Protocol of the Session on July 24, 2014

Deswegen war es gut und richtig, dass wir im Innenausschuss darüber informiert wurden. Hierzu ein kleiner Hinweis - das haben wir aber auch schon im Ausschuss geklärt -: Wir hätten uns gewünscht, dass der Innenausschuss auch als Erstes informiert worden wäre. Einige Mitglieder des Innenausschusses wurden nämlich auf anderen Veranstaltungen auf dieses Projekt angesprochen, als sie selber noch nicht von der Landesregierung entsprechend informiert worden waren.

Am Ende konnten wir aber feststellen, dass wir im Zusammenhang mit der Anhörung noch gute Anregungen bekommen haben, insbesondere in Bezug auf die Integrationslotsen. Dass wir diesen Punkt noch mit aufgenommen haben, finde ich gut. Es ist auch ein guter Auftrag an die Landesregierung, das noch weiter in das Projekt einzubeziehen.

Schade ist, dass nur neun Kommunen mitmachen können. Man wird ja sehen, wie gut das läuft. Vielleicht können dann noch andere Kommunen einsteigen oder zumindest davon profitieren.

Ein Punkt, den wir gemeinsam besprochen haben, betraf den Hinweis der kommunalen Spitzenverbände, die sogenannte Vorintegrationsphase noch mit in diesen Antrag oder in das Projekt aufzunehmen. Wir haben uns gemeinsam noch einmal sachkundig gemacht. „Vorintegrationsphase“ bedeutet, schon im Ausland mehr Integrationsmaß

nahmen durchzuführen. Das haben wir als nicht zielführend für das Projekt angesehen und deswegen diesen Punkt weggelassen. Trotzdem haben wir die Wichtigkeit dieser Vorintegrationsmaßnahmen im Ausschuss noch einmal gewürdigt.

Abschließend möchte ich noch den Hinweis geben, den ich bei diesen Themen regelmäßig gebe; denn bei der Ausländer- und Asylpolitik sind immer die Kommunen involviert. Es ist dringend geboten, dass wir die an die Kommunen zu zahlenden Pauschalen für Asylbewerber anheben. Die Gelder reichen nicht aus. Das sagen die Kommunen uns schon seit längerer Zeit. Darüber müssen wir in Zukunft reden. Wir müssen die Kommunen verstärkt bei der Aufgabe unterstützen, die zusätzlichen Flüchtlinge in ihrer Gemeinschaft unterzubringen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist ein wichtiges Anliegen. Auf diesen wichtigen Punkt darf man auch hier in diesem Zusammenhang hinweisen. Dort dürfen wir die Kommunen nicht alleinlassen.

Abschließend sage ich noch einmal: Gemeinsam werden wir die Beschlussempfehlung beschließen. Wir freuen uns darauf, spätestens in zwei Jahren von der Landesregierung über die Ergebnisse unterrichtet zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Focke. - Für die Landesregierung hat Frau Sozialministerin Rundt um das Wort gebeten. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Willkommenskultur ist ein wichtiger Pfeiler der Migrations- und Teilhabepolitik der Landesregierung. Dazu gehören eine humanitäre Flüchtlings- und Asylpolitik sowie ein eindeutiges Ja zur Einbürgerung und ein eindeutiges Ja zur Mehrstaatigkeit, aber auch stärkere Serviceorientierung und interkulturelle Ausrichtung, und zwar nicht nur in den Ausländerbehörden. Es geht um Respekt, um Offenheit, um Empathie und um Akzeptanz gegenüber den Menschen, die gerade frisch zuwandern oder bereits länger zugewandert sind.

Der Staat hat dabei eine Vorbildfunktion. Das heißt, unsere Ausländerbehörden sind die Visitenkarten unseres Landes, sowohl institutionell als auch menschlich. Sie sind der erste Eindruck, den Menschen haben, die nach Niedersachsen zuwandern und zukünftig hier leben wollen. Sie sind eben nicht nur das Symbol ordnungsrechtlichen Handelns, sondern auch das Symbol der Unterstützung dieser Menschen. Nicht zuletzt deshalb ist das Ganze beim Sozialministerium angesiedelt.

