Protocol of the Session on July 25, 2014

Ich darf in diesem Zusammenhang die Landesregierung auffordern, sowohl das DIL in dem gleichen Maße institutionell zu fördern, wie es die bisherige Landesregierung getan hat, als auch den Entwicklungen im Bereich der Prozesstechnologie und Bioökonomie aufgeschlossen gegenüberzutreten. Ich glaube, auf der Regierungsbank gibt es hier und dort noch Nachholbedarf.

Aus unserer Sicht ebenfalls keine dieser angesprochenen schonenden Behandlungen ist das Bestrahlen von Lebensmitteln zur Haltbarmachung. Gerade das DIL hat in diesem Bereich auch andere Verfahrensweisen entwickelt, wie die Technologie der gepulsten elektronischen Felder, mit denen Lebensmittel schonend haltbar gemacht werden können.

Wir sollten uns über innovative, schonende Möglichkeiten zur Behandlung von Lebensmitteln informieren. Chlorieren und Bestrahlen gehört aus

meiner Sicht nicht dazu. Ich würde mich freuen, wenn wir uns in den beiden Ausschüssen, die beteiligt werden, darüber eingehend informieren.

Insgesamt sollte die Freude am Essen und Trinken im Vordergrund stehen. Jeder muss selbst festlegen können, was er essen möchte und was ihm Freude bereitet. Deswegen muss es oberste Priorität sein, dass Lebensmittel zwingend sicher sind, und nicht, dass sie zwingend gesund sind, wie es die FDP in ihrem Antrag formuliert.

Freuen wir uns also auf eine angeregte Diskussion in den zuständigen Ausschüssen, bei der unsere niedersächsischen Verbraucherinnen und Verbraucher und unsere niedersächsischen Produkte im Vordergrund stehen müssen! Regionale und frische niedersächsische Produkte verdienen einen sorgsamen Umgang. Chlorieren und Bestrahlen gehören aus unserer Sicht nicht dazu.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Calderone. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Staudte das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich muss sagen: Ich finde den Antrag der FDP-Fraktion wirklich mutig. Sie stehen konstant bei 3 % in den Umfragen und haben den Schneid, uns und der Öffentlichkeit hier heute einen Antrag zu präsentieren, mit dem Sie die sogenannten Chlorhähnchen und die Bestrahlung von Lebensmitteln legalisieren wollen. Ich finde, Sie trauen sich wirklich was.

Aber es kann natürlich auch sein, dass das letztendlich eine Auftragsarbeit von einem potenziellen zukünftigen Arbeitgeber ist und Sie gar nicht mehr mit einer Zukunft hier in diesem Parlament rechnen. Anders kann ich mir den Antrag wirklich nicht erklären.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU: Oh! - Christian Grascha [FDP]: Das ist eine Unverschämtheit! - Weitere Zurufe von der FDP - Glocke der Präsidentin)

- Wohl ins Schwarze getroffen.

Moment, bitte! - Ich bitte Sie um Ruhe. Sie alle haben die Möglichkeit, auf Frau Staudtes Ausführungen zu reagieren. Aber jetzt hat Frau Staudte das Wort. Wir fahren erst fort, wenn es hier wieder ruhig ist.

(Editha Lorberg [CDU]: Manchmal geht das aber echt zu weit!)

Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank. - Und damit das Ganze nicht zu verbraucherfeindlich wird, wird der Antrag garniert mit einem ordentlichen Schuss Transparenz und dem Versprechen, dass die Kennzeichnungspflicht verbessert werden soll. Ich empfehle Ihnen wirklich einmal, sich z. B. das Logo für die Bestrahlung von Lebensmitteln anzuschauen: Das ist ein grünes Bäumchen mit einem grünen Kreis drum herum. Das sieht aus wie eine Mischung aus Bio-Siegel und UNICEF-Symbol. Das trägt definitiv nicht zur Transparenz bei.

