Protocol of the Session on March 14, 2013

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir wollen diese Fachkraftquote von 50 % unbedingt festschreiben, weil es auf keinen Fall passieren darf, dass man unter dem Druck des demografischen Wandels und der immer geringer werdenden Fachkräfte letztlich die Qualitätsstandards - was die Fachkräfte betrifft - herunterfährt. Deshalb die klare Ansage: Wir werden weiterhin die Fachkraftquote von 50 % festschreiben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dieser Frage liegen keine weiteren Zusatzfragen vor.

Wir kommen damit zu

Frage 2: Pferd statt Rind, falsch deklarierte Eier und giftiger Mais - Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus der Kette der jüngsten Skandale der Ernährungsindustrie?

Die Frage bringt Herr Kollege Ronald Schminke ein.

Verehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion um die notwendigen Konsequenzen nicht deklarierten Pferdefleisches in zahlreichen Convenience-Produkten hatte kaum begonnen, als am 23. Februar 2013 der nächste Skandal der Ernährungswirtschaft bekannt wurde:

Bereits seit Oktober 2011 ermittelt die Staatsanwaltschaft Oldenburg wegen gewerbsmäßigen Betruges gegen rund 150 Legehennenhalter in Niedersachsen, die ihre Eier - u. a. als Boden-, Freiland- oder Bioeier - falsch deklariert haben. Von dem Vorwurf, ihre Ställe zum Teil massiv überbelegt und damit den Haltungsvorgaben zuwider gehandelt zu haben, sind überwiegend konventionell wirtschaftende Betriebe, aber auch Biobetriebe - vorwiegend solche, die neben einer Hennenhaltung nach den Kriterien des ökologischen Landbaus auch konventionelle Legehennenhaltung betreiben - betroffen.

Er habe erstmalig im Frühjahr 2012 von den Ermittlungen erfahren, erklärte der ehemalige Landwirtschaftsminister Gert Lindemann am 27. Februar 2013 gegenüber dem NDR. Die Tatsache, rund ein Jahr lang geschwiegen zu haben, begründete der bis zum 18. Februar 2013 zuständige Minister damit, dass er die laufenden Ermittlungen nicht habe gefährden wollen.

Am 1. März 2013 wurde der nächste Skandal bekannt: Eine im Braker Hafen angelandete Lieferung von 45 000 t Mais aus Serbien ist mit Aflatoxin B1 belastet, einem krebserregenden Gift aus Schimmelpilzen, das sich vor allem bei Temperaturen zwischen 20 und 30 °C optimal entwickelt und deshalb als importiertes Toxin gilt. Rund 10 000 t dieser belasteten Maislieferung wurden von dreizehn Futtermittelherstellern bereits zu Rinder-, Schweine- und Geflügelfutter weiterverarbeitet und an Tausende landwirtschaftliche Betriebe - weit überwiegend in Niedersachsen - ausgeliefert.

Aufgefallen ist der belastete Mais nicht etwa bei Eigenkontrollen des Exporteurs, des Importeurs oder der Futtermittelwerke, sondern bei der Kontrolle der Milch eines Betriebes in Leer, die oberhalb des Grenzwertes mit Aflatoxin belastet war. Warnmeldungen vor der Aflatoxinbelastung von Mais aus Serbien, die die EU-Kommission bereits im Oktober 2012 herausgegeben hat, haben die Futtermittelwirtschaft offenbar nicht zu ausreichenden Kontrollen veranlasst. Den Schaden tragen Hunderte Milchviehbetriebe in Niedersachsen, die vorübergehend ihre Milch nicht abgeben durften.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die neue Landesregierung das Vorgehen ihrer Vorgängerin, die Öffentlichkeit monatelang nicht über den Verdacht des massenhaften gewerbsmäßigen Betruges bei der Kennzeichnung von Eiern informiert zu haben?

2. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass die Aflatoxinbelastung einer Maislieferung aus Serbien weder bei den Eigenkontrollen des Exporteurs und des importierenden Betriebes noch bei den dreizehn Futtermittelherstellern aufgefallen ist, die diesen Mais zu Tierfutter weiterverarbeitet haben?

