Protocol of the Session on July 23, 2014

Im Rahmen dieser Demonstrationen kam es bundesweit zu gewalttätigen Zwischenfällen auch in Göttingen und Hannover. Ganz offen kam es zu antisemitischen Parolen und auch zum Zeigen untragbarer Symbole. Das dürfen wir nicht zulassen. Kollege Nacke, Sie haben völlig recht: In Niedersachsen ist kein Platz für Antisemitismus!

(Starker Beifall)

Der Gaza-Konflikt, der schon seit vielen Jahrzehnten immer wieder dazu geführt hat, dass es zu keiner friedlichen Lösung für Israel oder für die Millionen im Gazastreifen eingepferchten Menschen kam, wird jetzt zu uns nach Deutschland getragen. Ich denke, wir müssen mit Ruhe, wir müssen mit Sachlichkeit reagieren, den gegenseitigen Respekt fördern und dürfen vor allem nicht mit Parolen reagieren. Es ist legitim, zu dem aktuellen kriegerischen Konflikt im Gazastreifen unterschiedliche Meinungen zu vertreten. Doch die dürfen und können niemals eine Rechtfertigung für Antisemitismus, Rassismus und Gewalt sein.

(Beifall)

Aber ich frage mich, ob es legitim ist, ob es nicht vielleicht sogar unverantwortlich ist, welchen Titel

Sie, die CDU, für diese Aktuelle Stunde rund um die Demonstrationen gewählt haben.

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Sie versuchen ein gefährliches, weil provokantes Bild zu zeichnen, wonach linke Antisemiten IsraelFahnen anzünden und der rot-grüne Innenminister dem nichts dagegensetzt.

(Johanne Modder [SPD]: Unverant- wortlich!)

Ich finde das sehr populistisch, und ich finde es auch in Teilen fahrlässig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Hier drängt sich der Eindruck auf, dass die CDU in Niedersachsen nichts zur Befriedung dieser höchst angespannten Situation beitragen kann, sondern noch etwas Öl ins Feuer gießt, um für die eigene politische Profilierung zu sorgen.

(Jörg Hillmer [CDU]: Unglaublich!)

Das dürfen und das werden wir als Demokraten nicht zulassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Viele Demonstrierende haben Freunde und Verwandte, die betroffen sind, oder sind möglicherweise direkt betroffen. Das führt zu einer hohen Emotionalität. Sie sind in Sorge, sie sind verzweifelt, weil im Gazastreifen so viele Menschen sterben.

Leider wird dieser Gazakonflikt allerorts von Antisemiten genutzt, um Hass auf Jüdinnen und Juden zu schüren, um antisemitische Ressentiments zu bedienen. Das dürfen und können wir nicht billigen.

Aber wir haben eine Versammlungsfreiheit, wir haben eine Demonstrationsfreiheit. Sie sind zentraler Bestandteil unserer Demokratie und gelten für alle. Wir werden aber nicht zulassen, dass sie für antiisraelische, antisemitische und unmenschliche Stimmungsmache missbraucht werden. Hier gibt es kein Vertun. Wir werden, wir müssen uns klar positionieren. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, konsequent dagegen vorzugehen und nicht politisch Kapital zu schlagen. Für uns gemeinsam gilt: Null Toleranz gegenüber Antisemiten!

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir dürfen zu den antisemitischen Äußerungen nicht schweigen. Hier entlädt sich der aggressive Antisemitismus unter dem Deckmantel der Israelkritik. Diese menschenfeindliche Einstellung in unserer Gesellschaft gilt es zu bekämpfen.

In der aktuellen Situation ist es notwendig, dass wir aus der Mitte der Gesellschaft nicht nur eine gesellschaftliche Debatte um Recht und Gesetz führen, sondern auch gesellschaftliche Antworten auf Antisemitismus und Rechtsextremismus geben und uns nicht nur um deutschstämmige Jugendliche kümmern.

Ich möchte Sie bitten, dass wir als Parlament gemeinsam den Dialog suchen. Lassen Sie uns gemeinsam mit den großen Kirchen, mit den islamischen Verbänden, den jüdischen Gemeinden, mit Christen, Muslimen und Juden deutlich machen, dass wir gut zusammenleben und gut zusammenarbeiten und dass wir gemeinsam den Antisemitismus in unserer Gesellschaft bekämpfen. Auch die Landesregierung hat da einiges auf den Weg gebracht.

Eine demokratische Zivilgesellschaft muss sich um demokratische Substanz kümmern. Minderheitenfeindlichkeit - wie Antisemitismus - zersetzt die demokratische Substanz unserer Gesellschaft. Dagegen müssen wir gemeinsam streiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung von Jan- Christoph Oetjen [FDP])

Vielen Dank, Frau Janssen-Kucz. - Jetzt kommt der Kollege Stefan Birkner, FDP-Fraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die bei den Demonstrationen am vergangenen Wochenende zutage getretenen offenen antisemitischen Äußerungen sind unerträglich und sind von uns, vom gesamten Parlament, aufs Schärfste zu verurteilen.

