Herr Kollege Grascha, ich möchte auf Zweierlei aufmerksam machen. Zum einen haben Sie am Anfang gesagt, es wäre vielleicht gut, wenn es auch Anträge von einzelnen Abgeordneten der
verschiedenen Fraktionen gäbe. Dieser Vorschlag von Ihnen ist beiläufig gekommen, ist aber ein ganz wichtiger Gedanke - ich will nicht sagen, dass das so sein soll -, weil er davon zeugt, dass es in diesem Haus sehr wichtige Anliegen gibt, die nicht in das Schema „hier die Regierungsfraktionen und da die Oppositionsfraktionen!“ passen,
Nichts gegen VW, aber es geht nicht nur dann darum, wenn es um Arbeitsplätze bei VW geht. Es geht auch um das Klima in dieser Gesellschaft.
Und ich sage Ihnen noch eines. In dieser Hinsicht ist mir der gesamte Änderungsantrag in der Diskussion bis jetzt nicht genug wahrgenommen worden. Es geht nicht darum, die mangelnde kirchliche Akzeptanz zu heilen. Nein! Es geht darum, einen ehemaligen kirchlichen Feiertag als einen Tag - und zwar nicht nur darum, arbeitsfrei zu haben; dann müssten wir weitgehend auch die anderen Feiertage, die die Menschen häufig nur als arbeitsfreie Tage sehen, abschaffen - zu nutzen, um uns diesem Auftrag der Verständigung und der Versöhnung zu widmen - ein Auftrag, der bewusst auch von der Politik formuliert werden muss. Wir können doch so etwas nicht einfach nur den Kirchen überlassen! Wir haben doch eine Verantwortung für das Klima in unserer Gesellschaft. Deshalb möchte ich, dass dieser Impuls von hier ausgeht. Und die Fragen, was im interreligiösen Unterricht auf dem Lehrplan steht, sind der zweite, der dritte und der vierte Schritt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock, in der Tat würde ich es begrüßen, wenn wir in dieser Frage zu einer grundsätzlichen Debatte kämen, in der jeder sozusagen seinem Gewissen folgen kann und wir hier nicht über Fraktionsgrenzen am Ende diskutieren. Aber dafür ist es natürlich erforderlich, dass man zwischen den Fraktionen erst einmal die Debatte führt.
Es gab von Rot-Grün - ich gebe Ihnen durchaus recht - ja keinen Änderungsvorschlag. Insofern gab es auch nicht die Möglichkeit, hier überhaupt über einen fraktionsübergreifenden Antrag zu sprechen. Wie gesagt, meine Vorstellung, meine Idee, ging ja auch in eine andere Richtung.
Zu der Frage: Sollte die Politik das Signal setzen, einen zusätzlichen Feiertag einzurichten? - Ich denke, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wir müssen gemeinsam mit den Kirchen daran arbeiten, die Akzeptanz von Religion und Kirche in der Gesellschaft entsprechend zu erhöhen. Das ist natürlich insbesondere die Aufgabe der Kirchen und der Religionsgemeinschaften in der Gesellschaft. Wenn dieser Diskurs geführt worden ist und er dann auch mit den Beteiligten hier im Landtag geführt worden ist, dann kann man natürlich auch darüber diskutieren, einen Feiertag einzurichten. Aber dieses ganze Verfahren umzudrehen, ohne dass die Beteiligten intensiv in diesen Diskussionsprozess mit eingebunden wurden, halte ich für den falschen Weg.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist im Kultusausschuss beispielhaft intensiv behandelt und in einer umfangreichen Anhörung, die von großer Sachlichkeit und von großem Respekt gegenüber allen Beteiligten geprägt war, auf den Prüfstand gestellt worden. Das Fazit lautet allerdings: Er wurde gewogen und als zu leicht befunden. Das gilt für die Ursprungsfassung ebenso wie für die heute vorliegende Änderungsfassung. Das hat verschiedene, allesamt sehr ernst zu nehmende Gründe.