3. Welche Konsequenzen wird die Landesregierung aus den Skandalen um nicht deklariertes Pferdefleisch, falsch gekennzeichnete Eier und giftigen Mais ziehen?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Meyer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Die in der Anfrage genannten drei Skandale im Agrarbereich haben die Landesregierung im Februar/März 2013 intensiv beschäftigt. Zuerst wurde festgestellt, dass europaweit Pferdefleisch als Rindfleischersatz eingesetzt wurde. Dann durften wir die Öffentlichkeit im Rahmen der neuen Transparenz und Verbraucheraufklärung der Landesregierung darüber informieren, dass die Staatsanwaltschaft in über 100 Fällen wegen Überbelegung bei Legehennen ermittelt. Schließlich mussten wir die Öffentlichkeit informieren, dass die Futtermittelindustrie ihre Eigenkontrolle nach dem Dioxingeschehen 2011 nicht so verbessert hat, dass die massiven Grenzwertüberschreitungen mit dem gefährlichen Schimmelpilz Aflatoxin erst entdeckt wurden, nachdem in der Rohmilch eines Bauern aus Ostfriesland bei der Molkereikontrolle erhöhte Werte gefunden worden waren.

An dieser Stelle möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Landkreisen, im LAVES, im Ministerium und auch in der Milchwirtschaft sowie dem Landvolk, mit dem es eine enge Kooperation gab, danken, dass die drei Krisen so schnell und gut bewältigt wurden und wir eine durchaus mögliche Gefahr für den Verbraucher wahrscheinlich vermeiden konnten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die einzelnen Punkte beantworten wir daher wie folgt:

Zu 1: Zum Verdacht auf massive und systematische Verbrauchertäuschung bei Legehennen in allen Haltungsformen: Im Oktober 2011 erhielt mein Ministerium erstmals Kenntnis über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg zu möglichen Überbelegungen in Legehennenhaltungen. Den Ermittlungen lag ein Zivilverfahren des Landgerichts Osnabrück zwischen einem Geflügelzuchtbetrieb und einem Erzeugerbetrieb zugrunde. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wurde deutlich, dass eine Legehennenlieferung an vorgenannten Erzeugerbetrieb in zwei verschiedenen Rechnungen abgerechnet wurde: In der einen Rechnung wurde eine Tierzahl aufgeführt, für die der Betrieb nach dem Legehennenbetriebsregister registriert ist. Für weitere Tiere wurde eine sogenannte Zweitrechnung ausgestellt. Durch die Einstallung der erhöhten Tierzahl entstand eine Überbelegung. Damit war von einer nicht rechtskonformen Eiererzeugung auszugehen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft besteht der Anfangsverdacht eines Straftatbestandes insbesondere eines Vergehens nach § 59 Abs. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, des gewerbsmäßigen Betrugs sowie der Verdacht von Verstößen u. a. gegen das Tierschutzrecht.

Eine vorzeitige Veröffentlichung, die die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft stören würde, käme einer Warnung der Beschuldigten gleich. Eine solche Warnung kann verhindern, dass Beschuldigte wegen rechtswidrig begangener Taten bestraft werden. Die Erfüllung der Straftatbestände der Strafvereitelung oder der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht durch eine Veröffentlichung liegt nahe. Es ist deshalb für die Zeit bis Herbst 2012 nachvollziehbar, dass keine Veröffentlichung erfolgte. Immerhin liegt die Verfolgung und Ahndung von Straftaten gerade auch aus generalpräventiven Gründen im Sinne einer jeden Verbraucherin und eines jeden einzelnen Verbrauchers.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg wurde und wird bei ihren Ermittlungen von der Polizei und dem LAVES unterstützt.

Durch zeitgleiche Durchsuchungen u. a. in dem Geflügelzuchtbetrieb und eines weiteren Lieferanten des Erzeugerbetriebes, der zuständigen Eiersammelstelle und der Eierpackstelle konnte nach den uns mitgeteilten Informationen der Anfangs

verdacht bei konventionellen und ökologischen Betrieben erhärtet werden.

