Protocol of the Session on February 20, 2015

(Unruhe)

- Ich bitte insbesondere die rechte Seite des Hauses um Ruhe.

Herr Kollege Oetjen, Sie wissen doch genauso gut wie wir alle hier, dass eine Erstaufnahmeeinrichtung nur dann eine Erstaufnahmeeinrichtung ist, wenn sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dazu entschließt, an diesem Standort eine solche zu errichten.

Bitte!

Ja, verehrte Frau Kollegin. Die Realität ist aber doch, dass wir an anderen Stellen auch andere, unkompliziertere Lösungen gemacht haben. Da werden Hotels belegt.

(Doris Schröder-Köpf [SPD]: Das ist keine Erstaufnahmeeinrichtung!)

An dieser Stelle sage ich einmal ganz ehrlich: Dann machen Sie das über Außenstellen oder über andere Regelungen.

(Ulf Thiele [CDU]: Herr Minister Pisto- rius, können Sie vielleicht einmal auf- klären, wie das funktioniert? - Weitere Zurufe und Gegenrufe - Unruhe - Glo- cke der Präsidentin)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, den Kommunen ist es doch - - -

(Anhaltende Unruhe)

Moment, bitte, Herr Kollege Oetjen! - Ich bitte jetzt beide Seiten um Ruhe. Wir werden die Debatte erst fortsetzen, wenn hier wirklich Ruhe eingekehrt ist.

Herr Kollege Oetjen, Sie sind noch bei der Beantwortung der Frage, sodass wir die Redezeit erst weiterlaufen lassen, wenn Sie diese beantwortet haben. Bitte!

Verehrte Frau Präsidentin, ganz herzlichen Dank. - Den Kommunen ist es doch letztlich egal, was für ein Schild an der Tür hängt. Wichtig ist, dass wir Kapazitäten auf der Landesebene schaffen, damit wir der kommunalen Ebene Luft verschaffen, die große Schwierigkeiten hat, die Container bestellt, die nicht mehr lieferbar sind, die nicht mehr weiß, woher sie ihren Wohnraum bekommen soll, und die große Schwierigkeiten hat, Vermieter davon zu überzeugen, dass sie noch Wohnraum zur Verfügung stellen. Diesen Kommunen muss doch Luft verschafft werden!

Welches Schild nachher daran hängt und ob sie leer stehende Hotels oder Kasernengebäude nutzen oder eine Erstaufnahmeeinrichtung schaffen, ist mir, ehrlich gesagt, herzlich egal. Wichtig ist, dass den Kommunen geholfen wird und dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass zum einen die Flüchtlinge ordentlich untergebracht werden und zum anderen die Kommunen genug

Vorlauf haben, damit sie sich im Sinne der Menschen, die unsere Hilfe brauchen, kümmern können.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, da erwarte ich mehr Anstrengungen von Rot und Grün hier in Niedersachsen. Da erwarte ich konkrete Vorschläge und eine klare Regelung, die es den Kommunen ermöglicht, diese Menschen ordnungsgemäß zu betreuen.

Deswegen: Handeln Sie endlich, und hören Sie auf, hier wohlfeile Reden zu halten!

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Oetjen. - Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Watermann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Focke hat seine Rede damit begonnen, dass er das aufgenommen hat, was wir bei einem gemeinsamen Gespräch zu einem Antrag, der sich mit Dublin III auseinandersetzt, besprochen haben.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Das war eine gute Rede!)

Der Beginn war ausgesprochen gut, weil er sehr gut auf die Punkte eingegangen ist. Aber das Ende war dann leider so, wie es jetzt auch bei dem Kollegen Oetjen am Ende der Fall war, nämlich dass wieder das Trennende deutlich im Vordergrund gestanden hat.

Ich möchte zu Ihrem Antrag sagen: Sie beschreiben in Ihrem Antrag die Situation in Niedersachsen. Dies muss man so unterschreiben, weil sie so ist.

Wir können uns jetzt gegenseitig vorwerfen, wann wer wo welche Einrichtungen lieber nicht hätte schließen sollen oder neu hätte schaffen können.

Als Erstes möchte ich vorausschicken: Ich bin ganz froh darüber, dass wir zumindest auf einem Einigungskorridor sind, indem wir feststellen, dass das, was wir erleben - auch mit Dublin III -, unbefriedigend ist, und dass wir dabei sind, einen gemeinsamen Antrag zu entwickeln.

Ich möchte deutlich sagen, dass wir im Moment aus dem Kosovo, aber auch aus anderen Krisen

gebieten eine erhebliche Zunahme der Zahl von Flüchtlingen haben. Wir wissen - das ist unstrittig -, dass die Flüchtlinge aus dem Kosovo nicht unter das politische Asyl fallen werden. Aber sie fliehen von dort nicht aus gar keinen Gründen, sondern sie fliehen deswegen aus ihrem Land - und rauben damit ihrem Land auch die Zukunft -, weil sie dort keine Zukunftsperspektiven sehen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir über Europa Anstrengungen unternehmen, um Perspektiven im Kosovo aufzubauen, damit die Menschen nicht fliehen. Es ist unstrittig, dass die wirtschaftliche Not groß und die Perspektiven dort schlecht sind.