(Lebhafter Beifall)

Die Bilder dieser Veranstaltung machen einen schon fassungslos, dass im Deutschland des Jahres 2014 ein Mob durch die Straßen zieht und Parolen skandiert, die an die dunkelsten Zeiten Deutschlands erinnern. Menschen werden wegen

ihres jüdischen Glaubens attackiert. Menschen werden attackiert, weil sie es wagen, sich im Nahostkonflikt in seiner jetzigen Form mit Israel zu solidarisieren.

Meine Damen und Herren, auch in Göttingen kam es am Wochenende im Rahmen solcher Demonstrationen zu entsprechenden Äußerungen und Auseinandersetzungen. Dabei ist natürlich zunächst einmal festzustellen, dass wir aufgrund der Demonstrationsfreiheit und der Meinungsfreiheit Dinge hinnehmen müssen, die wir vielleicht zunächst unerträglich finden. Aber ich sage auch ganz deutlich: Unter dem Deckmantel von Meinungsfreiheit und Demonstrationsfreiheit darf sich nicht Antisemitismus Bahn brechen.

(Beifall)

Wenn man sich ein bisschen näher mit den Ereignissen in Göttingen befasst, dann stellt sich schon die Frage, Herr Innenminister, warum es den Polizeikräften nicht möglich war, die Gegendemonstration gegen die sogenannte Gazademonstration vor Übergriffen zu schützen. Ich habe keine internen Kenntnisse, aber nehme wahr, dass die Polizeikräfte dort überfordert waren.

Fragen stellen sich auch im Hinblick darauf, dass wir aus anderen Bereichen, etwa aus Essen, gehört haben, dass im Vorfeld der dortigen Demonstration Erkenntnisse vorlagen, dass es zu Übergriffen auf Synagogen kommen soll. Dort sind wohl etwa 14 Personen zumindest vorübergehend festgenommen worden.

Durch die Landesregierung muss sichergestellt werden, dass sich solche Ereignisse in keiner Form in Niedersachsen wiederholen können. Das gilt natürlich auch bundesweit.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, der Botschafter Israels in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, hat geäußert, dass die Meinungsfreiheit von Islamisten, Rechts- und Linksextremisten dazu missbraucht werde, eine Kultur des Hasses und der Gewalt in die deutsche Debatte zu importieren. Ich teile diese Einschätzung uneingeschränkt. Meine Damen und Herren, ich mir sicher, dass wir uns in diesem Hause einig sind, dass wir das nicht zulassen dürfen.

Es muss eine gemeinsame Schlussfolgerung sein, dass wir das, was wir in anderen Zusammenhängen immer wieder diskutiert haben, auch hier sicherstellen müssen: dass die freiheitlich

demokratische Grundordnung mit allen Mitteln verteidigt wird, die uns zur Verfügung stehen, mit dem Versammlungsrecht, mit der Polizei, mit dem Verfassungsschutz. Wir müssen vermeiden, dass hier in Deutschland unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Antisemitismus wieder salonfähig wird. Das dürfen wir in keiner Form zulassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dazu gehört auch, dass wir diese Gelegenheit hier dazu nutzen, die gemeinsame, parlamentarisch getragene Botschaft auf den Weg zu bringen, dass auch wir in diesem Parlament das so sehen.

Meine Damen und Herren, ich kann an dem, was der Kollege Nacke hier vorgetragen hat, überhaupt nichts Kritisches sehen. Ich kann seinen Beitrag zu 100 % unterschreiben und meine, dass er auch in der Form genau richtig war. Deshalb verstehe ich nicht die Anwürfe, die eben geäußert worden sind. Ich bin der CDU dankbar, dass sie diese Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung gesetzt und uns diese Gelegenheit zur Positionierung gegeben hat.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich denke, das Wochenende hat gezeigt: Man muss bei diesem Thema extrem wachsam sein. Wir als Demokraten dürfen uns nicht gefallen lassen, dass hier eine Debatte importiert wird, von der wir meinten, sie sei überwunden, und plötzlich offenbart sich, dass sie doch nicht überwunden ist. Hier müssen wir aufpassen. Antisemitismus hat in Deutschland keine Chance. Dafür sind wir als Demokraten verantwortlich.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Michael Höntsch, SPD-Fraktion. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Antisemitismus zu etwas nicht taugt, dann zum Streit unter Demokraten.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP)

Es mag unter uns unterschiedliche Auffassungen in Einzelfragen geben. In der konsequenten Ablehnung und Verurteilung jedoch sind sich alle Landtagsparteien in Niedersachsen einig oder sollten sich einig sein.

Für die meisten von uns ist das Thema in den vergangenen Tagen durch die Zuspitzung der Krise im Nahen Osten aktuell geworden. Sie wissen, für mich ist es seit vielen Jahren aktuell.