Protocol of the Session on February 18, 2015

In der Landespolitik hat die Pflege für uns schon seit Langem einen besonderen Stellenwert. Ich nenne an dieser Stelle nur den Pflegepakt im Landespflegeausschuss vom November 2011 - also ein Jahr vor der letzten Landtagswahl -, der wichtige Impulse für die Fachkräftesicherung, die Berücksichtigung der Tarifbindung und für die Pflegesatzerhöhungen in Regionen mit erheblich unterdurchschnittlichem Pflegesatzniveau gebracht hat. Alle Beteiligten, die in der Pflege etwas zu sagen haben, haben diesen Pakt unterschrieben; von den Kommunen bis hin zu den Pflegekassen und den Pflegeanbietern. Private, die Freie Wohlfahrtspflege - alle haben das gemeinsam getan.

Nun haben wir seit einigen Tagen die LaumannStudie auf dem Tisch. Danach verdienen Altenpflegefachkräfte rund 20 % weniger als Angehörige vergleichbarer Berufsgruppen etwa im Handwerk. In Niedersachsen liegt ihr Durchschnittsverdienst etwa 10 % unter dem Bundesdurchschnitt.

Das hat wohl etwas damit zu tun, dass es in Niedersachsen neben der Freien Wohlfahrtspflege mehr private Pflegeanbieter gibt als anderswo. Das aber ist nicht die Erklärung überhaupt. Das sagen auch der Landespflegeausschuss und die Fachkommission Pflege.

Um die menschenwürdige Pflege in Niedersachsen voranzubringen, hält die CDU-Landtagsfraktion vier Punkte für wesentlich:

Erstens. Das Pflegeberufegesetz mit der generalistischen Ausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege muss in der laufenden Wahlperiode sehr schnell kommen, um die Altenpflege aufzuwerten. Die Landesregierung sollte deshalb auf die Wiedereinführung der Altenpflegeumlage in Niedersachsen verzichten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auf der Bundesebene sind wir schon viel weiter. Nach den Diskussionen in den zuständigen Arbeitsgruppen ist es so, dass jetzt ein Ausbildungsfonds kommen soll, in den alle zugelassenen Pflegeeinrichtungen einzahlen; alle, also nicht nur die, die ausbilden, sondern gerade auch diejenigen, die nicht ausbilden. Diese Umlage im Ausbildungsfonds - so nennt sich das dann - wird dann über den allgemeinen Pflegesatz für die verschiedenen Pflegeeinrichtungen refinanziert.

Zweitens. In der laufenden Wahlperiode muss ein Tarifvertrag Soziales in der Altenpflege in Niedersachsen zustande kommen. Gestern - sehr erfreulich und Glückwunsch - ist ein Tarifvertrag für die Auszubildenden auf den Weg gebracht worden. Das Land muss ihn nun für allgemeinverbindlich erklären. Die Diakonie hat im letzten September gemeinsam mit ver.di eine gute Tat vollbracht. Es ist nämlich ein Tarifvertrag Soziales zwischen Diakonie und ver.di geschlossen worden. Das macht uns Mut, jetzt auch den Tarifvertrag Soziales in der Altenpflege in Niedersachsen anzusteuern.

Ein wichtiges Problem muss zuvor aber noch gelöst werden. Das hat auch Filiz Polat gerade angesprochen. Zunächst muss die Refinanzierung geklärt sein. Das hängt maßgeblich von den Kommunen ab; denn die machen die Spitzenfinanzierung, wenn der Versicherte auf den Tarifvertrag zurückgehende Mehrkosten nicht zahlen kann. Die Kommunen müssen also ins Boot geholt werden. Das ist Aufgabe der Landesregierung - eventuell sogar mit zusätzlichem Geld.

Drittens. Allgemein müssen die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert werden. Aufgrund des

Bundesmodells haben wir einen Entschließungsantrag betreffend Vereinfachung der Pflegedokumentation vorgelegt. Das muss in Niedersachen flächendeckend schnell umgesetzt werden. Alle Anstrengungen müssen dazu unternommen werden.

Ein weiterer Ansatzpunkt betrifft die Verbesserung des Pflegepersonalschlüssels. Auch hier ist die Landesregierung gefordert.