Sie fordern - mein Vorredner von der SPD-Fraktion hat es schon gesagt - größtmögliche Wahlfreiheit für die Verbraucher. Letztendlich meinen Sie in Wirklichkeit größtmögliche Wahlfreiheit für die Lebensmittelkonzerne, was ihre Behandlungsmethoden angeht.

Warum ist es nun so, dass nicht nur wir, sondern letztendlich auch die absolute Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher die Behandlung mit Chlordioxid so kritisch sieht? - Chlordioxid ist ein giftiges Gas mit einem stechenden, chlorähnlichen Geruch, das zwar vor 1957 tatsächlich für das Bleichen von Mehl eingesetzt wurde, inzwischen aber nur noch für das Bleichen von Papier benutzt wird.

(Unruhe bei der FDP - Christian Dürr [FDP] spricht mit Anja Piel [GRÜNE] - Glocke der Präsidentin - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Frau Staudte, es inte- ressiert uns nicht mehr, was Sie sa- gen, nach dem, was Sie uns unter- stellt haben! - Weitere Zurufe von der FDP)

- Ja, ja.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Dr. Birkner, Herr Dürr, ich bitte Sie wirklich, Frau Staudte hier ihre Ausführungen machen zu lassen und sich mit

Zwischenrufen zurückzuhalten. Sie können sich gerne anschließend zu Wort melden.

Ich gebe Ihnen ja recht: Der Antrag ist zum Aufregen.

Langzeitstudien zu der Behandlung mit Chlordioxid fehlen. Im Übrigen ist das auch ein Treibhausgas, das die Ozonschicht zerstört. Aber dass es den Klimawandel nicht gibt, haben wir ja von der FDP schon im letzten Plenum erfahren dürfen.

Eine weitere Problematik ist die Resistenzbildung. Wenn wir im großen Stil Chlordioxid einsetzen, um Lebensmittel zu behandeln, dann birgt das letztendlich die Gefahr, dass sich Resistenzen bei den Keimen entwickeln. Es ist ein evolutionärer Grundsatz, dass sich Organismen ihrer Umwelt anpassen.

(Glocke der Präsidentin)

Eine weitere Problematik ist, dass durch die chemische Dekontamination letztendlich nicht nur Pathogene abgetötet werden, sondern auch die positive Begleitflora, und dass sich diese schlechten Krankheitserreger dann, wenn es zu einer erneuten Kontamination kommt, mangels fehlenden Konkurrenzdrucks besseren Wachstumsbedingungen erfreuen können. Das sind letztendlich Aussagen des von Ihnen zitierten Bundesamtes für Risikobewertung, die Sie, Herr Grupe, hier leider unterschlagen haben.

Ich kann mich meinem Vorredner von der SPDFraktion anschließen: Mit uns wird es keine Chlorhähnchen auf dem Teller geben. Wir wollen eine saubere Produktionskette von Anfang bis Ende, in der Keime schon vorher vermieden werden. Da befinden wir uns auch in guter Gesellschaft mit Frau Aigner von der CSU.

(Glocke der Präsidentin)

- Nur noch ein Satz zur Bestrahlung von Gewürzen und Kräutern. Das ist ja im Moment noch erlaubt.

Das muss dann Ihr letzter Satz sein, Frau Staudte.

Wir wollen, dass es dabei bleibt und dass diese Erlaubnis nicht auf Obst, Gemüse und Fleischprodukte ausgedehnt wird; denn letztendlich wird mit der Bestrahlung nur eine nicht vorhandene Frische vorgegaukelt und wird der Verderb kaschiert. Wir

wollen, dass man an den Produkten erkennt, ob sie frisch oder alt sind, und dass sie nicht einfach nur so behandelt werden, damit wir sie dreimal um die Welt schippern können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Zu einer Kurzintervention erteile ich nun Herrn Kollegen Grupe für die FDP-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Miriam Staudte, dem letzten Satz kann ich ja voll und ganz zustimmen: Auch wir wollen frische, gute und gesunde Lebensmittel wie Gemüse usw.

