mit den einzelnen Fraktionen verhandelt. Dafür danke ich ihr an dieser Stelle sehr. Leider kann sie heute nicht hier sein und das Ergebnis vorzustellen, weil sie eine schwere Bronchitis hat. Deswegen mache ich das jetzt in Vertretung für sie. Ich greife auch auf ihre Unterlagen zurück.
Es reicht nicht immer aus, dass für einzelne Belange intelligente Unterstützungsmöglichkeiten und zahlreiche Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Damit ein Mensch mit einer doppelten Sinnesbehinderung sein Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwirklichen kann, müssen die verschiedenen Hilfen in einen ganzheitlichen Zusammenhang gebracht werden. Auch vor diesem Hintergrund haben wir im Fachausschuss die Anhörung durchgeführt. In der Folge haben wir die einvernehmlichen Eckpunkte des vorliegenden Entschließungsantrags entwickelt.
Darin geht es zum einen um die Einführung eines Merkzeichens für Taubblinde in den Schwerbehindertenausweis. Zum anderen ist es ganz wesentlich, die Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung von Assistentinnen und Assistenten sowie von Dolmetscherinnen und Dolmetschern zu sichern und auszubauen und eine bundesweit einheitliche Finanzierungssituation zu erreichen. Herr Schwarz hat eben bereits darauf hingewiesen, dass auch die Genehmigungsverfahren für Reha-Maßnahmen und Hilfsmittel einfach und zügig gestaltet werden müssen. Wir haben jetzt sogar eine Frist von sechs Wochen in den Antrag aufgenommen.
Weitere Punkte sind die fachlich gute Beratung zur Frühförderung von Kindern in Einrichtungen und gleichzeitig auch in der Altenpflege sowie die Ermittlung des pädagogischen Bedarfs und auch, wie dieser mit Studienangeboten gedeckt werden kann.
Die jetzige Fassung des gemeinsamen Entschließungsantrags trägt unserer gemeinsamen Erkenntnis Rechnung, dass nicht nur junge Menschen, sondern alle Generationen betroffen sind. Für uns ist es dabei auch wichtig, dass wir uns für die Einführung eines Merkzeichens für Taubblinde auf Bundesebene einsetzen, damit überall gleiche Standards vorhanden sind. Gudrun Pieper verweist hier besonders auf ein Feststellungsverfahren auf der Basis des ICF, d. h. der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit.
„Nichts über uns ohne uns!“ Dieser Anspruch wird auch im zweiten Punkt des Antrags aufgenommen. Dort haben wir formuliert, dass im Aus- und Weiterbildungsbereich für Taubblindenassistentinnen und -assistenten und Dolmetscherinnen und Dolmetscher eine enge Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Blindenverband erfolgen muss und dass hier sehr viel davon abhängt, diese Zusammenarbeit gut auszugestalten, und dass auf diese Art und Weise gemeinsam die Fachkräftesicherung und deren Ausbau vorangebracht werden kann.
Neben der Forderung des Blindenverbandes gibt es eine Studie aus Nordrhein-Westfalen mit dem Titel „Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Hörschädigung in unterschiedlichen Lebenslagen“, in der ganz nüchtern ausgedrückt wird, was wir gerade auch schon hören konnten:
„Die zentrale Aufgabe besteht im Aufbau und Ausbau von Strukturen, die es gehörlosen, schwerhörigen, ertaubten und taubblinden Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen und Lebensphasen ermöglichen, unabhängig vom Wohnort, vom Einkommen und von der sozialen Stellung am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dieser Prozess sollte in enger Kooperation mit den Selbsthilfeverbänden gestaltet werden.“
Im dritten Forderungspunkt haben wir noch die Ergänzung, dass eine bundesweit einheitliche Finanzierung der Assistenzkräfte und Kommunikationsdolmetscher und -dolmetscherinnen durchgesetzt werden soll, damit hier in den Bundesländern kein Ungleichgewicht mehr entstehen kann.
Es gibt ein sehr interessantes Eckpunktepapier der Unionsfraktion auf Bundesebene zum geplanten Bundesteilhabegesetz. Darin wird gesagt, dass dieser ganze Bereich in einem Assistenzpflegesetz geregelt werden könnte. Das ist an sich eine technische Sache. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass wir das geplante Bundesteilhabegesetz als Chance nutzen sollten, die bundesweit einheitliche Finanzierung von Assistenzkräften und Dolmetscherinnen und Dolmetschern zu erreichen.
