Protocol of the Session on July 25, 2014

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Es gibt noch eine weitere Antwort. Herr Innenminister Pistorius, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich würde das gerne um den Hinweis ergänzen, dass uns die Nachwuchsgewinnung für die öffentliche Verwaltung wesentlich leichter fiele, hätte die Vor

gängerregierung nicht die eigene Ausbildung in Hildesheim abgeschafft.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN - Björn Thümler [CDU]: Ach so!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Fragen liegen nicht vor. Damit ist die Fragestunde für diesen Tagesabschnitt beendet.

Die Antwort der Landesregierung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden, wie immer, nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Verbraucherschutzstandards zum Schutz der Bevölkerung erweitern - Klare Informationen über Qualität und Gesundheitsstatus der Produkte garantieren - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/1743

Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen Hermann Grupe, FDP-Fraktion, das Wort. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag verfolgt das Ziel, den Verbraucherschutz durch klare Informationen und eindeutige Kennzeichnungen zu verbessern.

Der Verbraucher bzw. die Verbraucherin hat gerade in letzter Zeit eine ganze Reihe von Ereignissen zu registrieren und zu bewerten: zum einen eine Reihe von Lebensmittelskandalen, zum anderen Diskussionen über die Frage, ob der freie Handel mit Waren den Verbraucherschutz gefährdet.

Auf den Verbraucher strömt eine Vielzahl von Meinungen, Überzeugungen und Anschauungen ein. Was oftmals fehlt, sind objektive Fakten, anhand derer sich der Verbraucher ein eigenes Bild machen und ein eigenes Urteil bilden kann, wie er die Dinge für sich selbst bewertet.

Viele Verbraucher - das wurde hier schon häufig bemängelt - sind durch eine ganze Reihe von mehr oder weniger gravierenden Skandalen im

(Die Antworten zu den Anfragen 2 bis 6 und 8 bis 70, die nicht in der 43. Sitzung des Landtages am 25.07.2014 behandelt und daher zu Protokoll gegeben wurden, sind in der Drucksache 17/1825 abgedruckt.)

Lebens- und Futtermittelbereich verunsichert. Ich nenne nur die Stichworte „Aflatoxin“, „Pferdefleisch im Rindfleisch“, „überhöhte Besatzdichten in Hühnerställen“.

Eine gesundheitliche Gefährdung des Verbrauchers hat es hier zum Glück nie gegeben, allerdings eine Täuschung des Verbrauchers über Qualität und Identität von Lebensmitteln. Das ist nicht in Ordnung. Es ist entsprechend zu ahnden und zu sanktionieren. Ich denke, da sind wir uns alle einig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wie aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehen wir mit den wirklichen Gefährdungen ganz anderer Dimension um?

Die EHEC-Tragödie ist erst drei Jahre her. 3 843 Menschen sind zum Teil schwer erkrankt. Dutzende sind zu Dialysepatienten geworden und warten zum Teil noch heute auf eine Spenderniere. 53 Menschen sind bei dieser Tragödie ums Leben gekommen. Das ist der einzige Lebensmittelskandal in Deutschland, bei dem es jemals Tote zu beklagen gab - ausgelöst durch Krankheitserreger, die auf Biosprossen aus Ägypten, die auf einem Ökobauernhof in Bienenbüttel ausgekeimt und dann verkauft wurden und diese tödliche Krankheit ausgelöst haben.

Ich will ausdrücklich und sofort betonen, dass das selbstverständlich kein spezifisches Problem von „Öko“ oder „Bio“ ist. Das hätte in allen Bereichen stattfinden können. Aber diese Bereiche sind eben auch nicht gefeit dagegen. Sie haben ebenso unter Skandalen und Problemen zu leiden - Stichwort „Dioxin“ - wie die konventionelle Landwirtschaft.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wusste bis vor einigen Monaten nicht, ob und in welcher Art und Weise man diese sehr gravierenden Erreger bekämpfen kann. „Ionisierende Strahlung“ ist das Stichwort.

Herr Verbraucherschutzminister, Sie sind ja hier in letzter Zeit oft als glühender Anhänger der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner von der CSU aufgetreten und haben sie für Ihre Politik in Anspruch genommen. Wir haben beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz die Information gefunden, dass es sich hierbei um eine sehr schwache Strahlung handelt, die keine Radioaktivität erzeugt.

In Deutschland ist bisher nur die Behandlung von Kräutern und Gewürzen erlaubt. In anderen EULändern ist es teilweise erheblich mehr, z. B. auch die Behandlung von Geflügel und gefrorenen Garnelen.

Salmonellen, Mikroorganismen und eben auch der EHEC-Erreger sind sicher zu bekämpfen. Das ist eine Möglichkeit, hier Sicherheit zu schaffen, und wir möchten gerne, dass dem Verbraucher die Möglichkeit eröffnet wird und er selbst entscheiden kann, ob und welche Lebensmittel er konsumieren will.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In den letzten Monaten ist ja auch sehr emotional über die sogenannten Chlorhühnchen diskutiert worden. Auch diesen Begriff kannte ich bis vor einigen Monaten nicht. Es handelt sich um eine Behandlung zur Entkeimung von Lebensmitteln mit Chlordioxid.

