt. Wir haben auch die Summen dafür ganz konkret benannt.
(Petra Tiemann [SPD]: Aha! - Christi- an Grascha [FDP]: Und warum hat die Landesregierung das nicht ernst ge- nommen? - Zuruf von Christian Dürr [FDP])
Wir haben den Änderungsantrag sehr sorgfältig - in Abstimmung mit den Häusern - erarbeitet. Aber wie gesagt: Er ist angekündigt worden. Das ist insofern nichts Neues. Das hätten Sie erkennen können, wenn Sie miteinander geredet hätten.
Zum Thema Rücklagenbildung kann ich es mir nicht verkneifen, Sie zum wiederholten Male daran zu erinnern, dass es die letzte Landesregierung war, die in einer Größenordnung von mehr als 1 Milliarde Euro Rücklagen gebildet hat - kurz vor der letzten Landtagswahl!
(Johanne Modder [SPD]: Mehr als 1 Milliarde! - Gegenruf von Ulf Thiele [CDU]: Die haben Sie übernommen! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)
Ich glaube, wer das mit zu verantworten und zu vertreten hat, der sollte sich hier nicht hinstellen und solche Kritik äußern, sondern vielleicht erst einmal vor der eigenen Haustür kehren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Sie wollen Applaus dafür haben, dass Sie das Geld rausgeschmissen haben? - Ulf Thiele [CDU]: Das ist eine Dreis- tigkeit vor dem Herrn! - Weitere Zuru- fe von der CDU und von der FDP)
Es folgt jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Gerald Heere. Herr Heere, bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kriege in Syrien und im Irak und diverse mehr sowie die wirtschaftlichen, ökologischen und humanitären Krisen der vergangenen Jahre haben - wir alle wissen es - zu großen Fluchtbewegungen geführt. Krisen, die meist weit weg erscheinen, Krisen, an denen wir aber in Deutschland eine Mitschuld und eine Mitverantwortung tragen:
(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Die größte landespoliti- sche Krise sitzt dort auf der Bank!)
Verantwortung als einer der größten Waffenexporteure der Welt, Verantwortung für die Zerstörung von Lebensgrundlagen als Folge der Auswirkungen des Klimawandels im globalen Süden bis hin zur Verantwortung dafür, dass wir mit billigen Agrarprodukten aus der EU den afrikanischen Markt fluten und damit den lokalen Bauern jede Wirtschaftsgrundlage nehmen.
(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Das ist unanständig! - Zurufe von der CDU und von der FDP)
- So ist es! Es ist bezeichnend, dass Sie bei dieser Aufzählung einfacher Tatsachen hier laut werden und versuchen, das auf diese Art und Weise zu diskreditieren. Dieses Verhalten finde ich unmöglich!
Meine Damen und Herren, dieser Verantwortung muss sich Deutschland stellen, indem wir auf diesen Feldern endlich effektiv gegensteuern und indem wir die Flüchtlinge, die aus all diesen Gründen zu uns kommen, hier aufnehmen, ihnen Schutz und vor allem eine Zukunftsperspektive bieten.
Meine Damen und Herren, allein die eben genannte Aufzählung macht deutlich, dass die Aufnahme dieser Flüchtlinge eine gesamtstaatliche Aufgabe ist und keine, mit der man die Kommunen alleine lassen kann. Es ist aber auch keine Aufgabe, bei der der Bund einfach jede finanzielle Verantwortung auf die Bundesländer abwälzen kann, während er es selber nicht einmal schafft, sein eigenes BAMF mit ausreichend Personal auszustatten, um den Rückstand an Anträgen abzuarbeiten.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jörg Hillmer [CDU]: Lesen Sie mal die Verfassung! - Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)
Was bedeutet das für Niedersachsen? Knapp 10 % der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge nimmt das Land Niedersachsen auf; die absoluten Zahlen steigen weiter stark. Die Landesregierung sorgt mit dem hier vorliegenden Nachtragshaushalt nun dafür, dass wir als Land Niedersach
sen mit einer Soforthilfe einen weiteren Beitrag leisten, um unserer Verantwortung gerecht zu werden. Dafür werden den Kommunen für die Unterbringung der Flüchtlinge 40 Millionen Euro aus eigenen Mitteln sofort bereitgestellt. Hinzu kommen vom Bund - nach langen Verhandlungen - 80 Millionen Euro für dieses Jahr - Fortsetzung offen. Die Hälfte dieser 80 Millionen Euro - ich erinnere daran - ist nur ein zinsloses Darlehen, sodass diese Mittel de facto auch aus unserem Haushalt finanziert werden. Das verschweigen Sie, liebe Opposition, aber häufig gerne.
Dieses Engagement gegenüber den Kommunen kann aus meiner Sicht nur ein erster Schritt sein - über die höheren Bedarfe der Kommunen muss unabhängig davon selbstverständlich weiter gesprochen werden. Das gilt auch für die Frage des Abrechnungszeitraums. Und wann können diese Fragen geklärt werden? - Natürlich erst dann, wenn klar ist, wie die dauerhafte Beteiligung des Bundes genau aussieht. Ich nenne als Beispiel, um Ihnen das deutlich zu machen, weil Sie das immer wieder bestreiten, das Thema Gesundheitskosten. Würden diese Kosten endlich vom Bund übernommen, würden die Kommunen finanziell und bei den Bürokratiekosten deutlich entlastet. Dann würden wir über ganz andere Bedarfe bei den Kommunen reden, als wenn das nicht passiert.
Insofern muss doch erst mal bekannt und klar sein, was der Bund leistet, bevor wir genau definieren können, was das Land in Zukunft leistet.
Wir brauchen doch eine zukunftsfähige und klare Aussage - wir können doch nicht in die Zukunft sehen!
Lieber Herr Thümler, Sie haben eben in Ihrer Rede die Landesregierung so großspurig kritisiert und noch mehr Engagement von dieser Landesregierung gefordert. Aber Sie sollten sich vielleicht auch einmal Ihrer eigenen Verantwortung stellen.
Ich nenne erstens das Asylbewerberleistungsgesetz, das endlich abgeschafft werden muss; denn es schafft nicht nur ein diskriminierendes, sondern auch ein teures und bürokratisches System. Unterstützen Sie uns doch endlich dabei! Und beenden Sie endlich Ihre mittelalterliche Haltung gegenüber einem modernen Einwanderungsgesetz! Wir alle wissen, dass das Asylrecht für die überwiegende Zahl der Flüchtlinge aus dem Balkan ein ungeeignetes Instrument ist.
(Björn Thümler [CDU]: Sie sollten erst einmal die Papiere lesen, Herr Heere, bevor Sie hier solchen Unsinn reden!)
Wenn wir z. B. für EU-Beitrittskandidaten wie die Republik Serbien - das darf gar keine Schwierigkeit darstellen; denn Serbien ist ja schon fast in der EU - ein ordentliches Einwanderungsgesetz hätten, das legale Möglichkeiten der Einwanderung bietet, dann wären wir ganz klar auf einem Weg, auf dem wir einen Beitrag zur Entspannung der Problematik bei Flüchtlingen aus diesen Ländern leisten könnten. Anders als Sie - das tut mir wirklich leid - sind wir auf diesem Auge nicht blind.