Wie bereits in der ersten Beratung dargestellt, setzt sich die CDU ausführlich und auf breiter Ebene für ein eigenes Merkzeichen für Taubblinde ein, um auf eine bundeseinheitliche Vorgehensweise abzustellen und damit einheitliche Standards zu machen. Wir sehen diesen Antrag als einen Baustein für die weitere Entscheidungsfindung.
Noch einmal mit den Worten von Gudrun Pieper: Das ist ein starkes Signal aus Niedersachsen, und wir können so auch eine Leuchtturmfunktion übernehmen. Wir wollen gemeinsam bekräftigen, dass uns die besondere Lage taubblinder Menschen sehr bewusst ist. Uns ist auch bewusst, dass dies erst ein Anfang auf dem Weg zu einem inklusiven Niedersachsen sein kann und dass wir noch einige Zeit brauchen werden, um alles das umzusetzen, was wir uns vornehmen, und um Erfahrungen aus der Praxis zu sammeln. Wir wollen dabei auch das gemeinsame Motto behinderter Menschen und von uns allen im Blick behalten: „Nichts über uns ohne uns!“
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass im Augenblick die Abstimmungsklingelanlage nicht in Betrieb ist. Das heißt, es liegt jetzt an Ihnen selbst, die Disziplin zu wahren. Sie können sich nicht darauf berufen, dass Sie hineingeklingelt werden. Geben Sie das bitte auch den Kolleginnen und Kollegen weiter, die im Moment unterwegs sind!
Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Thomas Schremmer. Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen, dass es bei diesem wichtigen Thema nun doch ein gemeinsamer Antrag geworden ist. Das unterstreicht den gemeinsamen Willen, die UN-Behindertenrechtskonvention auch für taubblinde Menschen zur Anwendung zu bringen, wobei die Kollegin Bruns mir eben im Gespräch gesagt hat: Wozu brauchen wir das eigentlich? Wir müssten das eigentlich selbst wissen.
Neben der Anerkennung des Merkmals „Taubblindheit“ geht es an dieser Stelle eindeutig um den Alltag der taubblinden Menschen. Ich frage mich im Übrigen, wieso es noch nicht eingeführt ist; denn die Rente mit 63 wird mal eben mit schlopperdihopps eingeführt; aber so ein Merkzeichen einzuführen, dauert aus irgendwelchen
Gründen zehn Jahre. Ich verstehe überhaupt nicht, dass die Große Koalition das noch nicht geschafft hat.
Viele Taubblinde leben zurückgezogen, abseits vom gesellschaftlichen Leben. Auch in den vertrauten vier Wänden gibt es immer wieder Herausforderungen, die für uns keine sind, z. B. gefahrlos zu prüfen, ob das Wasser kocht, zu prüfen, ob das Licht angelassen wurde, wenn jemand an der Tür klingelt, wenn jemand anruft, welche Farbe die Kleidung hat usw. usf. Die meisten Menschen bleiben daher bei ihren Familien wohnen, solange es geht, oder schlagen sich durch. Das ist aus unserer gemeinsamen Sicht sicherlich kein Zustand, der menschenwürdiges Leben und Teilhabe ermöglicht.
Insofern finden sie echte Teilhabe durch die Taubblindenassistentinnen und -assistenten. Wir versuchen, mit diesem gemeinsamen Antrag auch die Professionalisierung dieses Berufsstandes bzw. dieser Unterstützung durch mehr Aus- und Weiterbildung voranzutreiben. Aber man muss auch ganz klar sagen: Das Leihen von Ohren und Augen der Taubblindenassistentinnen und -assistenten kostet natürlich Geld. Von der Ausübung dieses Berufs kann man nicht leben. Deshalb ist es sicherlich außerordentlich wichtig, dass die Finanzierung dieser Assistenz über die bundesgesetzliche Ebene gesichert wird.
Lernen, die Dinge anders wahrzunehmen, müssen allerdings beide Seiten, finde ich - die Betroffenen und wir -; denn taub oder blind zu sein oder taub und blind zu sein, heißt ja nicht, stumm zu sein. Das kann man ganz gut und aktuell an einem Beispiel hier in Hannover sehen. Auf dem TheodorLessing-Platz findet sich ein Beispiel für ein Schwarmkunstprojekt, nämlich die Stachelmenschen, die dort ausgestellt werden. Es handelt sich um ganz verschiedene, etwas skurrile Skulpturen, die zusammen von Hörenden und Gehörlosen in einer Kooperation erstellt worden sind. Wie sie sich dafür zusammengetan und kommuniziert haben, finde ich beispielhaft, auch wenn es nicht jedem gefallen mag.
