Protocol of the Session on February 26, 2014

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung und erteile Herrn Kollegen Haase für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, wir werden gleich mit ähnlich deutlicher Mehrheit, nämlich am besten alle, helfen, ein Ärgernis des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrags in der Zukunft zu beseitigen. Es geht um die aktuell vorgeschriebene Depublikationspflicht, also um das Entfernen hochwertiger, zum Teil sehr aufwändig produzierter öffentlich-rechtlicher Produktionen aus den Onlinemediatheken. Die öffentlichrechtlichen Sender sind seit 2009 gemäß Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet, sowohl Video- als auch Audiobeiträge nach sieben Tagen von ihren Internetseiten zu löschen. Damit gehen diese Beiträge einer großen Zahl von Nutzern, die sie auch später noch einmal aufrufen wollten, dauerhaft verloren. Diese Pflicht ist aufgrund der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung und der ständig steigenden Bedeutung des Internets als Verbreitungsweg in meinen Augen nicht mehr zeitgemäß.

Bei der Einführung der gerade diskutierten Haushaltsbeiträge war ein Argument, dass nur ein geräteunabhängiger Beitrag zeitgemäß sei, da die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dank

neuer technischer Möglichkeiten jederzeit für jeden und für jede abrufbar sein sollen. Daraus folgt für mich in der Konsequenz: Sie müssen unbefristet verfügbar sein.

Meine Damen und Herren, die Pflicht zur Depublikation entstand unter starker Einflussnahme privater Medienunternehmer. Zum Teil war deren Kritik sicherlich auch berechtigt. Das ist ja ihr Kerngeschäft, und wo es sich um ihr Kerngeschäft handelt, sollte man in der Tat sehr vorsichtig agieren. Soweit es sich aber um Bereiche handelt, die zum öffentlich-rechtlichen Auftrag der Rundfunkanstalten gehören, also Informationssendungen, Dokumentationen, besteht keine wirkliche Konkurrenz.

Andererseits erschwert aber die Depublikationspflicht, dass wichtige Inhalte, teuer und aufwändig produziert, den Nutzern moderner Onlineangebote dauerhaft zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere für Jugendliche oder insgesamt jüngere Nutzer, die in den letzten Jahren ganz andere Nutzereigenschaften entwickelt haben. Geplante Angebote wie zum Beispiel vom WDR für Jugendliche seien mit dieser Regelung nicht möglich, betont dann auch der NRW-Staatssekretär Jan Eumann. Geplante und wünschenswerte Portale mit öffentlich-rechtlichen Inhalten wären aktuell mit dem Recht nicht vereinbar.

Meine Damen und Herren, mittlerweile ist eine bundesweite Diskussion entbrannt, auf die zurzeit geltende Siebentagefrist gänzlich zu verzichten. Das war schon Thema der Ministerpräsidentenkonferenz in Heidelberg, nach der die rheinlandpfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer erklärte, man wolle gerne auf die Siebentagefrist verzichten und plane, Verhandlungen mit der EUKommission zu führen sowie Kontakt mit den Verlegern aufzunehmen. Es war aber auch schon Thema in Landtagen. So hat die Bremische Bürgerschaft im Dezember 2013 einen entsprechenden Antrag mit den Stimmen aller - liebe FDP: aller! - Fraktionen verabschiedet.

Liebe FDP, an dieser Stelle: Ich denke, Sie sollten Ihre - wie soll man es formulieren? - sich enthaltende Position in der Tat noch einmal überdenken. Wir stärken den Ministerpräsidenten bei den Konferenzen. Wir stärken auch die Medienkompetenz des Landes Niedersachsen, wenn wir gerade in dieser Frage mit einer Stimme sprechen, nicht nur als Landesregierung, nicht nur als drei Fraktionen, sondern der gesamte Landtag, der dann diesen Wunsch äußert bzw. diesen Auftrag erteilt.

Meine Damen und Herren, aus den zuvor genannten Gründen bitten wir deshalb die Landesregierung erstens, sich bei den Verhandlungen dafür einzusetzen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Anbieten der eigenen Produktionen online über die derzeit geltende Frist hinaus - am besten natürlich dauerhaft - zu ermöglichen, wobei dieses Angebot gerade auch den barrierefreien Zugang für alle Menschen erleichtert;

(Zustimmung von Gerald Heere [GRÜNE])

zweitens, entsprechende Angebote für Kinder und Jugendliche zu gestalten und zu präsentieren und damit auch die Sprach- und Medienkompetenz der nächsten Generation, also dieser Zielgruppe, zu stärken; drittens, den mobilen Empfang und die Schaffung notwendiger Apps zu ermöglichen, ohne dabei zu höheren Ausgabeansätzen bei den Rundfunkanstalten zu kommen. Ich meine, das ist selbstverständlich.