Ihr Vortrag gibt mir die Gelegenheit, vielleicht ein Missverständnis aufzuklären: Es geht uns nicht darum, dem Verbraucher vorzuschreiben, dass er nur noch Chlorhühnchen oder nur noch bestrahlte Lebensmittel zu sich nehmen soll. Das ist überhaupt nicht unser Ansatz.

Wir möchten, dass der Verbraucher gesunde und vor allen Dingen ungefährliche Lebensmittel bekommt. Wenn Sie uns Lösungen nennen, die, wie Christian Calderone es gesagt hat, das verträglich, ganz sanft usw. machen, die aber auch garantieren, dass es keine tödlichen Erreger auf Lebensmitteln gibt, dann sind wir doch völlig einer Meinung. Wir wollen das Ziel erreichen. Wir wollen dem Verbraucher die Informationen darüber geben, und der Verbraucher entscheidet - auch das will ich dazu sagen -, ob er ein Risiko eingeht und ob er das Gemüse frisch isst.

Ich bin mit dem Auto hierher gekommen. Im Straßenverkehr passieren auch tödliche Unfälle. Die, die mit dem Auto hier sind, fahren wieder mit dem Auto zurück. Das kann ich aber selber beurteilen und einschätzen. Bei Lebensmitteln möchte ich auch diese Sicherheit haben, und zwar keine vorgetäuschte Sicherheit, sondern eine wirklich garantierte, dass ich mir nicht irgendwelche Keime einfange, die mich schwer gesundheitlich schädigen oder die mein Leben beenden. Darum geht es!

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der SPD: Sie verdrehen ja alles! Sie ver- drehen ja komplett alles!)

Vielen Dank. - Frau Staudte antwortet Ihnen, Herr Grupe.

Sehr geehrter Herr Grupe, es wird nie eine absolute Sicherheit bei Lebensmitteln geben. Aber wir wollen im Unterschied zu Ihnen, dass die gesamte Produktionskette betrachtet und so sauber wie möglich gearbeitet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn wir nur zum Schluss ein bisschen Chlor rübersprühen, dann laufen wir Gefahr, dass vorher bei der Produktion mehr geschludert wird als bisher.

Im Übrigen noch ein Satz zur Kennzeichnung: Wir werden nicht die Möglichkeit haben, alles immer komplett zu kennzeichnen. Wenn Sie als Verbraucher in ein Restaurant gehen, können Sie auch nicht mehr erkennen, welche Produkte dort verwendet worden sind, ob es sich um ein Chlorhähnchen oder um ein normales Hähnchen handelt. Deswegen sind der Kennzeichnung Grenzen gesetzt, und wir als Gesetzgeber müssen bestimmte Vorgaben machen.

Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat nun Herr Landwirtschaftsminister Meyer das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte nicht gedacht, dass ich meine wahrscheinlich letzte Rede in diesem Plenarsaal vor der Renovierung zu der Forderung der FDP nach Legalisierung von Chlorhühnern und ionisierender Strahlung halten muss, vor allem im Hinblick auf ein geplantes Freihandelsabkommen mit den USA. Die USA brauchen nicht die NSA, um diese Debatte zu verfolgen, sondern können sich einfach des Livestreams bedienen.

Ronald Schminke hat es angesprochen: In der EU ist die Anwendung von chemischen Substanzen zur Oberflächenbehandlung von Geflügelfleisch zu Recht nicht zulässig, also verboten.

Herr Kollege Grupe, zu Ihrem Vergleich mit dem Auto: Verbraucherschutz hat immer seine Grenzen, und die Wahlfreiheit hat auch immer ihre Grenzen. Man kann auch nicht einfach sagen,

wenn einer ein Auto ohne Bremsen und Gurte kaufen will, dann ist das seine freie Entscheidung, sondern es muss natürlich, wie es die Kollegin Staudte angesprochen hat, staatliche Regeln zum Schutz der Verbraucher und der Allgemeinheit geben.