In der Diskussion hat eine Bekannte zu mir gesagt: „Willst du denn diese mit Chlor vollgepumpten Hühner essen?“ - Das ist das Bild, das gezeichnet worden ist, meine Damen und Herren! Ich habe gesagt: „Du bist ja eine totale Expertin in Hygienefragen, das sehe ich schon. Ich weiß das nicht so genau.“

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) empfiehlt jedenfalls eine solche Behandlung des Geflügelfleisches als eine zusätzliche Möglichkeit, hygienisch einwandfreie Lebensmittel zu produzieren und zur Verfügung zu stellen, und Professor Fries, Leiter des Instituts für Fleischhygiene und -technologie an der FU Berlin, spricht von einer zusätzlichen Möglichkeit, im Zweifelsfall Salmonellen, aber auch einfache Campylobacter - also Magen- und Darminfektionen hervorrufende Erreger - zu bekämpfen.

70 000 Fälle werden in Deutschland genannt. Der ein oder andere wäre vielleicht froh, wenn es ihn nicht treffen würde. Das ist in den meisten Fällen nichts Schlimmes.

(Zuruf von Anja Piel [GRÜNE])

- Frau Piel winkt schon ab. In einigen Fällen aber, meine Damen und Herren, hat auch das ernste Folgen. Mit Blick auf Kleinkinder, Schwangere und Senioren sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem sollte man den Menschen die Entscheidungsfreiheit lassen, welche Art und Weise der Hygienisierung sie bevorzugen.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, bei sehr ernsten gesundheitlichen Gefahren wie EHEC müssen wir jede Möglichkeit ausschöpfen, dem Verbraucher Systeme anzubieten, wie er Lebensmittel sicher konsumieren kann. Wer wirksame Hygienemaßnahmen nur aus ideologischen Gründen oder aus vordergründiger Polemik ablehnt und sie diskreditiert, muss das dann gegenüber dem Verbraucher verantworten. Der Verbraucher selbst sollte derjenige sein, der die Entscheidung darüber trifft, welche Art von Lebensmitteln er konsumieren will.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kommentiert zum Thema: „EHEC kann überall auftreten“, „Der nächste Ausbruch kommt bestimmt“ und „Es verbietet sich, Gefahrenquellen aus ideologischen Gründen freizusprechen. Es geht um Menschenleben“.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt die Bestrahlung von Lebensmitteln aus hygienischen Gründen z. B. für Geflügelfleisch. Ich zitiere den Finanzminister, Herrn Schneider, der in seinen Ausführungen sinngemäß sagte: „Wer glaubt, dass die Weltgesundheitsorganisation über Gesundheitsfragen bei Nahrungsmitteln etwas zu sagen hat, irrt natürlich vollständig. Das machen hier Herr Meyer aus Holzminden und die Grünen aus seiner Fraktion.“

Herr Grupe, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen!

Sehr gerne, Frau Präsidentin. - Mehr objektive Informationen und klare Fakten müssen die Prämissen eines modernen, zeitgemäßen Verbraucherschutzes sein. Wir wollen nicht vorschreiben, welche Produkte der Verbraucher konsumiert.

Glauben Sie mir, meine Damen und Herren: Der mündige Bürger - um Willy Brandt zu zitieren - kann das für sich selbst bewerten und entscheiden.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Für die SPDFraktion hat nun Herr Kollege Schminke das Wort. Bitte!

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Jetzt kommt Verbraucherschutz pur!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Grupe, ich bin etwas erstaunt, dass Sie hier Lebensmittel- und Futtermittelskandale anführen, zumal Sie doch sonst immer der Meinung sind, dass wir solche Skandale so gut wie gar nicht haben. Jetzt aber werden sie von Ihnen hier erstmalig genannt, und das überrascht uns.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPD wird kein TTIP-Verhandlungsergebnis akzeptieren, wenn es zu einer Absenkung der europäischen und der deutschen Standards beim Verbraucherschutz, bei der Lebensmittelsicherheit, beim Umwelt- und Klimaschutz sowie beim Datenschutz führt. Das ist für uns nicht verhandelbar. Deshalb werden wir den FDP-Antrag mit gesammelter Regierungsmacht ablehnen,

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

weil dieser Antrag einzig darauf abzielt, bestehende Standards zu verschlechtern. Das ist nämlich das Ziel.

Sie erklären im ersten Absatz, Sie wollen Verbraucherschutzstandards als Mindeststandards erhalten. Dazu sagen wir: prima. Daran arbeiten wir, und das ist auch unser Ziel. Spätestens dann, wenn Sie in den folgenden Absätzen aber Ihr FDPtypisches Vokabular verwenden und mit „Eigenverantwortlichkeit“ und „größtmöglicher Wahlfreiheit der Verbraucher“ argumentieren, sind wir hellwach; denn das kennen wir bereits. Mit solchen Begrifflichkeiten wollten Sie schon in der Vergangenheit immer nur Standards, Tarife oder Sozialgesetze aufweichen. Das aber läuft mit uns nicht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch diesmal zeigen Sie Verlässlichkeit, weil Sie mit Ihrem Antrag die Türen für die Chlorbehandlung von Geflügelfleisch - Sie haben es ja gerade erzählt - öffnen wollen, obwohl Sie nur zu gut wissen, dass die chemische Oberflächenbehandlung von Geflügelfleisch in der EU verboten ist.