Protocol of the Session on April 18, 2013

im Ältestenrat erfolgten Klärung sehr kurzfristig erneut einen Wechsel der Zuständigkeit vorgeschlagen haben. Auf diesen Umstand hat er aus meiner Sicht vollkommen zu Recht und zulässigerweise hingewiesen. Er hat ihn neben den anderen Argumenten als ein Indiz dafür gewertet, dass selbst Ihnen die Stoßrichtung Ihres Entschließungsantrages nicht ganz klar ist. So weit zur Sachlage.

Zum Umgang und zum Stil: Herr Nacke, ich bin erst seit 2008 Mitglied dieses Landtages. Ich habe fünf Jahre Oppositionsarbeit erlebt und hatte auch das mehr oder weniger große Vergnügen, Sie dabei eine Zeit lang als Parlamentarischen Geschäftsführer einer Mehrheitsfraktion zu erleben. Wir haben viele Ihrer Geschäftsordnungsdebatten hier erdulden müssen, weil Sie die parlamentarische Mehrheit im Rücken hatten und sie auch dazu benutzt haben, um hier Mitglieder der damaligen Opposition in teilweise unflätigster Weise zu beschimpfen und anzugreifen.

(Jens Nacke [CDU]: Das weise ich zu- rück!)

Jetzt, Herr Nacke, haben sich die Mehrheitsverhältnisse geändert. Mir wird von Plenum zu Plenum deutlicher, dass Sie mit dieser neuen Situation nicht klarkommen und dass Sie jetzt anfangen müssen, sich an die Regeln, die in der Geschäftsordnung gegeben sind, noch genauer zu halten als vorher, weil Sie eben nicht mehr die Mehrheit haben, um im Zweifel diese Mehrheit in diesem Haus zu missbrauchen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Unterirdisch!)

Weitere Meldungen zur Geschäftsordnung liegen mir nicht vor.

Wir fahren in der Besprechung fort. Der Kollege Herr Limburg vom Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin immer wieder erstaunt - das bestätigt sich hier erneut -, wie sehr eine kleine grüne Pflanze für Erregung und Aufregung sorgen kann.

(Lachen bei der CDU - Editha Lorberg [CDU]: Das kann doch jetzt nicht Ihr Ernst sein!)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Lorberg, sobald irgendwo das Stichwort „Cannabis“ fällt, wittern insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sofort Verharmlosung und Verbreitung des Drogenkonsums. Etwas mehr Ruhe und Gelassenheit und vor allem mehr Sachlichkeit täten Ihnen in dieser Debatte sehr gut.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Nacke, ich bin privat Abonnent der taz und hatte letzten Samstag das Vergnügen, dort in einem Artikel u. a. ein Zitat von Ihnen zu lesen. Demnach sind Sie „irritiert, dass ausgerechnet die Gesundheitsministerin den Eindruck vermittelt, es gebe gute und böse Drogen“.

Zunächst einmal - das hat der Kollege Tonne völlig richtig ausgeführt - hat die Gesundheitsministerin das nie getan. Eigentlich hätten Sie die Gelegenheit nutzen sollen, sich für diese Unterstellung zu entschuldigen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zum Zweiten könnte man, wenn man rein die Rechtslage betrachtet, in der Tat den Eindruck bekommen, dass die bundesdeutsche Drogenpolitik seit 1949 gute und schlechte Drogen unterscheidet: auf der einen Seite der legale Alkohol, auf der anderen Seite das illegale und damit böse Cannabis.

Der Konsum von Alkohol ist - darauf ist hier schon von Vertreterinnen und Vertretern aller Fraktionen hingewiesen worden - nachweislich in hohem Maße schädlich. Eine strafrechtliche Verfolgung der Händler oder der Konsumenten findet bekanntermaßen nicht statt.

Der Konsum von Cannabis ist ebenfalls in hohem Maße gesundheitsschädlich. Hier aber werden Händler und faktisch auch Konsumentinnen und Konsumenten strafrechtlich mit nicht geringem Aufwand verfolgt.

Sachlich begründet werden kann dieser Unterschied kaum. Er ist wohl nur aus gesellschaftlichen Traditionen heraus zu verstehen.

Gerade auch vor diesem Hintergrund der gravierenden Unterschiede im Umgang mit einzelnen Drogen ist es nur zu begrüßen, dass unsere Lan

dessozialministerin anstrebt, über die Art und Weise und die Voraussetzungen der Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten kritisch zu diskutieren. Nur das hat sie getan, und dabei hat sie unsere volle Unterstützung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Um es klarzustellen: Niemand hier verharmlost Cannabis.

(Jens Nacke [CDU]: Sagen Sie doch etwas zur Legalisierung!)

Aber wir müssen schon sehr genau prüfen, Herr Kollege Nacke, an welcher Stelle und in welchem Rahmen wir das schärfste Schwert, das unser Rechtsstaat zur Verfügung stellt, nämlich das Strafrecht, einsetzen und ob es wirklich der Prävention dient und angemessen ist, strafrechtlich gegen Kleinstkonsumenten vorzugehen.