Es ist doch einfach Fakt: Eigene öffentlich-rechtliche Produktionen sind aus Beiträgen finanziertes Allgemeingut. Deshalb müssen sie für die Beitragszahler - also für alle Nutzer - auch dauerhaft nutzbar sein.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist für mich eine Logik, die sich auch aus dem Rundfunkbeitrag ergibt.

Meine Damen und Herren, die Seh- und Anwendungsgewohnheiten - das ist schon gesagt worden - haben sich verändert, auch durch neue mobile Endgeräte. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben sich der Herausforderung gestellt. Sie müssen aber auch durch uns die Chance bekommen, sich diesen neuen Möglichkeiten überhaupt zu stellen. Öffentlich-rechtliche Mediatheken sollen daher zukünftig thematisch gebündelt, zielgruppenorientiert, aber auch vollständig sein. Nur damit versetzen wir die öffentlich-rechtlichen Anstalten dauerhaft in die Lage, ihrem verfassungsmäßigen Versorgungsauftrag auch im Internet angemessen nachzukommen.

(Glocke der Präsidentin)

Zum Schluss möchte ich mich bei all denen bedanken, die bei den durchaus nicht ganz einfachen Verhandlungen und Gesprächen zu diesem gemeinschaftlichen Änderungsantrag beigetragen haben. An die FDP richte ich dabei nochmals die Bitte bzw. sogar die Aufforderung, sich dem Votum

der SPD, der Grünen und der CDU anzuschließen. Ich glaube, das wäre ein gutes Signal. Ansonsten hat die Mehrheit hier einen guten Antrag auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Haase. - Für die CDUFraktion hat nun Herr Dr. Siemer das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was machen Sie - also die Anwesenden im Saal - eigentlich am Sonntagabend? - Bei vielen von uns haben sich am Sonntagabend so manche Rituale eingeschliffen, z. B. ist er bei vielen „Tatort“-Abend. Innerhalb kürzester Zeit hat sich die „heute-show“ ein festes Stammpublikum erarbeitet, zu dem, wie ich vernommen habe, auch Politikerinnen und Politiker gehören, die dort durch den Kakao gezogen werden. Und von der „Tagesschau“ wurde einmal gesagt, dass deren Sprecher bzw. Sprecherinnen die Nachrichten auch in Latein und bei Kerzenlicht verlesen könnten, sie hätten immer noch die besten Einschaltquoten.

Bei der Gelegenheit möchte ich kurz auf das eingehen, was Herr Haase - nein, Entschuldigung, der Kollege von den Grünen zum Thema Demokratiepauschale gesagt hat.

(Zurufe: Heere heißt er!)

- Richtig.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich habe in den Vereinigten Staaten diskutiert - nein, studiert. - Jetzt haben Sie mich ganz durcheinandergebracht.

(Heiterkeit)

Das ist, glaube ich, die Gefahr bei einstimmigen Anträgen, dass man nicht mehr ganz so genau hinguckt.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ist doch nicht einstimmig!)

- Das wollen wir doch mal sehen.

Ich habe jedenfalls in den Vereinigten Staaten studiert, und im dortigen Studentenwohnheim Atherton-Hall war es ein Ritual, sich die „ABC

News“ anzuschauen. Dort wohnten Studenten aus verschiedenen Nationen, und das kam bei allen sehr gut an. Die amerikanischen Nachrichten, gerade die von ABC, die ich dort gesehen habe, waren von sehr hoher Qualität und offensichtlich nicht öffentlich-rechtlich produziert. Also: Die Demokratie wird nicht notwendigerweise untergraben, wenn es keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. Insofern wäre es für mich etwas zu weit gegriffen, den Rundfunkbeitrag als Demokratiepauschale zu bezeichnen.