Aufgrund des oben angegebenen Ursprungsverfahrens ist es nach unseren Informationen zunächst zu 167 Folgeverfahren gekommen, von denen einige wieder eingestellt wurden. Aufgrund von in den Durchsuchungen gewonnenen Erkenntnissen ist es aber auch zur Einleitung weiterer Verfahren gekommen. Nach der vom Justizministerium am vorletzten Dienstag übersandten Liste waren an diesem Tag in Niedersachsen insgesamt 139 Verfahren anhängig. Dabei handelt es sich - ich betone es - um eine Momentaufnahme. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich diese Zahl erhöht oder verringert. Betroffen sind nach der uns vorliegenden Liste alle Haltungsformen - danach ist ja sehr oft gefragt worden -, maximal 55 Biobetriebe und mindestens 84 konventionelle Betriebe. Von daher ist es ein genereller Legehennenbetrug und kein Bioskandal, wie von einigen behauptet. Die Ermittlungen beziehen sich auf den Zeitraum von 2007 bis 2012.

Die zuständige Staatsanwaltschaft bat mein Haus nach Bekanntwerden der Durchsuchungen ausdrücklich, keine Maßnahmen zu ergreifen, die der Branche Hinweise auf die staatsanwaltschaftlichen Aktivitäten geben und dadurch den Erfolg der Ermittlungen gefährden könnten. Das Agrarministerium konnte daher bis Sommer 2012 nicht aktiv werden, um die Verbraucher oder Kommunen auf die mögliche Täuschung hinzuweisen oder die zuständigen Stellen zu zusätzlichen Kontrollen aufzufordern.

Nach Abschluss vieler Durchsuchungen konnten nach Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft von meinem Hause im Juni 2012 die für den Tierschutz und im August die für den ökologischen Landbau zuständigen Vor-Ort-Behörden dann endlich aufgefordert werden, verstärkt Junghennen und Legehennen haltende Betriebe auf Überbesatz hin zu kontrollieren. Der Kollege Birkner hat es ja gestern angesprochen. Das ist eine andere Zahl.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ja aller- dings! Wissentlich hat er das ge- macht!)

Er hat dazu Äpfel mit Birnen verglichen. Es geht um den Unterschied zwischen Ermittlungsverfahren und diesen Nachkontrollen der Kommunen. Bei diesen Nachkontrollen der Kommunen, nachdem schon die Branche vorgewarnt sein durfte, wurden zusätzlich 201 Betriebe kontrolliert, die

nicht unbedingt die Gleichen sind, gegen die bereits Ermittlungen geführt wurden.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aha! - Filiz Polat [GRÜNE]: Interessant!)

Von diesen 201 wurden 149 konventionelle und 52 ökologische Betriebe kontrolliert und zusätzlich durch die Biokontrollstellen noch einmal 34 ökologische Betriebe. Bei diesen Nachkontrollen wurden fünf Fälle von Überbelegung festgestellt. Das hat also nichts mit den Erfolgsaussichten der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen gegenwärtig über 130 Betriebe allein in Niedersachsen zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Spätestens nachdem diese Durchsuchungen stattgefunden hatten und auch durch die Kommunen gezielt auf Überbelegung kontrolliert wurde, sprach aus Sicht der Landesregierung nichts mehr gegen eine Information der Öffentlichkeit über den möglichen Verbraucherbetrug. In Absprache mit der Staatsanwaltschaft haben wir dann drei Tage nach Amtsantritt der neuen Landesregierung auch die Öffentlichkeit informiert und für Transparenz gesorgt. Aus Sicht der Landesregierung hätte es diese Veröffentlichung durchaus schon früher geben können.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Zu 2: Das betrifft den Futtermittelkomplex und Aflatoxin. Die Landesregierung sieht die schon früher häufig geäußerten Zweifel an der ausreichenden Zuverlässigkeit eines Systems aus Eigenkontrollen durch die Futtermittelunternehmer, die in diesem Fall beteiligt waren, bestätigt. Sie stellt fest, dass zunächst der Importeur seiner besonderen Sorgfaltspflicht als erster Inverkehrbringer in der EU nicht gerecht geworden ist und auch die weiteren Teilnehmer in der Futtermittelkette nicht über Eigenkontrollsysteme verfügen, die die Futtermittelsicherheit ausreichend gewährleisten können. Wir haben deshalb für allen serbischen Mais aus der Ernte 2012 eine Allgemeinverfügung erlassen, dass er erst nach entsprechenden Tests in Verkehr gebracht werden darf, um ein hohes Maß an Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch der Landwirte vor Verunreinigungen zu erreichen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Landesregierung vermutet, dass sich die Futtermittelindustrie ihrer außerordentlichen Verantwortung - auch für die Lebensmittelsicherheit - als Vorstufe der Lebensmittelkette nicht ausreichend bewusst ist. Das zeigt sich zur Verärgerung meines Hauses auch an der verspäteten Nachlieferung ständig neuer Listen betroffener Betriebe und Landwirte.