Wir haben im April dieses Jahres aus 22 Bewerbungen 9 Kommunen ausgewählt und ein Pilotprojekt gestartet. Dort begleiten wir die Ausländerbehörden in den nächsten zwei Jahren auf dem Weg zu einer immer stärkeren Serviceorientierung, zu gelebter Willkommenskultur und ausgeprägter Mittlerfunktion. Die im Rahmen dieses mit viel Engagement und Initiative angelaufenen Pilotprojekts gesammelten Erfahrungen werden wir dokumentieren, evaluieren und praxisorientiert landesweit verfügbar machen, sodass letztlich alle Ausländerbehörden davon profitieren - und damit auch alle zugewanderten Menschen.

Dieses Projekt und die ihm zugrunde liegende Philosophie passen genau in das Gefüge unserer Förderung von Teilhabestrukturen in Form der bei den Kommunen neu eingerichteten Koordinierungsstellen Migration und Teilhabe sowie des ehrenamtlichen Engagements z. B. unserer Integrationslotsen. Wir schaffen ein Teilhabemanagement vor Ort, und zwar aus einer Hand.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße und unterstütze daher den vorliegenden Entschließungsantrag. Es freut mich sehr, dass er von allen Fraktionen mitgetragen wird. Besser kann sich ein Paradigmenwechsel, insbesondere ein gemeinsamer Paradigmenwechsel hier in Niedersachsen, was den Umgang mit zugewanderten Menschen betrifft, gar nicht zeigen. Dieser gemeinsam unterstützte Antrag ist da eine gute Symbolik. Er ist gut für unser Land Niedersachsen, für unser buntes Niedersachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ich schließe die Beratung und komme zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der sich aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann haben Sie einstimmig so beschlossen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung: Visafreiheit für türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ermöglichen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1755

Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen Onay, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Bitte!

(Unruhe)

- Einen Moment, bitte, Herr Kollege. - Ich bitte noch einmal um etwas Ruhe. Das gilt auch für die hinteren Reihen auf der linken Seite. - Sie sind gemeint.

(Zurufe von der SPD: Wer?)

Vielen Dank. - Bitte, Herr Kollege!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Als letzten Tagesordnungspunkt behandeln wir jetzt ein Thema, das ganz gut in die Vorurlaubszeit passt; denn es geht um Visafreiheit für türkische Bürgerinnen und Staatsbürger.

Nicht wenige Menschen aus Deutschland werden ihren Urlaub im Süden Europas verbringen, so auch in der Türkei. Für deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ist es ein Leichtes, in die Türkei zu reisen. Sie brauchen lediglich einen Flug und einen Reisepass oder einen Personalausweis, der übrigens schon einige Monate abgelaufen sein kann. So leicht kann man als deutsche Staatsbürgerin und deutscher Staatsbürger in die Türkei einreisen.

(Christian Dürr [FDP]: Ist das wirklich so?)

- Ja, das ist richtig.

Schwieriger ist es allerdings für türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, obwohl es rechtlich gesehen, vor allem europarechtlich, anders sein müsste. Das sogenannte Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und damit auch Deutschland sieht nämlich eine andere Praxis vor, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das Abkommen wurde damals im Geiste einer Annäherung und einer besseren Verbindung, im Geiste der Freundschaft geschlossen. Tatsächlich sehen wir heute, dass die millionenfache Verbindung zwischen Deutschland und der Türkei sowohl hier in Deutschland als auch in der Türkei das Leben beeinflusst. Sie befruchtet beide Seiten sehr positiv und ist auf beiden Seiten gar nicht mehr wegzudenken. Wenn man sich allerdings das Visaregime der Bundesregierung der letzten Jahre anschaut, könnte man fast den Eindruck gewinnen, als versuchte die Bundesregierung, diesen freundschaftlichen Geist des Assoziierungsabkommens zu sabotieren; denn - obwohl es dazu entsprechende Rechtsprechung gibt - es gibt keinerlei Bewegung aufseiten des deutschen Visaregimes.

Erst letztlich - in diesem Monat - hat es wieder ein EuGH-Urteil geben müssen, um festzustellen, dass das Erfordernis im Ausland nachgewiesener Sprachkenntnisse für den Ehegattinnen- oder -gattennachzug nicht mit dem Assoziierungsabkommen vereinbar ist. Das ist ein sehr wichtiges Urteil, ein Sieg für die Liebe, wenn man das so nennen will. Liebende soll man nicht trennen. Ehegatten können besser Deutsch lernen, wenn Sie hier in Deutschland sind. Hier sind die Voraussetzungen besser. Hier sind sie nicht getrennt. Das ist also ein sehr wichtiges Urteil in diesem Sinne.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber auch im Bereich der Wirtschaft ist es mit dem Visaregime nicht weniger schlimm. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat das Visaregime erst letztens wieder gerügt. Aber auch das wichtige Urteil, das als sogenanntes Soysal-Urteil bekannt wurde, ist hier zu nennen. Alle diese Urteile beziehen sich auf die sogenannte Stillhalteklausel.