Viertens. Wir müssen zu einer besseren Qualifizierung kommen, zu einer Qualitätssicherung. Dieses Ziel nennen insbesondere die Befürworter der Errichtung einer Pflegekammer. Eine Pflegekammer brauchen wir aber auch dafür nicht. Sie würde zu Zwangsbeiträgen führen und Pflegehilfskräfte unberücksichtigt lassen. Dieses wäre der falsche Weg. Keine Pflegekammer für die Qualitätssicherung! Der bessere Weg wären verbindliche Regelungen in den einschlägigen gesetzlichen Grundlagen wie z. B. im SGB XI, im SGB V, im Niedersächsischen Pflegegesetz und im Niedersächsischen Heimgesetz, das wir in Kürze novellieren werden. Das müssen wir gemeinsam anpacken.

Jetzt habe ich noch eine Bitte an die Antragssteller. Gute Arbeit in der Pflege - das ist richtig. Wir nehmen Sie beim Wort. Machen Sie damit ernst in der laufenden Wahlperiode, und zwar insbesondere, was den Tarifvertrag Soziales in der Altenpflege betrifft. Daran, ob er zustande kommt oder nicht, werden Sie gemessen. Die CDU-Landtagsfraktion jedenfalls wird dafür mit voller Kraft kämpfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Unruhe)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Matthiesen. - Es folgt jetzt - aber nur dann, wenn hier Ruhe einkehrt - der Kollege Uwe Schwarz für die Fraktion der SPD. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Auftritt des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, des Herrn Staatssekretärs Karl-Josef Laumann, vor der Pflegekommission war für diejenigen von uns, die daran teilgenommen haben, glaube ich, ausgesprochen beeindruckend. Wenn Herr Dr. Matthiesen in allen Phasen richtig zugehört hätte, hätte er den einen oder anderen Punkt

heute nicht vortragen können. - Ich komme darauf noch zurück.

Jetzt liegt erstmalig ein Gutachten vor, das die Lage der Krankenpflege und der Altenpflege getrennt und regionalisiert betrachtet. Dabei können wir, glaube ich, für beide Pflegeberufe feststellen: Die Arbeit erfordert eine hohe soziale Kompetenz. Sie ist physisch und psychisch ausgesprochen hart, sie ist familienunfreundlich.

Dafür wird in der Krankenpflege verhältnismäßig gut bezahlt. Der Bedarf mit 500 000 Pflegekräften pro Jahr ist in Deutschland ziemlich konstant. In der Altenpflege haben wir dagegen katastrophale Verhältnisse. Wir haben dort bis 2030 einen doppelten Fachkräftebedarf. Allein in Niedersachsen fehlen fast 50 000 Kräfte mehr. So etwas, meine Damen und Herren, nennt man „Pflegenotstand“. Ich bedauere, dass dieser Notstand in den vergangenen zehn Jahren von der Vorgängerregierung schlichtweg negiert und nicht zur Kenntnis genommen worden ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Darüber täuscht auch nicht ein Pflegepakt hinweg, der ein Jahr vor der Landtagswahl eingerichtet worden ist.

Wir stellen in der Altenpflege eine Flut von prekären Beschäftigungsverhältnissen, bis zu 50 % unfreiwillige Teilzeit und eine deutlich schlechtere Bezahlung im Verhältnis zur Krankenpflege fest. Der Unterschied macht bis zu 800 Euro aus, eine gigantische Summe. Altenpflegefachkräfte werden schlechter bezahlt als Krankenpflegehilfskräfte. All dies ist skandalös.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn wir uns dann vor Augen halten, was Herr Staatssekretär Laumann gesagt hat, kann ich nur sagen: Das unterstreiche in uneingeschränkt. Bezahlung ist ein Ausdruck der Wertschätzung in der Pflege. Geld pflegt nicht. Dafür brauchen wir jede Kraft. Zuwanderung allein kann die Probleme nicht lösen. Tarifverträge sind unabdingbare Voraussetzung für gute Bedingungen in der Pflege.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ab 1. Januar 2015 müssen die Pflegekassen dank der Großen Koalition tarifliche Bezahlung bei Pflegesatzverhandlungen berücksichtigen und kontrollieren. Sie müs