Ich teile Ihre Auffassung und unterstütze das, was der Innenminister gemacht hat, nämlich dass wir ganz große Anstrengungen unternehmen müssen, um die Zahl unserer Erstaufnahmeeinrichtungen zu erhöhen. Mir ist allerdings nicht egal, was auf dem Schild steht. Vielmehr erwarte ich in den Erstaufnahmeeinrichtungen eine hohe Qualität und auch die Situation, dass die Flüchtlinge dort betreut und ihre Anträge möglichst zügig bearbeitet werden.

Deshalb ist es unbefriedigend, dass der Präsident des Bundesamtes zwar sagt, er stocke auf. Er stellt nämlich in diesem Zusammenhang auch fest, dass in der Bundesrepublik Deutschland pro Jahr etwa 100 000 Anträge nicht bearbeitet werden. Damit schieben wir eine Belastung in die Zukunft, über die wir uns gemeinsam ernsthaft Gedanken machen müssen. Wenn wir wissen, dass 100 000 Anträge nicht bearbeitet werden, dann wissen wir auch, was das faktisch bedeutet. Aus diesem Grund sage ich: Ich wünsche mir in Bezug auf Ihren Antrag, dass wir vielleicht gemeinsam gucken, wie wir Lösungen finden.

Ich weiß, dass der Innenminister auf dem Weg ist, zu schauen, wo man Erstaufnahmeeinrichtungen errichten kann. Wenn Sie praktische Politiker sind - das sind Sie allesamt -, dann wissen Sie, dass man das sehr behutsam machen muss. Denn sobald jemand weiß, dass es eine Liegenschaft gibt, an der man Interesse hat, galoppieren die Preise durch die Decke. Deshalb ist es unsere gemeinsame Verantwortung, zu schauen, wie wir denjenigen helfen, die diese Last tragen.

Ich möchte in den Dank nicht nur die Ehrenamtlichen einschließen, die sich so engagieren, wie sie das tun, sondern auch die Kommunen, die in diesem Bereich eine wirklich wahnsinnige Arbeit machen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Und das Innen- ministerium!)

Wir müssen uns gemeinsam noch einmal vergegenwärtigen - neben den Schuldzuweisungen, die wir gegenseitig ja gerne machen können -, dass sich die Zahl der Krisengebiete erhöht hat - dies haben Sie beschrieben - und dass auch die Not im Kosovo eine Rolle spielt. Auch müssen wir gucken, dass wir über Europa dort Perspektiven für die Zukunft aufbauen.

Für diejenigen Flüchtlinge, die jetzt hier sind, könnte das Pilotprojekt, das der Innenminister angeschoben hat, vielleicht eine Lösung sein.

Am Ende werden wir aber auch darüber reden müssen, wie wir gemeinsam - Kommunen, Land und Bund - die Antragsbearbeitung beschleunigen können.

Ich bin hoffnungsfroh, dass wir versuchen könnten, über die Herausforderung, die wir jetzt haben, eine Lösung in Niedersachsen zu bekommen, sodass wir die Gräben, die wir aufgerissen haben - alle Seiten haben daran gearbeitet -, vielleicht überwinden können. Ich hatte diese Hoffnung bei dem gemeinsamen Antrag. Ich will sie jetzt bei diesem Antrag nicht beerdigen.

Ich freue mich auf eine gute Beratung und wünsche mir, dass wir über die Schuldzuweisungen hinweg die Ärmel hochkrempeln und den Kommunen und den Flüchtlingen helfen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Watermann. - Auf Ihren Redebeitrag gibt es eine Kurzintervention des Kollegen Focke, CDU-Fraktion. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Watermann, ich möchte mich für Ihre Einlassungen hier bedanken. Ich glaube, wir haben gerade in der Woche, in der wir zusammengesessen und über Dublin II, aber auch über die Visafreiheit bei türkischen Staatsbürgern gesprochen haben, gezeigt, dass es Wege der Verständigung gibt, gemeinsam für die Menschen.

Auch finde ich es gut, dass Sie gerade anerkannt haben, dass das, was in unserem Antrag steht -

wie die Problembeschreibung für die Kommunen -, faktisch so ist.

Auf dieser Grundlage wollen wir gemeinsam versuchen - dafür sind wir alle offen; die FDP sicherlich auch; wir von der CDU ganz sicher -, einen gemeinsamen Antrag zu entwickeln: Wie können wir den Flüchtlingen, die hier Schutz suchen, etwas Gutes tun und die Kommunen gleichzeitig entlasten?

Aber wenn Frau Polat von unserem Antrag bereits jetzt die Nrn. 3 und 4 ablehnt - das machen wir nicht mit; das ist ein zentraler Punkt, der zur Entlastung der Kommunen beiträgt -, dann, so sage ich Ihnen, haben Sie von der SPD die Zeichen der Zeit erkannt, Ihr Koalitionspartner aber leider nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion antwortet Ihnen der Kollege Watermann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, alle haben die Zeichen der Zeit erkannt, weil das Problem bei jedem zu Hause direkt spürbar ist. Aber das, was uns unterscheidet, sind die Einschätzungen, welcher Weg am besten hilft. Da sind die Nrn. 1 und 2 vollkommen unstrittig. Die Frage lautet: Ist die Einstufung als sicheres Herkunftsland wirklich eine Lösung, oder gibt es noch andere Betrachtungsweisen? Denn ein sicheres Herkunftsland sorgt noch lange nicht dafür, dass Menschen sagen: Ja, gut, dann fliehe ich gar nicht mehr. - Das ist ein bisschen an der Realität vorbei.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Genau das ist die Realität!)

Ich glaube, eine Mischung aus diesen Betrachtungen ist wichtig.