Die Stillhalteklausel kam in den 80er-Jahren zum Assoziierungsabkommen hinzu. Sie besagt, dass die Situation, wie sie damals bestand - auch des Visaregimes - eingefroren werden muss. Damals gab es keine Visapflicht für türkische Staatsbürge

rinnen und Staatsbürger. Mittlerweile ist sie eingeführt worden. Somit gibt es einen Rückschritt. Somit ist die Stillhalteklausel durch Deutschland verletzt worden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir sehen die schlechten Wirkungen, die diese Regelung entfaltet. Wir haben das gesehen, als wir mit der Delegation mit Herrn Ministerpräsident Weil in der Türkei waren, als immer wieder betont wurde, dass sich die Wirtschaft schwertut, Kontakte nach Deutschland und auch nach Niedersachsen zu intensivieren, weil das Visaregime derart restriktiv ist, dass die Menschen nicht einfach einreisen können.

Gegipfelt hat das in der Äußerung des Präsidenten der Handelskammer in Konya, die mir immer noch in den Ohren nachklingt. Er sagte: Liebe Freundinnen und Freunde aus Deutschland, keine Sorge: Wir wollen nicht bei euch bleiben, wir wollen Kontakte zu euch. Wir haben hier genug zu tun. Wir werden auch wieder zurückreisen. Ihr braucht keine Angst vor uns zu haben. - Damit wird uns der Spiegel vorgehalten, und das zeigt uns die Schizophrenie, die wir hier in Deutschland erleben.

Aber auch Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen sind davon betroffen, meine sehr geehrten Damen und Herren, beispielsweise in den Kommunen, wenn sie Städtepartnerschaften mit Leben erfüllen wollen, wie etwa die Landeshauptstadt Hannover, oder auch das Land Niedersachsen, was die Partnerschaft mit der Region Konya angeht. Wir sehen, dass sich immer wieder Schwierigkeiten auftun, wenn sich beispielsweise Jugendgruppen gegenseitig besuchen wollen. Deutsche Jugendliche können ohne Weiteres in die Türkei reisen. Aber wenn sie ihre Freundinnen und Freunde aus der Türkei einladen wollen, stoßen sie immer wieder auf Hürden. Dabei muss man eigentlich nur Regelungen zum Visaregime umsetzen.

Wenn hier beispielsweise Nachwuchs geboren wird und es Familienfeiern gibt, wenn Großeltern zu ihren Enkelkindern reisen wollen oder die Tante beispielsweise zur konstituierenden Sitzung des Niedersächsischen Landtages kommen will, weil der Neffe in den Landtag gewählt worden ist, dann stößt man immer wieder auf Schwierigkeiten.

Dies ist lösbar, indem man die europäische Rechtsprechung umsetzt. Dazu ist Deutschland angehalten. Es zeigt auch ein wenig die Heuchelei, wenn man von Migrantenverbänden immer wieder die Einhaltung von deutscher Rechtsprechung und

deutschen Gesetzen einfordert - zu Recht! -, aber als Bundesregierung im Rahmen des Visaregimes gerade das selbst nicht tut, meine sehr geehrten Damen und Herren. Deshalb freue ich mich sehr auf die Beratungen und hoffe auf breite Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Mustafa Erkan das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Obwohl die Türkei und Deutschland immer enger zusammenrücken, sind wir doch noch so unendlich weit voneinander entfernt. Obwohl die Türkei und Deutschland kulturell und wirtschaftlich immer mehr kooperieren, kann immer noch nur ein kleiner Bruchteil von türkischen Staatsbürgern visumfrei nach Deutschland einreisen.

Für viele bedeutet das in der Praxis: Sie können überhaupt nicht nach Deutschland einreisen. 2011 wurden fast 10 % aller Anträge auf einen Kurzaufenthalt und ein sogenanntes Schengen-Visum abgelehnt. Zwischen Frankreich und der Türkei waren es dagegen nur 3,5 %.