Protocol of the Session on March 14, 2013

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Vockert ist ja eine erfahrene Sitzungsleiterin in diesem Hause und weiß, dass sie die Kurzintervention jetzt sehr gedehnt hat, weil diese eigentlich in Richtung Landesregierung ging und weniger in Richtung des Wortbeitrags von Frau Korter. Aber, Frau Korter, Sie haben die Möglichkeit, auf die Kurzintervention zu antworten. - Darauf verzichten Sie.

(Zurufe von der CDU: Oh! - Jörg Hill- mer [CDU]: Geht auf Tauchstation!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache über den Entschließungsantrag, und wir kommen zur beantragten Ausschussüberweisung.

Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, federführend den Kultusausschuss und mitberatend den Ausschuss für Haushalt und Finanzen damit zu befassen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Ausschussüberweisung ist nach unserer Geschäftsordnung ausreichend unterstützt.

Damit ist die Besprechung des Entschließungsantrags in erster Beratung abgeschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Stichwahl bei Direktwahlen - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/25 neu

Zur Einbringung hat sich für die SPD-Fraktion der Kollege Jürgen Krogmann zu Wort gemeldet, dem ich das Wort erteile.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mit meiner Rede beginne, lassen Sie uns vielleicht kurz innehalten. Dies ist das erste Gesetz, das Rot-Grün als neue Mehrheit in dieses Plenum einbringt. Das ist der Beginn eines gesetzgeberischen Prozesses, mit dem wir Niedersachsen besser machen werden. Ich bin natürlich stolz und froh, dass ich das heute hier einbringen darf. Diese kleine Freude mögen Sie mir gönnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, SPD und Grüne bringen heute ein Gesetz in dieses Hohe Haus ein,

(Björn Thümler [CDU]: Das ganz über- flüssig ist!)

mit dem die Stichwahl für Bürgermeister und Landräte bei Direktwahlen wieder eingeführt wird. Wir sorgen damit für mehr Fairness, Herr Thümler, für mehr Partizipation und für mehr Demokratie in unseren Kommunen, rechtzeitig vor den vielen Wahlen, die jetzt anstehen. In diesem, vor allem im nächsten Jahr können sich die Wählerinnen und Wähler, können sich die Kandidatinnen und Kandidaten darauf einstellen, dass, wenn es im ersten Wahlgang für die absolute Mehrheit nicht reicht, man eben noch einmal ran muss, dann kommt die Stichwahl. Klarheit bringt eben nur diese Stichwahl.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zurückblicken.

CDU und FDP haben in der letzten Legislaturperiode quasi im Handstreich die Stichwahl im Kommunalwahlgesetz abgeschafft. Sie haben das gegen die Stimmen der Opposition getan - das war

vielleicht nicht überraschend -, aber auch gegen den entschiedenen Protest vieler Stimmen aus der kommunalen Ebene, übrigens auch gegen die Mehrheit der kommunalen Spitzenverbände.

Ihnen war es damals aber egal. Sie haben das einfach durchgezogen. Wer sich die Chuzpe, mit der Sie das damals gemacht haben, noch einmal vor Augen führen will, der muss sich nur die Karnevalsreden von Herrn Biallas, Ihrem damaligen innenpolitischen Sprecher, durchlesen. Das hatte mit seriöser Beratung dieses Themas überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb war die Abschaffung der Stichwahl damals mehr als nur ein technischer Vorgang im Kommunalwahlrecht. Dieses Vorgehen war auch sinnbildlich für die Arroganz der Macht, für das rücksichtslose Durchsetzen von Parteiinteressen gegen die politische Kultur in diesem Land. Dafür haben Sie in den letzten Jahren gestanden, und auch dafür haben Sie am 20. Januar 2013 die Quittung bekommen. Niedersachsen hatte einfach die Nase voll von dieser Art Politik.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

SPD und Grüne haben schon damals angekündigt, dass sie das rückgängig machen würden - das haben wir in der Debatte klar gesagt -, und damit fangen wir heute an. Wir haben Wort gehalten und verlieren überhaupt keine Zeit damit. Auf unsere Zusagen kann sich die kommunale Familie in Niedersachsen verlassen.

Meine Damen und Herren, warum tun wir das? Warum ist die Stichwahl aus unserer Sicht unabdingbar?

Der Hauptverwaltungsbeamte, der Bürgermeister, der Landrat, genießt seit der Einführung der Eingleisigkeit und der Direktwahl durch die Bürgerinnen und Bürger eine herausgehobene Stellung in der Kommunalverfassung. Er hat die Personal- und Organisationshoheit, er sitzt mit Stimmrecht in der Vertretung. Er oder sie - natürlich, Entschuldigung es sind ja auch viele Frauen in diesen Ämtern - repräsentiert die Kommune auf allen Ebenen von Staat und Gesellschaft. Dieses besondere Amt erfordert aus unserer Sicht eine besonders hohe Legitimation. Die erreicht man nur, wenn man in einem Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen letztlich auf sich vereinigt.

Aber warum hatten CDU und FDP das damals geändert? Warum wurde eigentlich insbesondere der CDU die Stichwahl ein bisschen unheimlich?

