Protocol of the Session on June 25, 2014

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Besprechung zu Punkt c schließen kann.

Ich eröffne die Besprechung zu Punkt

d) Ringelschwanz-Prämie macht den Tierschutz zum Roulette - Minister Meyer fördert Tierqual statt Tierwohl - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/1651

Zu Wort gemeldet hat sich für die FDP-Fraktion Herr Kollege Grupe. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um Beißattacken. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um Herrn Suarez aus Uruguay, der gestern bei der Fußballweltmeisterschaft seinen italienischen Gegenspieler in die Schulter gebissen hat. Unter Menschen tritt ein solches Verhalten auch eher selten auf, wenngleich Herr Suarez insofern Wiederholungstäter ist. Nein, meine Damen und Herren, hier geht es um eine Verhaltensanomalie bei Hausschweinen. Hausschweine beißen ihre Artgenossen oft aus Langeweile und aus Nervosität. Besonders gefährlich dabei ist, dass bei kleinen Ferkeln häufig die Schwänze angeknabbert werden, was dann dazu führt, dass es unter den Artgenossen zu einem regelrechten Kannibalismus kommt.

Meine Damen und Herren, dieses Schwänzebeißen ist kein Phänomen der modernen Nutztierhaltung. Vielmehr wird schon seit Generationen von Landwirten daran gearbeitet, wie man dem entgegenwirken könnte; wenn Sie mit älteren Landwirten reden, werden die Ihnen viele Hausre

zepte verraten können. Deshalb sagt auch Professor Blaha von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, dass die Maßnahme, das letzte Drittel der Ferkelschwänze zu entfernen, lange Zeit als eine tierfreundliche Maßnahme betrachtet wurde, während man heute aus ethischen Gründen sagt, wir müssen Haltungsformen finden, bei denen auch das nicht mehr nötig ist.

Klar sein muss - meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir uns darin alle einig sind -: Wir müssen zu mehr Tierwohl kommen, nicht aber zu einer zusätzlichen Gefährdung der Tiere mit der Folge, dass sie schwersten Verletzungen ausgesetzt werden.

(Beifall bei der FDP)

Den Königsweg, wie man diese Verhaltensstörungen in den Griff bekommen kann, hat man bisher noch nicht gefunden. Im Rahmen von 15 bundesweiten Forschungsprojekten sind bislang keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt worden. Auch im Rahmen des Tierschutzplans Niedersachsen, bei dem man über Lösungen nachdenkt, ist kein Weg gefunden worden, wie man sicherstellen kann, dass dieser relativ kleine Eingriff, der nötig ist, um das Schwänzebeißen sehr wirkungsvoll zu unterbinden, überflüssig gemacht werden kann. Nach wie vor besteht die Gefahr, dass es zur Verletzung von Tieren kommt.

Meine Damen und Herren, dass der Minister eine Ringelschwanzprämie für den Fall ausgelobt hat, dass bei einem Verzicht auf das Schwänzekürzen 70 % der Tiere unverletzt bleiben, zeigt, dass er selbst nicht an den Erfolg glaubt. Er erlaubt eine Quote von 30 % verletzter Tiere - das ist absolut unverantwortlich -, und für die restlichen Tiere will er eine Prämie zahlen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn 30 % der Tiere verletzt sind, dann kommt es auch dazu, dass einige schweren kannibalistischen Attacken anheimfallen. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Das wollen Sie nicht sehen. Dem muss man rechtzeitig entgegenwirken. Wenn das einmal angefangen hat und einige Schweine wirklich Blut geleckt haben, dann fressen die von hinten her ihre Artgenossen bei lebendigem Leibe auf. Das ist eine absolut viechische und bestialische Tierquälerei. Die muss unter allen Umständen unterbunden werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir fordern den Minister auf: Machen Sie Ihre Hausaufgaben im Rahmen des Tierschutzplanes! Während Sie sich hier im Alleingang vorbei an allen Experten und Praktikern als Herr der Ringelschwänze aufspielen wollen, werden die Tiere einem tierquälerischen Roulette ausgesetzt. Das ist indiskutabel. Wir brauchen hier sachliche Lösungen, nicht aber ideologische.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dammann-Tamke das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ringelschwanzprämie für mehr Tierschutz - Geld gibt es nur für unversehrte Schweine - Niedersachsen Vorreiter. So lautete die Pressemitteilung aus dem ML. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn es jemals eine Initiative einer Niedersächsischen Landesregierung gab, die dem Wohl und dem Schutz von Tieren in eklatanter Weise zuwiderläuft, dann ist es diese.