Erstens. Der Antrag ist ungenau formuliert, und zwar bereits in der Überschrift. In der Anhörung, um nur ein Beispiel zu nennen, führte Herr Fürst für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen aus: Die Überschrift mit ihrer alleinigen Zentrierung auf Christentum und christliche Kirchen verstöre einen Juden doch schon etwas. Die christliche Botschaft komme schließlich von jemandem, der ganz unstreitig Jude war. Herr
Fürst machte für die Überschrift den Gegenvorschlag: Bedeutung der Religionen in der Gesellschaft. - Diese Anregung wurde nicht aufgegriffen.
Zweitens. Der Antrag schwankt auch weiter terminologisch und inhaltlich zwischen wenig durchdachter Verengung und angemessener Offenheit, ist also unpräzise sowohl in der Begrifflichkeit - Kirche, Religion, Konfession, Weltanschauung - als auch in inhaltlichen Aussagen. Auch hier nur ein Beispiel von vielen möglichen. In der Begründung heißt es an einer Stelle:
„soll auch in Zukunft ein am Christentum orientiertes Menschenbild und Wertesystem vermittelt werden.“
Sie mögen die Auffassung vertreten, dass sich diese Sätze nicht ausschließen. Dass sie aber von unterschiedlichen Grundhaltungen ausgehen, dürfte schwer zu bestreiten sein. Der Antrag ist in sich also nicht konsistent.
Drittens. Der Antrag enthält sachliche Fehler, die nicht korrigiert wurden. Hingewiesen habe ich bereits darauf, dass die Nrn. 1 bis 4, in denen es z. B. um die Fortschreibung des Loccumer Vertrages und des Konkordats geht, nicht falsch und nicht schädlich, aber sämtlich überflüssig sind. Sie fordern Haltungen ein, die seit Jahrzehnten zum Grundverständnis jeder Regierung in Niedersachsen gehören. Einfach falsch aber ist es, wenn der Antrag in Nr. 5 fordert, den Religionsunterricht auf alle Schuljahrgänge und alle Schulformen auszuweiten. Damit wird behauptet, es gebe da eine Lücke. Diese gibt es bezüglich des Religionsunterrichtes nicht,
wohl aber bezüglich der Alternative „Werte und Normen“. Dieses Fach sollte - auch das war mehrfach Thema der Anhörung - als Alternative in der Grundschule eingeführt werden. Das ist Weiterentwicklung, wie wir sie uns vorstellen. Auch bei diesen Punkten wurde keine Korrektur vorgenommen.
Viertens. Die zentrale Forderung, die Einführung des Reformationstages als regelmäßiger gesetzlicher Feiertag wurde in der Anhörung so wenig unterstützt, nicht oder nicht nur, weil aus jüdischen Gemeinden oder muslimischen Verbänden der Vorrang anderer Feiertage reklamiert worden wäre, dass er von der Antrag stellenden Fraktion fallengelassen wurde. Danach wäre eigentlich nur noch ein Zurückziehen des Antrages sinnvoll gewesen.
Fünftens. Stattdessen brachte die CDU-Fraktion einen neuen eigenen Änderungsvorschlag ein, in dem nunmehr die Wiedereinführung des Buß- und Bettages als gesetzlicher Feiertag gefordert wird. Das hat zwar einen gewissen Charme. Herr Grascha sagte das auch schon. Denn tatsächlich stand die Abschaffung dieses Feiertages in den 90er-Jahren allein unter dem Primat finanzieller Erwägungen im Zusammenhang mit der Einführung der Pflegeversicherung.
Das plötzliche Umschwenken auf diesen Tag erweckt aber gleichzeitig den fatalen Eindruck der Beliebigkeit. Wenn Herr Professor Bernard als Vertreter des Katholischen Büros diesen Tag in der Anhörung ins Gespräch brachte, dann als Denkanstoß. Wenn er auf Nachfrage weiter den Dreikönigstag nannte und sinngemäß ausführte, anbieten könne er ferner Fronleichnam und Allerheiligen, Niedersachsen würden in diesem Fall Bayern überrunden, dann müssen Sie als Antragsteller immer eine feine Ironie mitdenken. Aber ein Augenzwinkern kann man nicht mitschreiben - schade.
