Protocol of the Session on February 27, 2014

Herr Kollege Nacke, es ist schon bezeichnend: Seit Sie in der Opposition sind, merken Sie hier immer wieder Probleme mit der Geschäftsordnung an, die Sie aber selber beschlossen haben.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der FDP spricht jetzt ebenfalls zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Grascha.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie hier Ihren Aufklärungswillen dokumentieren wollen, dann sollten Sie diese Fragestunde öffnen. Das wäre tatsächlich ein Beitrag zur Aufklärung. Wir haben in den letzten Wochen Unterrichtungen beantragt und Fragen aufgeworfen. Diese Landesregierung hat sich aber weggeduckt. Die Ministerin ist nicht in den Rechtsausschuss und auch nicht in den Innenausschuss des Deutschen Bundestages gekommen, sondern sie ist entweder nicht gekommen oder hat die zweite Reihe vorgeschickt. Heute haben wir die Chance, dass die Mitglieder des Kabinetts vor diesem Hohen Haus zu dieser wichtigen Affäre Rede und Antwort stehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das ist doch geübte Praxis. Ich erinnere dazu nur an den Fall um den damaligen Ministerpräsidenten bzw. Bundespräsidenten Christian Wulff. Seinerzeit hat Schwarz-Gelb die Fragestunde selbstverständlich sofort geöffnet und gesagt: Sie können alle Fragen stellen, die Sie stellen wollen. - Diese Souveränität haben wir damals an den Tag gelegt. Der Unterschied zwischen uns allerdings ist der: Sie konnten damals als Opposition nicht einmal die richtigen Fragen stellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die gestrige Debatte hat wieder einmal mehr Fragen aufgeworfen, als tatsächlich beantwortet wurden.

(Johanne Modder [SPD]: Lesen Sie heute einmal die Presse und die Kommentierungen!)

Wer wann was gewusst hat, ist immer noch nicht geklärt. Immer noch nicht geklärt ist auch, wie Herr Edathy die Information, dass gegen ihn möglicherweise ermittelt wird, erhalten hat. Entscheidend aber ist die immer noch nicht beantwortete Frage: Welches Rechtsstaatsverständnis hat eigentlich diese Landesregierung?

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Dieser Ministerpräsident hat sich hier gestern hingestellt und den Rechtsstaat hoch und heilig verteidigt.

(Anja Piel [GRÜNE]: Ja, zu Recht!)

Was sagt er denn zu den Plaudereien von Herr Gabriel? Was sagt er denn dazu, dass Herr Op

permann zum Geheimnisverrat angestiftet hat? - Dazu gab es gestern kein Wort. Darauf brauchen wir endlich Antworten.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Grascha. - Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung sehe ich nicht.

Ich darf meinen Eindruck - ich denke, einvernehmlich - so wiedergeben, dass der Redner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Herr Tonne von der SPD-Fraktion insgesamt auch für ihre Fraktionen gesprochen haben. Damit wäre im Sinne von § 99 der Geschäftsordnung klar, dass mindestens zehn anwesende Mitglieder des Landtages dem Antrag der CDU-Fraktion widersprochen haben und wir nicht entsprechend § 99 verfahren werden.

Wir treten jetzt ganz regulär in die Beratung der Dringlichen Anfragen ein.

Es liegen - ich sage es noch einmal - zwei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise - wie üblich und heute besonders - darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind.

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich darum, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten. Sie alle kennen das Prozedere.

Wir kommen jetzt zur ersten Dringlichen Anfrage

a) „Edathygate“ - Wie steht die SPD zum Rechtsstaat? - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/1232

Diese Anfrage möchte Herr Dr. Genthe vortragen. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage der FDP, die ich jetzt verlesen darf, trägt den charmanten Titel „‚Edathygate’ - Wie steht die SPD zum Rechtsstaat?“.

(Christian Dürr [FDP]: Ein ungelöstes Problem!)

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann erklärte am 13. Februar 2014, dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel im Oktober 2013 vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich darauf angesprochen worden sei, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name des SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy aufgetaucht sei, wobei es möglicherweise zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen werde. Sigmar Gabriel habe darüber den damaligen Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und ihn selbst informiert, was ihn dazu veranlasst habe, den Präsidenten des Bundeskriminalamtes Ziercke anzurufen.

Auch der niedersächsische Innenminister Pistorius ist Medienberichten zufolge bereits im Oktober 2013 vom Präsidenten der Polizeidirektion Göttingen, Robert Kruse, über mögliche Ermittlungen gegen Sebastian Edathy im Rahmen eines bundesweiten Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit Kinderpornografie informiert worden. Erst bei der Polizeiinspektion Nienburg, die den Datensatz zuvor über das Landeskriminalamt vom Bundeskriminalamt erhalten hatte, war aufgefallen, dass es sich bei der betroffenen Person um den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Edathy handelt.

Die für die strafrechtliche Verfolgung zuständige Staatsanwaltschaft Hannover, die von dem Verfahren erstmals Anfang November 2013 Kenntnis erhalten hatte, teilte dem Bundespräsidenten mit Schreiben vom 6. Februar 2014 mit, dass sie gegen den niedersächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten Edathy ermitteln werde. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft Hannover soll nach Medienberichten allerdings erst am 12. Februar 2014 beim Bundespräsidenten eingegangen sein

(Zuruf)

- Bundestagspräsidenten; vielen Dank für den Hinweis -, wobei der Umschlag unverschlossen gewesen sein soll. Noch am 6. Februar 2014 verzichtete der SPD-Abgeordnete Edathy mittels notariell beglaubigter Erklärung auf sein Bundestagsmandat mit Wirkung vom 7. Februar 2014.