(Beifall bei der CDU)

Jedem Schweinehalter wird ein hoher und damit äußerst attraktiver Anreiz gegeben, in einen staatlich alimentierten Tierhaltungsversuch einzusteigen, ohne Rücksicht auf elementare Aspekte des Tierschutzes. Man hat sogar die Unverfrorenheit, sich seitens des ML dafür zu loben, dass dieses bundesweit eine Premiere sei.

Liebe Mitglieder von den Fraktionen der SPD und der Grünen: Wann wachen Sie endlich auf? Wann legt sich der Schleier über Auge und Geist? - Ihr Minister lobt tatsächlich eine Prämie für jeden Schweinehalter aus, dem es gelingt, mindestens 70 von 100 Tieren unverletzt im Schlachthof anzudienen. Ich frage Sie: Wer betrachtet die 30 verletzten Tiere? - Wenn Sie mit einem Praktiker in einen Stall gehen, der von Kannibalismus befallen ist und einen Anteil von 30 % an verletzten Tieren aufweist, dann sagt der Ihnen: Das ist eine Katastrophe! - Das ist auch eine Katastrophe. Ein solcher Stall gleicht einem Blutbad.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt frage ich Sie: Welch eine Errungenschaft im Sinne des Tierschutzes steht hinter dieser Initiative? Wer spricht über das Leid der 30 anderen

Tiere, die es nicht ohne schwere körperliche Blessuren - bis hin zum Tod - bis hin zum Schlachthof schaffen? Wer berichtet über die Blutbäder in den Ställen? Wer berichtet über den zunehmenden Antibiotikaeinsatz, um ein Einwandern von Keimen über die Wunde in das Rückenmark zu verhindern? Wer berichtet über die Ferkel, die schon in der Ferkelaufzucht bei den Sauenhaltern aufgrund schwerster Verletzungen euthanasiert werden? Wer kontrolliert, dass nicht Viehhändler Gruppen von verschiedenen Teilnehmern zusammenstellen, um wenigstens bei einem Teilnehmer die 70-%Hürde zu erreichen? Wer kontrolliert, dass Lieferscheine nicht im Nachgang zwischen Sauenhaltern und -mästern gefälscht werden, um über Reklamation die 70-%-Hürde zu erreichen? Was ist das für eine Grundhaltung, eine Prämie für eine Tierhaltung auszuloben, die ab 2016 sowieso schon verbindlich eingeführt werden soll? Welche konkreten Handlungsempfehlungen können dem Schweinehalter an die Hand gegeben werden, um Kannibalismus mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen? Warum wird die Arbeitsgruppe „Tierschutzplan“ in keiner Weise einbezogen? Wer in dem Fachreferat des Ministeriums kann der Hausspitze eine solche Initiative ernsthaft vorschlagen? Welche Beispielbetriebe in Niedersachsen kann uns die Hausspitze benennen, die ernsthaft dokumentieren können, dass sie das Thema „Schwanzkannibalismus“ sicher beherrschen?

Für alle, die es nicht wahrhaben wollen: Auch die Bio-Schiene und die konventionellen Schweinehalter à la NEULAND kennen das Problem des Schwanzkannibalismus. Wer davor die Augen verschließt, ist ein Scharlatan.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Antworten auf all diese Fragen lassen sich einfach zusammenfassen: Da gibt es jemanden in der Niedersächsischen Landesregierung, dem die eigene Profilierung und die Meinungsführerschaft zu bestimmten Themen offensichtlich wichtiger sind als jede Vernunft.