Sechstens. Das plötzliche Umschwenken auf den Buß- und Bettag passt aber auch nicht zur Geschichte der Diskussion um diesen Feiertag im Niedersächsischen Landtag, zur Beschlusslage des Landtags und der CDU selbst.
Im Landtag wurde im Jahre 1994 im Zusammenhang mit der Einführung der Pflegeversicherung ein Entschließungsantrag beschlossen, der unter Nr. 2 den Satz beinhaltete: Der Landtag betrachtet die Abschaffung eines Feiertages zur Finanzierung dieser Pflegeversicherung als eine derzeit unvermeidbare, aber zutiefst unbefriedigende Lösung.
Später, unter Nr. 4. heißt es: Falls eine anderweitige Finanzierung gelingt, wird der Landtag die Streichung des Buß- und Bettages als Feiertag wieder rückgängig machen.
Das war ein Antrag der CDU-Fraktion. Es wird Ihnen aufgefallen sein, dass die dort genannte Bedingung mitnichten erfüllt ist. Wenn man sich schon an die Problematik dieser Feiertagsdebatte erinnert, dann bitte ganz.
Siebtens. Noch bedeutsamer ist allerdings die grundsätzliche Frage, ob es Angelegenheit des Staates ist, einen christlichen Feiertag zu einem staatlichen zu machen und sich gleichzeitig anzumaßen, ihn mit Sinn zu füllen. Die Verfassung der Bundesrepublik - mehrere Stellungnahmen weisen darauf hin - ist geradezu dadurch geprägt, dass es in Deutschland gemäß den Formulierungen, die Artikel 140 des Grundgesetzes schon aus der Weimarer Verfassung übernimmt, keine Staatskirche gibt, aber andererseits auch keine laizistische Grundsatztrennung von Staat und Religion, sondern eine wechselseitige Unabhängigkeit, wie Wolfgang Huber es formuliert hat.
Da ist die mehrfach gestellte Frage nur allzu berechtigt, ob sich der Staat oder ein Land nicht überhebt, wenn es einen neuen Feiertag wieder einführt und ihn als Gebetstag der Religionen selbst mit Sinn zu füllen sucht, zumal wenn gleichzeitig die Sinnentleerung vorhandener christlicher Feiertage immer weiter voranschreitet. Die Vatertagstouren an Christi Himmelfahrt sind dafür nur ein, aber ein schlagendes Beispiel.
„Die bereits bestehenden christlichen Feiertage wieder neu mit ihrem ureigensten Inhalt zu füllen, scheint uns dringender geboten, als allein einen weiteren Feiertag einzufügen.“
Meine sehr geehrte Damen und Herren, Ihr Anliegen ist ehrenwert, zumal wenn wir es als den Wunsch verstehen dürfen, die Bedeutung von Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften für den Dienst am Gemeinwohl zu würdigen und zu unterstützen. Daraus ist aber kein guter Antrag geworden. Er kann auch nicht durch die
eine oder andere Alternativformulierung geheilt werden, wie es von Herrn Thiele im Ausschuss angedeutet wurde. Daher kann er von der SPDFraktion nur abgelehnt werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Poppe. - Auch auf Ihre Ausführungen gibt es eine Kurzintervention von Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock. Bitte!
Herr Kollege Poppe, es verwundert natürlich, dass Sie sagen, der Antrag sei ehrenwert, nachdem Sie - erfolglos - versucht haben, nachzuweisen, wie viel dummes Zeug und wie viel Falsches er enthält. Dann würde ich ihn doch nicht als ehrenwert bezeichnen.
Sie erwecken den Eindruck - wir sind ja auch von Hause aus Kollegen -, dass Sie diesen Antrag eigentlich ganz gut finden, aber auf Note 5 kommen wollen. Das hat man sehr deutlich gemerkt.