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten kommen ihrem Auftrag der Grundversorgung in den Bereichen Bildung, Information, Kultur und Unterhaltung nach, und der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag - der Kollege Haase hat es schon gesagt - hat den Weg ins Internet bereitet. Das Internet ist - wahrscheinlich nach dem Buchdruck - die technische Innovation, die die Medienbranche am meisten, am stärksten und auch mit der größten Geschwindigkeit durcheinandergebracht hat. Insofern begrüßen wir den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen; denn mit diesem Antrag wird uns Gelegenheit geben, uns mit einer Neugestaltung oder neuen Leitlinien für die Weiterentwicklung des Internetangebotes auseinanderzusetzen.

Dazu folgender Hinweis: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland verfügen über ein Gesamtbudget von 9,1 Milliarden Euro. Die ARD ist mit ihrem Budget von über 6 Milliarden Euro der größte nicht kommerzielle Programmanbieter weltweit. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es mit gutem Grund die 1-%-Regel für die Ausgaben im Internetbereich und auch inhaltliche Vorgaben für die Ausgestaltung der Beiträge im Internet gibt.

(Glocke der Präsidentin)

Der Medienkonsum der Menschen und die technischen Neuentwicklungen machen dort allerdings Anpassungen notwendig, und zwar in Beibehaltung der von Herrn Haase angesprochenen Ausgabendisziplin. Sie hatten die inhaltlichen Leitlinien genannt: längerfristiges Einstellen von Audio- und Videoinhalten bzw. unbefristete Einstellung von Eigenproduktionen - Sie nannten es hochwertige Produktionen -, angemessene ergänzende nicht journalistische Texte zu den Sendungen, Einbindung mobiler Plattformen, kind- und jugendgerechte Internetangebote.

Dazu noch eine besondere Bitte meinerseits: Bei der Internetpräsenz der öffentlich-rechtlichen An

stalten sollte darauf geachtet werden, dass sich gerade junge Nutzer nicht in urheberrechtliche Konflikte bringen, wenn sie sich auf Onlineinhalte aus diesen Plattformen beziehen. Das kann ja sehr leicht passieren. Und es ist gerade für junge Leute recht unerquicklich und kaum zu bewältigen, wenn sie aufgrund von Urheberrechtsfragen, die für uns ja schon kompliziert genug sind, in Konflikte kommen.

Wir bitten die Landesregierung, so auf Länderebene zu verhandeln, und stimmen dem Antrag zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD sowie bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Als nächster Redner hat nun Herr Kollege Dürr für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Haase, ich bin nicht ganz so dramatisch unterwegs wie Sie. Ich glaube nicht, dass Ministerpräsident Weil und sein Kabinett gleichsam in eine Regierungskrise stürzen, nur weil die FDP-Fraktion heute diesem Antrag nicht zustimmt. Von daher traue ich ihm durchaus zu, die eine oder andere Position glaubwürdig in Berlin zu vertreten, auch wenn eine Oppositionsfraktion heute nicht dabei sein wird. Das will ich vorweg sagen.

Drei Punkte sind mir an der Stelle wichtig.

Der erste ist das Thema Kosten; darüber haben wir im Prinzip vorhin schon einmal diskutiert. Natürlich gibt es im Grundsatz keinen großen Dissens über die Frage, dass bereits bezahlte Inhalte unter Umständen auch länger als sieben Tage im Internet verfügbar sein sollen. Aber: In diesem Antrag - auch im Änderungsantrag zum Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen - gibt es für mich noch zu viele Fragezeichen. An erster Stelle steht die Kostenfrage. Ich glaube, diese grundsätzliche Frage lässt sich ohne eine Antwort auf die Frage, wie wir mit den Mehreinnahmen aus der Haushaltsabgabe am Ende umgehen, nur schwerlich beantworten. Meine Befürchtung ist, dass dann genau das, was ich vorhin beschrieben habe, eintritt, dass nämlich die Politik neue Ansprüche an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stellt, die aber entsprechend bezahlt werden müssen. Von daher

lässt sich das, glaube ich, ohne das Kostenthema am Ende nicht vernünftig diskutieren.

Ein entscheidender Satz ist ja aus dem Ursprungsantrag herausgestrichen worden - ich weiß, dass damit durchaus das Ziel verbunden war, auch meine Fraktion an dieser Stelle mitzunehmen -, nämlich:

„Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass Urheber und Produktionsbeteiligte angemessene Vergütungen erhalten.“

Nämlich dann, wenn die Inhalte länger als sieben Tage verfügbar sind. In diesem Zusammenhang spielen ja auch lizenzrechtliche Fragen eine Rolle.