Außerdem gibt es Bücher von einer taubblinden Schriftstellerin - das wusste ich zuvor nicht; das habe ich recherchiert - vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts, Helen Keller. Sie hat mehrere Werke geschrieben, nachdem Sie das Lormen erlernt hatte und damit umgehen konnte. Zum
„Draußen erkenne ich durch Geruch- und Tastsinn den Grund, worauf wir gehen, und die Stellen, woran wir vorbeikommen. Zuweilen, wenn es windstill ist, sind die Gerüche so gruppiert, dass ich den Charakter einer Landschaft wahrnehme, eine Heuwiese, einen Dorfladen, einen Garten, eine Scheune, ein Bauerngehöft mit offenen Fenstern, ein Fichtenwäldchen gleichzeitig ihrer Lage nach erkenne.“
Ich finde, das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es wichtig ist, dass wir uns im Parlament vorgenommen haben, die Gruppe der taubblinden Menschen zu unterstützen. Das ist ein erster Schritt in richtige Inklusion und zeigt, wie wertvoll diese Menschen für uns gemeinsam sein können. Deswegen finde ich diesen Antrag außerordentlich gut und finde es sehr gut, dass wir ihn heute gemeinsam beschließen.
Vielen Dank, Kollege Schremmer. - Das Wort hat jetzt für die FDP-Fraktion die Abgeordnete Sylvia Bruns. Bitte, Frau Kollegin!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention haben Menschen mit Behinderungen einklagbare Rechte, vor allen Dingen das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe - und das ist auch gut so!
Thomas Schremmer hat eben ein bisschen aus dem gemeinsamen Gespräch erzählt. Wir hatten vorhin darüber geredet, dass es mich immer wieder erstaunt, dass es dafür eine UN-Behindertenrechtskonvention braucht. Für mich ist Teilhabe schon vorher möglich und sollte auch vorher möglich sein. Jeder Mensch hat ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe. Das ist im Interesse von uns allen und ein Menschenrecht. Das hätte uns auch ohne UN-Behindertenrechtskonvention klar sein müssen.
Für mich ist eine der unvorstellbarsten Einschränkungen im Leben die Taubblindheit. Hier sind wir alle gefordert, diesen Menschen die Teilhabe zu ermöglichen und ihre Lebenslage zu verbessern.
Ich denke, jetzt ist schon sehr viel von meinen Vorrednern gesagt worden. Es ist also alles gesagt, nur noch nicht von allen. Ich möchte das jetzt einfach abkürzen; denn ich möchte das alles nicht wiederholen, und würde mich gerne der Kollegin Gudrun Pieper anschließen, die sagte: Es ist ein starkes Signal aus Niedersachsen, hierbei gemeinsam voranzugehen. So setzen wir ein Zeichen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Das Wort hat jetzt für die Landesregierung Frau Ministerin Rundt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte als Erstes - vielleicht etwas ungewöhnlich - die Gelegenheit nutzen, um Sie auf einen Film aufmerksam zu machen, auf einen Film, der am 1. Januar in den deutschen Kinos angelaufen ist und sehr viel mit dem jetzigen Thema zu tun hat. Der Film heißt „Die Sprache des Herzens“. Er spielt im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau, die taubblind geboren wurde. Er ist von der Kritik sehr gut aufgenommen und auch bereits ausgezeichnet worden.
Der Film zeigt eben sehr sinnlich, worum es heute geht, und ist deswegen empfehlenswert - wie im Übrigen auch ein Besuch des Taubblindenwerks hier in Hannover-Kirchrode.
Bereits im Juli letzten Jahres war die Verbesserung der Situation taubblinder Menschen in Niedersachsen Gegenstand eines von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entschließungsantrags. Taubblinde Menschen bilden eine Gruppe, die aufgrund ihrer besonderen Behinderung nur äußerst eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben partizipieren kann.
Ein Baustein auf diesem Weg ist die Einführung des Merkmals „taubblind“; denn in der Regel werden die Beeinträchtigung von Hör- und Sehvermögen nur einzeln betrachtet und nicht in der Ge
samtschau. Bei einem Ausfall eines dieser Sinne wird dessen Funktion zumindest teilweise durch den anderen Sinn ausgeglichen. Im Falle der Taubblindheit ist dieser Ausgleich eben nicht möglich, was zu erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen führt.
Die von Niedersachsen unterstützte Einführung des Merkzeichens „taubblind“ bedeutet also eine Erleichterung für taubblinde Menschen, die