Die Landesregierung schließt aus dem Vorfall, dass sie die amtlichen Futtermittelkontrollen als Ersatz für die versagenden Eigenkontrollsysteme zur ausreichenden Gewährleistung der Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit weiter ausbauen muss. Wir werden daher das Landesamt für Verbraucherschutz insbesondere im Bereich der Futtermittelkontrollen verstärken und dieses Mehr an Verbraucherschutz über kostendeckende Gebühren der Futtermittelindustrie in Rechnung stellen.

Zu 3: Welche Konsequenzen ziehen wir aus den Fällen? - Die Landesregierung prüft folgende Optionen zur Optimierung des Kontrollsystems in Niedersachsen, um in Zukunft die Lebens- und Futtermittelsicherheit deutlich zu stärken: erstens verstärkte staatliche, gebührenfinanzierte Kontrollen, insbesondere im Futtermittelbereich, zweitens Änderung der Allgemeinen Gebührenordnung mit dem Ziel der Kostenpflicht für jede Kontrolltätigkeit, auch Plankontrollen und Probennahmen werden kostenpflichtig; das ist übrigens - lassen Sie mich diese Anmerkung machen - auch eine Entlastung der Kommunen im Bereich der Lebensmittel- und Veterinärkontrollen; auch bei den Kommunen kann über Gebührenfinanzierung einiges für den Verbraucherschutz getan werden, und das werden wir unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Landesregierung sieht zudem Handlungsbedarf auf Bundesebene. Um dieses zu erreichen, haben wir als erste Bundesratsinitiative der neuen Landesregierung Verbesserungen beim Verbraucherschutz gefordert. Wir haben dort sieben konkrete Maßnahmenvorschläge zum Legehennenbetriebsregistergesetz, zur Trennung von ökologischen und konventionellen Betrieben und weitere Punkte eingebracht. Mit dem Entschließungsantrag sollen der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschung gestärkt und die staatlichen Instrumente zur Aufklärung solcher Vorfälle verbessert werden.

Ich freue mich, Ihnen miteilen zu können, dass diese erste rot-grüne Bundesratsinitiative aus Niedersachsen am letzten Montag vom Agrarausschuss des Bundesrates mit großer Mehrheit verabschiedet wurde und schon am Freitag der nächsten Woche auf der Tagesordnung des Bundesrates zur Verabschiedung steht. Es kann also sehr schnell gehen,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

wenn Bundesregierung und Bundestag dieser Ausschussempfehlung folgen.

Dann planen wir zusätzlich als Konsequenz aus dem Futtermittelskandal weitere Initiativen. Dabei geht es um die Schaffung einheitlicher Vorgaben für die Eigenkontrollen einschließlich Vorgaben für die Probenentnahme, um Vorgaben für die Dokumentation der Eigenkontrollen, für die Aufbewahrung nach Dauer und Umfang, um Vorgaben für die Rückverfolgung, Format der Listen und Zeitpunkt der Vorlagen bei der zuständigen Behörde, um die Schaffung einer Rechtsgrundlage für eine jährliche Erklärung der Betriebe, dass sie die Eigenkontrollsysteme sicherstellen und alle rechtlichen Anforderungen einhalten. Und schließlich - das ist für die Landwirte sehr wichtig, die gerade bei dem Futtermittelskandal unschuldig sind und belastetes Futter bekommen haben - sollen endlich sinnvolle Haftungsregelungen für Schadensfälle geschaffen werden, bei denen die Futtermittelindustrie als Verursacher möglicher Verstöße herangezogen werden kann und Landwirte als Opfer dieser Skandale dann unbürokratisch entschädigt werden können.