(Beifall bei der CDU)

Tierschutz eignet sich aufgrund der hohen Emotionalität des Themas ganz besonders für diese Form der Inszenierung. In diesem Fall hat er sich allerdings hoffnungslos verrannt. Dieser Minister ist bereit, weil die entsprechende Arbeitsgruppe „Tierschutzplan“ bisher nicht geliefert hat, viel Geld in die Hand zu nehmen, um einen großflächig geförderten Tierhaltungsversuch mit garantiertem Tierleidfaktor auszuloben, in der Hoffnung, dass am

Ende im Jahr 2016 herauskommt: Eine Anzahl von x Betrieben hat es geschafft, dem Schlachthof eine Anzahl von y Schweinen mit einer Rate von unter 70 % Verletzungen anzudienen. Resümee: Es ist also machbar und nur eine Frage der Umsetzung.

Dumm allerdings ist unser Minister nicht; denn ausweislich der Pressemitteilung muss das Programm von Fachpersonal wie z. B. einem Tierarzt begleitet werden. So steht es da drin. Da frage ich Sie: Gibt es in diesem Haus die Denke, dass alle Sauenhaltungsbetriebe so groß sind, dass sie einen eigenen Tierarzt in einem Angestelltenverhältnis als Fachpersonal vorhalten können? - Da habe ich doch erhebliche Bedenken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Tierärzte sind selbstständig und lassen sich nicht in die Kategorie „Fachpersonal“ einordnen.

Von Hermann Hesse stammt das Zitat: Um das Mögliche zu erreichen, müssen wir das Unmögliche versuchen. - Herr Minister, das ist ein hehres Ziel, welches viele Akteure - nicht nur in Niedersachsen - verfolgen. Sie verfahren offensichtlich im Sinne des Hesse-Zitats. Nur, in diesem Fall passt es leider gar nicht. Sie nehmen hier Geld in die Hand und induzieren dadurch ein tausendfaches schwerstes Tierleid!

Ich hoffe, Sie stellen sich dann diesen Kreaturen und werden den Mut aufbringen, sich für diese Initiative öffentlich zu entschuldigen. Sie können heute schon damit beginnen, sich dafür zu schämen!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Och!)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Abgeordneter Scholing das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Grupe, zunächst einmal vielen Dank, dass Sie das Thema eingebracht haben. Mir gefällt das, auch im Sinne unserer Nachbarschaft dort hinten.

Wir haben es - nicht zum ersten Mal - mit einem wichtigen Thema zu tun, das sowohl bei den Landwirten als auch bei den Verbraucherinnen und

Verbrauchern einen hohen Stellenwert hat. Vielen Dank dafür!

Zu dem Dank kommt noch ein Lob an die schwarzgelbe Landesregierung, die 2013 abgewählt worden ist. Sie haben den Tierschutzplan auf den Weg gebracht.

(Zuruf von den GRÜNEN: Auf Druck des jetzigen Ministers!)

Das ist ein hervorragendes Instrument, für das es in der Gesellschaft einen breiten Konsens gibt; denn wir brauchen mehr Tierschutz in der Nutztierhaltung.

Der Kern ist, dass wir 2016 aus dem routinemäßigen Kupieren der Schwänze aussteigen. Das ist ein guter Weg, den wir konsequent weiterverfolgen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Erst Dank, dann Lob, und jetzt auch noch Gemeinsamkeit. An diesem Punkt haben wir auch Gemeinsamkeit. Selbstverständlich gibt es einen großen Bedarf, im Tierschutz besser zu werden. Das ist immerhin noch eine Gemeinsamkeit.

Jetzt wird die Luft - bezogen auf Dank und Gemeinsamkeiten - aber langsam dünn. In der Pressemitteilung meines Sitznachbarn Herrn Gruppe vom 18. Juni heißt es - das ist im Grunde auch der Tenor, Herr Dammann-Tamke, den Sie hier angeschlagen haben -: „schwerste tierquälerische Verletzungen werden in Kauf genommen“, „Tierschutz wird zum Roulette-Spiel“, „Prämienexperiment“. - Geht’s auch halblang?