Protocol of the Session on July 22, 2014

Wir als FDP-Fraktion sind jedenfalls davon überzeugt, dass die bisherigen Erfahrungen mit dem Konnexitätsprinzip in der Verfassung darauf schließen lassen, dass ein Ausführungsgesetz uns helfen würde, tatsächlich genau zu wissen, wie die Regelungen anzuwenden sind. Wie es im Detail ausgestaltet werden muss, sollten wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutieren. Auch uns als FDP-Fraktion ist daran gelegen, dass wir dort einen Konsens finden.

In einem Punkt teile ich die Kritik des Kollegen Schmidt an dem Gesetzentwurf ausdrücklich, nämlich in der Frage, ob Fraktionen dieses Hauses unterschiedlich behandelt werden sollen. Ich glaube, das, was die Unionsfraktion hier vorgeschlagen hat, ist verfassungsrechtlich problematisch.

(Maximilian Schmidt [SPD]: So ist es!)

Ich weiß nicht, ob wir als Fraktionen uns eine Gesetzesfolgenabschätzung auferlegen sollten, wenn wir Gesetzentwürfe einbringen. Wir wissen doch alle, dass wir in unseren Fraktionen dafür nicht die notwendigen Kapazitäten haben. Ansonsten müsste der Landtag den Fraktionen ein Budget für zusätzliche Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Also, hinter die Frage, ob das der richtige Weg ist, setze ich einmal ein Fragezeichen.

Das Wichtigste ist meines Erachtens aber, dass die Fraktionen dieses Hauses gleichbehandelt werden. Wenn die Landesregierung dann auf die Idee kommen sollte, über die sie tragenden Fraktionen einen Gesetzentwurf einzubringen, bei dem die Gesetzesfolgenabschätzung in Sachen Konnexität nicht erfolgt ist, können Sie sicher sein, dass es eine Opposition geben wird, die das auch auf die Tagesordnung setzen wird.

In diesem Sinne freue ich mich auf interessante Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Redezeitmäßig war das eine Punktlandung, Herr Kollege Oetjen. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Belit Onay.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schmidt hat die starke Verwurzelung des Landtags und seiner Mitglieder in den Kommunalparlamenten schon angedeutet. Ich glaube, dass wir da auch eine einheitliche Meinung haben. Zumindest für meine Fraktion ist die Konnexität ebenfalls ein wichtiger Bestandteil, was die Beziehungen zwischen Land und Kommunen angeht.

Die Konnexitätsklausel in der Verfassung - auch das ist bereits angesprochen worden - besteht in dieser Form seit 2006, allerdings ohne die einfachgesetzliche Regelung. Da stellt sich natürlich die Frage, warum dieser Gesetzentwurf der CDUFraktion gerade jetzt vorgelegt wird, wenn man doch so lange Zeit dafür hatte.

Der Kollege Meyer hat die Klage bzw. Klageandrohung in Sachen Inklusion angesprochen. Gleichzeitig hat er angesprochen, dass dazu bisher noch keine Rechtsprechung vorliegt. Dass keine Rechtsprechung vorliegt, zeigt den Sonderfall von Niedersachsen. In Niedersachsen konnten wir uns eben - auch unter der Vorgängerregierung - durch Verhandlungen bzw. außerhalb Bückeburgs einigen.

Das ist auch eine der Schwächen in Ihrem Gesetzentwurf. Sie kopieren ja einige Artikel aus anderen Landesgesetzen. Als Diskussionsgrundlage kann man das natürlich machen. Es wird aber der Situation in Niedersachsen nicht ganz gerecht.

In der Vergangenheit ist man beispielsweise beim Krippenausbau auch zu einer Einigung mit den Kommunen gekommen. Ich bin mir eigentlich sicher, dass wir bei der Frage der Inklusion ebenfalls zu einer Einigung kommen werden. Seit zwei Jahren, nämlich seit dem Gesetz der schwarz-gelben Landesregierung aus dem Jahr 2012, wird die Diskussion geführt. Das Kultusministerium hat signalisiert, dass man die Konnexität hier durchaus sieht

(Ulf Thiele [CDU]: Das hat keiner ge- sagt!)

und dass man eventuell zu einer Regelung wie in Nordrhein-Westfalen kommen kann.