Es gab ja Regionen in diesem Land, in denen der Spruch galt: Wenn die CDU da jemanden aufstellt - egal wer das ist -, dann ist der eigentlich schon gewählt. - Aber das funktionierte nicht mehr so richtig in den letzten Jahren.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ach!)

Die Rathäuser in Niedersachsen sind bunter geworden, und das ist auch gut so. Ich weiß nicht, ob der Kollege Rolfes da ist. Aber ein gutes Beispiel ist die Stadt Lingen. Die Entwicklungen, die es damals gegeben hat, haben Ihnen nicht gepasst, dass plötzlich Bündnisse aus Bürgerinitiativen und Parteien entstanden sind, die andere Kandidaten nach vorne schieben. Dem wollten Sie einen Riegel vorschieben. Sie hätten ja bessere Kandidatinnen oder Kandidaten präsentieren können. Aber stattdessen haben Sie einfach die Spielregeln zu Ihren Gunsten verändert.

Genau das unterscheidet uns eben. Wir fragen uns zuerst: Was ist für die kommunale Demokratie in unserem Land das Beste? - Wir sagen: erst das Land und dann die Partei. - Das ist der neue Stil unter Rot-Grün in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das glauben Sie doch selber nicht! - David McAllister [CDU]: He- lau!)

- Herr McAllister, wenn Sie „Helau“ schreien wollen, dann lesen Sie wirklich noch einmal die Rede von Hans-Christian Biallas. Das war zwei Tage vor dem 11.11. Das können Sie mir wirklich nicht vorwerfen.

Meine Damen und Herren, das Thema Stichwahl ist hier in den letzten Jahren hinreichend diskutiert worden. Dazu brauchen wir sicherlich keine Enquetekommission. Aber lassen Sie mich vielleicht noch ein, zwei Argumente nennen, warum wir das für so wichtig halten.

Das, was wir in der Debatte seinerzeit befürchtet hatten, ist inzwischen eingetreten. Seit der letzten Kommunalwahl haben wir Bürgermeister mit 31, 37 oder 38 % der abgegebenen Stimmen im Amt. Das ist nicht die Regel - das ist klar -, aber es kommt vor. Damit steht im Raum: Mit einer Stichwahl wären diese Menschen eventuell nicht gewählt worden. - Es sind im Übrigen auch Sozialdemokraten

dabei. Wir reden also nicht nur über unsere Interessen.

(Editha Lorberg [CDU]: Wie hoch ist die Wahlbeteiligung bei der Stich- wahl?)

Mit einer Stichwahl wären die Menschen womöglich nicht ins Amt gekommen.

(Ulf Thiele [CDU]: Das gilt im Zweifel auch für die Abgeordneten dieses Parlaments! Das ist genau das Glei- che!)

Jetzt stellt sich die Frage, Herr Thiele: Wie soll man ein solch wichtiges Amt mit einer solcher Hypothek ausüben? Immer wenn der erste größere Konflikt kommt, heißt es: Die Mehrheit hat ihn, hat sie ja gar nicht gewollt.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Ich glaube, dadurch wird das Instrument der Direktwahl, das den Hauptverwaltungsbeamten eigentlich stärken soll, komplett ad absurdum geführt. Ohne Stichwahl wird der Hauptverwaltungsbeamte nicht gestärkt, sondern er wird geschwächt und damit angreifbar. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ein weiteres Argument: Ohne Stichwahlen wird das Interesse an den Direktwahlen insgesamt abnehmen. Wenn z. B. bestimmte Parteien gar nicht die Chance für sich sehen, überhaupt noch anzutreten, geht das entsprechende Wählerspektrum möglicherweise auch nicht mehr hin. Das konnte man übrigens schon 2011 deutlich beobachten. Es kam auch vor, dass es dann oft nur noch einen oder zwei Bewerber gab.

Dazu frage ich mich: Was ist eigentlich eine Wahl? - Eine Wahl sollte immer auch die Möglichkeit einer Alternative beinhalten.

(Editha Lorberg [CDU]: Sagen Sie einmal etwas zu der Wahlbeteiligung bei der Stichwahl!)

Wenn ich als Anhänger z. B. der Grünen, der FDP - ich bin sehr gespannt darauf, wie sich heute die FDP verhalten wird -, der Linken, der Piraten oder auch der Freien Wähler zu der Wahlentscheidung gar nicht den Zugang finde, dann bleibe ich doch lieber ganz zu Hause.

Die Befürchtung war ja damals, dass der zweite Wahlgang die Wahlbeteiligung senkt. Ich finde, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wenn für einen Teil des politischen Spektrums gar nichts mehr im Angebot ist, dann wird die Wahlbeteiligung sehr schnell, auch bei den ersten Wahlgängen, heruntergehen, und zwar drastisch. Das müssen wir verhindern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Politik braucht Legitimation. Demokratie braucht Vielfalt. Bei den Direktwahlen in unseren Gemeinden, Städten und Landkreisen erreichen wir beides nur dann, wenn wir eine Stichwahl vorsehen.

Deshalb ist das heute hier der richtige Weg. Es ist ein guter Tag für die kommunale Demokratie in Niedersachsen, für Partizipation, für Teilhabe. In diesem Sinne freue ich mich schon auf die weitere Beratung.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)