Daraufhin erwirkte die Staatsanwaltschaft Hannover einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, auf dessen Grundlage am 10. und am 12. Februar 2014 mehrere Büro- und Wohnräume des ehemaligen SPD-Abgeordneten Edathy durchsucht wurden.

Nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft Hannover Fröhlich habe man bei den Durchsuchungen wenig Material gefunden. Es liege nahe, dass Computer entfernt worden seien, nachdem Edathy gewarnt worden sei. Fröhlich erklärte im Rahmen einer Pressekonferenz, dass er fassungslos sei, dass sich breite Teile der Polizei und der Innenministerien mit dem Fall beschäftigt hätten, bevor die Justiz überhaupt in den Besitz der Strafakte gekommen sei. Zudem sagte er, dass seine Behörde mit äußerster Geheimhaltung vorgegangen sei. Trotzdem seien Teile der Ermittlungsakte teilweise vollständig öffentlich bekannt geworden.

Die Bundestagsverwaltung teilte zudem laut Medienberichten mit, dass das Bundestagsbüro des ehemaligen SPD-Abgeordneten Edathy entgegen Äußerungen der Staatsanwaltschaft Hannover nicht versiegelt worden sei und es auch keine besondere Sicherung vorhandener Daten gegeben habe.

Den vom Bundestag dem SPD-Abgeordneten Edathy zur Verfügung gestellten Laptop hat dieser am 12. Februar 2014 als gestohlen gemeldet. Der Rechner sei ihm am 31. Januar 2014 auf einer Zugfahrt von Hannover nach Amsterdam entwendet worden.

Der ehemalige niedersächsische SPD-Innenminister Heiner Bartling erklärte in der Zwischenzeit in einem Fernsehinterview, dass Edathy ihm telefonisch bestätigt habe, dass ihm durch einen Informanten mitgeteilt worden sei, dass da etwas gegen ihn laufe, wobei der ehemalige SPD-Abgeordnete Bartling keine Aussage dazu treffen konnte, ob dieser Informant aus der SPD oder den Sicherheitsbehörden komme.

Der SPD-Vorsitzende Gabriel erklärte im Hinblick auf den mittlerweile zurückgetretenen Bundesminister Friedrich, gegen den laut Medienberichten die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Bruchs eines Dienstgeheimnisses unmittelbar bevorstehen soll - diese Ermittlungen sind inzwischen offensichtlich aufgenommen worden -, dass dieser mit dem Hinweis an ihn möglicherweise auch verhindert habe, dass Edathy bei der Bildung der Großen Koalition mit einem hohen Amt - etwa als Staatssekretär - bedacht worden wäre. Die Partei hätte sonst „Personalentscheidungen getroffen, die wir heute vielleicht sehr, sehr bedauern würden“, äußerte der SPDBundesvorsitzende und Vizekanzler. Ich zitiere weiter:

„Man würde Herrn Friedrich heute den Vorwurf machen: Warum hast du das damals nicht gesagt, bevor Menschen in ihre Ämter gekommen sind?“

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welches Mitglied der Landesregierung wusste wann was und aus welcher Quelle im Zusammenhang mit den Vorgängen bezüglich des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy, die letztendlich zur Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen geführt haben?

2. Welche niedersächsischen Behörden haben zu welchem Zeitpunkt durch wen oder aufgrund welcher Umstände Kenntnis von den Vorgängen erlangt, die letztendlich zur Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen geführt haben?

3. Wie bewertet die Landesregierung die Auffassung des Vizekanzlers der Bundesrepublik Deutschland und SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, dass das Interesse an der Verhinderung falscher Personalentscheidungen bei der Regierungsbildung der Großen Koalition wichtiger sei als die Bewahrung von Dienstgeheimnissen und der Schutz der Vertraulichkeit und Effektivität der Strafverfolgung?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Für die Landesregierung antwortet Frau Justizministerin NiewischLennartz. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Artikel 31 der Niedersächsischen Verfassung lautet:

„Die Mitglieder der Landesregierung haben sich bei der Amtsübernahme vor dem Landtag zu den Grundsätzen eines freiheitlichen, republikanischen, demokratischen, sozialen und dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichteten Rechtsstaates zu bekennen und folgenden Eid zu leisten“.

Diesen Eid haben alle Mitglieder der Landesregierung in diesem Haus abgelegt. Sie allesamt haben sich damit vor einem Jahr ausdrücklich zum Rechtsstaat bekannt.

Das Rechtsstaatsprinzip ist ein Pfeiler, auf dem unser Gemeinwesen ruht. Das Rechtsstaatsprinzip in Niedersachsen zu wahren und zu sichern, ist eine der zentralen justizpolitischen Aufgaben der Landesregierung.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung hat deshalb zu jeder Zeit zum Ziel, Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes personell und sachlich so auszustatten, dass sie ihrer Pflicht zur umfassenden Aufklärung der materiellen Wahrheit im Strafverfahren nachkommen und so das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit verwirklichen können.