Wir haben außerdem von Ihnen gehört - das nehme ich Ihnen auch ab -, dass Sie Interesse an den Kommunen in Niedersachsen haben. Dann wäre es für die CDU-Fraktion natürlich wichtig, wenn sie schon über die Landesgrenzen hinausblickt, auch nach Berlin zu schauen; denn auf Bundesebene hat sich die an der Großen Koalition beteiligte CDU in der Bundesregierung in Fragen der kommunalen Interessen eher als lähmend erwiesen. Das gilt gerade beim Bundesteilhabegesetz. Die Zahlung von jährlich 5 Milliarden Euro soll frühestens 2018 kommen. Bis dahin wurde sie aufgeschoben. Das ist leider viel zu spät für die Kommunen. Ab 2015 soll es als Trost jährlich 1 Milliarde Euro geben. Das ist ein sehr geringer Trost für die Kommunen.

Deshalb wäre die Bundesebene auch die richtige Adresse für Ihre Anliegen. Dennoch möchten wir uns einer Debatte hier im Landtag und im Ausschuss nicht verschließen. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss und hoffe auf weitere gute Argumente.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Innenminister Pistorius das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Konnexitätsprinzip ist seit dem Jahr 2006 - wir haben es gehört - in der Niedersächsischen Verfassung verankert. Ich bin sicher - ich denke, Sie auch -, dass wir alle seine Leitidee für selbstverständlich halten und ihr zustimmen: Wer bestellt, soll auch bezahlen.

Die Praxis zeigt allerdings seit 2006, dass die Sache - wie sollte es auch anders sein; es geht schließlich um Geld - nicht so einfach ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Die Schwierigkeiten liegen auch hier, wie so oft, im Detail.

Das Konnexitätsprinzip ist als verfassungsrechtlicher Grundsatz notwendigerweise abstrakt gehalten. Es bedarf daher immer der Konkretisierung im Einzelfall.

Es fehlt in weiten Teilen an landesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, sodass die Beurteilung von Kostenlasten natürlich auch immer Auslegungssache ist und unterschiedlich bewertet wird.

Wir können dennoch zunächst eines festhalten: Das Konnexitätsprinzip als solches hat sich bewährt.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Es schärft das Kostenbewusstsein auf allen Seiten, sorgt für mehr Transparenz und zahlt sich vor allem finanziell aus. Jedes Jahr zahlt das Land rund 130 Millionen Euro an die Kommunen, und zwar allein aufgrund des Konnexitätsgrundsatzes.

Ich finde diese Summe zunächst einmal beachtlich. Das zeigt uns, dass das Land seinen Verpflichtungen nachkommt und dass die kommunalen Finanzen damit wirksam geschützt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Gesetz zur Ausgestaltung des Konnexitätsprinzips könnte natürlich für mehr Rechtssicherheit sorgen, weil eben nicht alle Einzelheiten geregelt sind. Ihr Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der CDU, geht aber leider an der Praxis in unserem Land vorbei.

Die Erfahrungen aus den letzten Jahren, auch unter Ihrer Landesregierung, zeigen doch vor allem eines: Die Verfahrensfragen, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf überwiegend aufgreifen und zu regeln glauben, waren zwischen Land und Kommunen in der Vergangenheit kein wirklicher Streitpunkt. In dieser Frage wurde man sich eigentlich immer einig. Übrigens wird auch die angekündigte bzw. jetzt erhobene Klage in Bückeburg nicht deshalb erhoben, weil die Beteiligten sich über Verfahrensfragen uneinig wären. Ihr Gesetzentwurf greift aber nicht nur die falschen Schwerpunkte auf, sondern Sie haben es sich leider auch viel zu einfach gemacht. Sie haben - so kommt es mir vor - einfach aus den einzelnen Regelungen anderer Länder ein paar übernommen und abgeschrieben.