sen kontrollieren, ob das Geld dafür bei den Beschäftigten auch wirklich ankommt. Das haben einige Kranken- und Pflegekassen aber anscheinend noch nicht mitbekommen. Deshalb begrüße ich außerordentlich, dass der Ministerpräsident hier klare Worte gefunden und angekündigt hat, mit denen ernsthafte Gespräche zu führen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es erstaunt mich schon sehr, dass der BPA angesichts der Tatsache, dass die Kassen nichts weiter machen sollen, als lediglich zu überprüfen, ob die Versichertengelder auch bei denen ankommen, für die sie gedacht sind, nämlich bei den Beschäftigten, sagt, er halte das für einen unzulässigen Eingriff in unternehmerische Freiheiten. Ich finde, das lässt sehr tief blicken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Einig sind sich private und freigemeinnützige Leistungsanbieter, Pflegekassen und Kommunen immer dann, wenn es um die Forderung nach verbesserten Rahmenbedingungen in der Pflege geht. Dafür ist ohne Frage die Politik zuständig. Ich finde, die Große Koalition ist hier auf einem ganz guten Weg. Ich fände es nun aber auch richtig toll, wenn sich die gleichen Akteure auch darauf einigen könnten, endlich dafür zu sorgen, dass für jede einzelne ihrer Einrichtungen Tarifverträge geschaffen und diese dann auch eingehalten werden und dass dann auch das Geld dafür gezahlt wird. Das würde jedenfalls deutlich zur Entspannung beitragen.

Insofern begrüßen wir natürlich auch den gestern zwischen den Wohlfahrtsverbänden und ver.di geschlossenen Vertrag, soweit er die Auszubildenden betrifft. Ich sage aber auch: Das kann nur ein erster Schritt sein. Zeitnah muss ein Vertrag für alle folgen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Genau!)

Ich fände eine Einigkeit der Anbieterseite an dieser Stelle jedenfalls deutlich hilfreicher als merkwürdige Bündnisse von Arbeitgebern und Kostenträgern, wenn es darum geht, eine Pflegekammer zu verhindern und so den Beschäftigten, die ohnehin stinksauer sind, auch noch die Möglichkeiten zur Mitbestimmung und Mitwirkung zu nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Niedersachsen wird jedenfalls an dem Ziel einer Pflegekammer festhalten. Frau Bruns hat alle Argumente für eine Pflegekammer vorgebracht. Leider hat sie dann aber einen falschen Dreh gemacht, weil sie sich bei Ihnen inhaltlich nicht anders bewegen darf. Das ist doch das Problem, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben die Schulgeldfreiheit in Niedersachsen gesetzlich abgesichert,

(Christian Dürr [FDP]: Sie machen das gegen die Pflegekräfte!)

und ich sage Ihnen noch einmal etwas zur Umlage. Herr Laumann hat in der Veranstaltung deutlich gesagt - Herr Dr. Matthiesen war da offensichtlich nicht mehr mit den Ohren dabei -: Umlagefinanzierung in der Altenpflege hat sich eindeutig bewährt. Überall dort, wo sie eingerichtet wurde, gibt es mehr als ein Drittel Ausbildungsplätze zusätzlich. - Auf die Frage von Herrn Dr. Matthiesen „Das gilt doch nicht mehr für eine generalisierte Ausbildung?“ hat Herr Laumann nachgelegt und gesagt: Gerade bei der generalisierten Ausbildung brauchen wir die Umlage.

Deshalb sage ich Ihnen: Die Umlage wird diese Landesregierung zum 1. Januar 2016 einführen. Wir reden nicht, wir handeln. - Davon waren Sie meilenweit entfernt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von Christian Dürr [FDP] - Gegenruf von Petra Tiemann [SPD]: Wenn Sie reden wollen, tun Sie es doch einfach, Herr Dürr! - Wei- tere Zurufe - Unruhe)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Dürr, ich darf noch einmal anmahnen, dass hier Ruhe einkehrt und keine Dialoge gehalten werden.

(Anhaltende Unruhe)

So, jetzt spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Rundt. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gute Arbeit in der Pflege, wie der Antrag ganz richtig fordert, leisten zumindest die Pflegenden schon jetzt. Nicht immer gut sind hingegen die Rahmenbedingungen, unter denen sie dies tun. Deshalb haben wir die Kampagne „Gute Pflege, gute Jobs - Niedersachsen macht sich für gute Pflege stark“, an deren Spitze der Ministerpräsident steht, ins Leben gerufen, weil klar ist, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Matthiesen, Sie haben gesagt, dass wir doch einen so schönen Pflegepakt hatten. - Das stimmt, wir hatten einen schönen Pflegepakt. Nur: Wie wir sehen, hat er in keiner Weise gewirkt. Das Ding war völlig wirkungslos.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)