(Jens Nacke [CDU]: Sie wollen legali- sieren! Ist das richtig? - Gegenruf von Petra Tiemann [SPD]: Verstehen! Zu- hören! Himmel!)

Der CDU-Antrag, Herr Kollege Nacke, spricht noch eine weitere rot-grüne Forderung an, nämlich eine bundesweit einheitliche Grenze. Ich muss mich schon sehr wundern, dass der Kollege Herr Dr. Genthe die Äußerung unserer Justizministerin offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hat. Die Justizministerin Niewisch-Lennartz hat sich in der Tat, Herr Kollege Dr. Genthe, für eine bundesweit einheitliche Grenze eingesetzt, und ich bin optimistisch, dass sie das auch heute in diesem Hohen Hause tun wird.

(Dr. Marco Genthe [FDP]: Aber in welcher Höhe?)

Auch in diesem Punkt hat sie selbstverständlich unsere Unterstützung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

So richtig und wertvoll der Föderalismus ist - in dieser Frage macht es überhaupt keinen Sinn, zwischen den Bundesländern zu unterscheiden.

Man muss an dieser Stelle auch einmal die Frage diskutieren, ob das Gewicht tatsächlich noch die richtige Maßeinheit im Umgang mit Cannabis ist. Wir sollten prüfen, ob es Möglichkeiten geben kann, den THC-Gehalt einfach und effektiv zu ermitteln, um dann den Wirkstoffgehalt zur Grundlage der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen

Behandlung von Cannabis zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie sprechen in Ihrem Antrag auch die Prävention an und feiern in der Begründung Ihre alte Landesregierung für deren Präventionsarbeit ab. Meine Damen und Herren, was Sie damals bei SchwarzGelb unter Präventionsarbeit verstanden haben, konnte man im Jahr 2010 in Nordstemmen beobachten. Da haben Sie Polizeikohorten in eine Schule geschickt und Schüler in der Schule während der Unterrichtszeit quasi zur Abgabe von Drogentests genötigt. Das ist keine Prävention - das ist Repression par excellence. So kennen wir das von der Sheriff-Partei CDU.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich komme jetzt noch zu einem Punkt, Herr Kollege Böhlke und Herr Kollege Nacke, auf den Sie in Ihrem Antrag leider überhaupt nicht eingehen. Auch das zeigt den ideologischen Umgang mit Cannabis, den Sie pflegen. Sie gehen auf den Aspekt der medizinischen Nutzung von Cannabis überhaupt nicht ein.

Ich möchte an dieser Stelle den früheren Kollegen, Herrn Professor Dr. Roland Zielke, ebenfalls FDP, zitieren. Dieser führte in einer Debatte über eine Große Anfrage zum Thema Cannabis hier in diesem Haus vor einigen Jahren aus:

„So sehr ich mich über die Antwort auf die Große Anfrage gefreut habe, die sehr ausführlich ist, so kann ich doch nur sagen: Auf die Fragen 24 und 25 sind die Antworten ausgesprochen dürftig, wenn es auf Frage 24 heißt: ‚Erkenntnisse aus den USA über den medizinischen Einsatz von Cannabis liegen der Landesregierung nicht vor’, und auf Frage 25 heißt: ‚Da Cannabis als Medikament nur in Ausnahmefällen sinnvoll ist …’. Mein Gott, die meisten Medikamente sind nur in Ausnahmefällen sinnvoll, nämlich wenn sie angezeigt sind.“

- So war Herr Zielke. - Ich mache mit dem Zitat weiter:

„Cannabis - das ist mittlerweile Stand der Wissenschaft - ist eines der wichtigsten Medikamente bei terminal Kranken, bei kachektischen, bei sterbenden Patienten. Da gibt es kaum ein besseres palliatives Mittel. Das

muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen.“

Herr Kollege Böhlke, Sie haben so viele Jahre mit Herrn Professor Dr. Zielke zusammen koaliert und doch so wenig von ihm gelernt!

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Ihre Rede war ein klares Bekenntnis zur Legalisierung!)

Letzter Satz, Frau Präsidentin: Beenden Sie Ihre ideologische Scheuklappenpolitik beim Thema Cannabis! Dann können wir gemeinsam ein austariertes Konzept aus Repression, Prävention und da, wo es angezeigt ist, medizinischer Nutzung von Cannabis entwickeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Niewisch-Lennartz, die Justizministerin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung tritt für eine - es wird Sie nicht wundern - rationale Drogenpolitik ein. Dazu gehören vier Säulen: die Prävention, die Therapie, die Überlebenshilfen für Schwerstabhängige und schließlich als letztes Mittel die Repression. Ich glaube, hierüber besteht im Haus zwischen allen Beteiligen Einigkeit.

Die Landesregierung will den Konsum von Cannabis weder dämonisieren noch verharmlosen. Wir werden uns für eine bundesweite Vereinheitlichung der Eigenbedarfsgrenze für den Besitz geringer Mengen von Cannabis einsetzen, weil wir für eine im Wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften sorgen wollen und, wie ich meine, auch müssen. Eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fordert das zu Recht ein. Der unterschiedliche Stand, den wir im Augenblick in den Bundesländern haben, ist, meine ich, der Sachlage nicht angemessen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)