Es fängt schon mit § 1 an. Sie wiederholen hier schlichtweg die Verfassungsregelung mit anderen Worten. Die wirklich strittigen Fragen der Anwendung bleiben aber unangetastet.

Zu Ihrem § 2 ist anzumerken, dass insbesondere bei der Kostenfolgenabschätzung im Personalbereich, also dem normalerweise größten Kostenanteil, pauschale Prognosen und Schätzungen vorgesehen sind. Das ist viel zu unkonkret und deswegen sehr unglücklich, weil gerade bei den Personalkosten erfahrungsgemäß nun einmal sehr gründlich mit der Kostenfolgenabschätzung gearbeitet werden muss. Eine sachliche Begründung

bei pauschalierten Prognosen reicht hier eben gerade nicht aus.

Nächstes Beispiel: § 6 stellt eine einzelfallbezogene Abkehr von der üblicherweise pauschalierten finanziellen Abgeltung dar, sofern die betroffene Kommune „unabweisbare und wesentliche weitergehende Mehrbelastungen“ hat. Wer aber über diese sogenannte „Unabweisbarkeit“ befindet, bleibt völlig unklar.

Meine Damen und Herren, allein diese wenigen Beispiele zeigen, dass Ihr Gesetzentwurf nicht nur an der niedersächsischen Praxis vorbeigeht, sondern darüber hinaus auch - verzeihen Sie es mir - handwerklich schlecht gemacht ist. Ich könnte weitere Paragrafen nennen. Ich erspare uns allen das aber; denn es wird schon bis hierhin deutlich, dass es Ihnen im Grunde genommen eben gar nicht darum geht, zu einer einvernehmlichen Lösung konnexitätsrelevanter Sachverhalte beizutragen. Sie zielen vielmehr darauf ab - das ist zumindest mein Eindruck -, Stimmung zu machen, und zwar im Windschatten der Klage bezüglich der Inklusion an niedersächsischen Schulen vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU)

Das Problem ist nur, meine Damen und Herren, dass diese Effekthascherei niemandem weiterhilft, dem Land genauso wenig wie den Kommunen. Ihr Gesetzentwurf trägt rein gar nichts zur Klärung der in Bückeburg zu verhandelnden Fragen bei.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch!)

Das Zusammenschustern anderer Verfahrensregelungen liefert eben keine Antworten auf die schwierigen verfassungsrechtlichen Fragen, die hier behandelt werden.

Ich kann deshalb nur an Sie appellieren, sich bei zukünftigen Gesetzesinitiativen dieser Art mit den Fachleuten in Verbindung zu setzen und sich anzuhören, wie sinnvolle Regelungsmaterien aussehen können.

Ich kann Sie als Kommunalminister nur ermuntern, mit den kommunalen Spitzenverbänden über die praktische Umsetzung des Konnexitätsprinzips auch zukünftig in den partnerschaftlichen Dialog zu treten. Das bietet die Chance, sich mit fachkundigen Beiträgen einzubringen und zu einer rechtssicheren, hilfreichen Anwendung des Konnexitätsprinzips beizutragen. Das wäre wirklich im Interesse unserer Kommunen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Weitere Wortmeldungen liegen uns nicht vor. Wir sind am Ende der ersten Beratung angelangt.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, federführend den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und mitberatend die Ausschüsse für Inneres und Sport sowie für Haushalt und Finanzen mit dem Gesetzentwurf zu befassen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das waren deutlich mehr als 30 Abgeordnete. Die Ausschussüberweisung ist so beschlossen worden.

Wir kommen dann zu dem

Tagesordnungspunkt 10: Abschließende Beratung: Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes endlich einführen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1620 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/1716

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Auch hier ist keine Berichterstattung vorgesehen.