Protocol of the Session on December 12, 2013

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 24. Sitzung im 10. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 17. Wahlperiode. Gemeinsam mit dem Präsidium wünsche ich Ihnen allen zunächst einen guten Morgen!

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsi- dent!)

Tagesordnungspunkt 25: Mitteilungen des Präsidenten

Ich darf in Abstimmung mit den beiden Schriftführern gleich hier und jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Zur Tagesordnung: Meine Damen und Herren, wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 26, den Dringlichen Anfragen. Danach behandeln wir im Rahmen der Haushaltsberatungen den Einzelplan „Umwelt, Energie und Klimaschutz“. Nach der Mittagspause beraten wir über die Einzelpläne „Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung“, „Justiz“, „Wirtschaft, Arbeit und Verkehr“ und „Wissenschaft und Kultur“.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.55 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nun die Schriftführerin Frau Rakow mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt: von der Fraktion der CDU Frau Ingrid Klopp bis zur Mittagspause und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Julia Willie Hamburg.

Danke schön. - Meine Damen und Herren, wir wenden uns jetzt zu dem

Tagesordnungspunkt 26: Dringliche Anfragen

Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als all

gemein bekannt voraus. Ich weise wie üblich besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Wir beginnen sodann mit der Dringlichen Anfrage a:

a) Bürgerrechte stärken - Vorratsdatenspeicherung verhindern - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/1005

Zum Vortrag dieser Dringlichen Anfrage hat sich der Abgeordnete Dr. Marco Genthe gemeldet. Herr Dr. Genthe, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß der Geschäftsordnung verlese ich Ihnen die Dringliche Anfrage:

Die Bedeutung des Datenschutzes und eines verantwortungsvollen Umgangs mit personenbezogenen Daten unserer Bürgerinnen und Bürger ist in den vergangenen Wochen, insbesondere vor dem Hintergrund der NSA-Abhöraffäre, in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung getreten. Ungeachtet dessen sieht der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD die Einführung einer anlassunabhängigen Vorratsdatenspeicherung vor.

Im Rahmen der Umsetzung der europäischen Richtlinie 2006/24/EG wurde im Jahr 2007 von der damaligen Großen Koalition bereits ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Gesetz im März 2010 wegen gravierender Verstöße gegen die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger verworfen. Im Frühjahr 2014 wird ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu der Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit den europäischen Grundwerten erwartet.

Nun wurde im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD auf der Seite 147 unter der Überschrift „Vorratsdatenspeicherung“ u. a. Folgendes vereinbart:

„Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen.“

Dies bedeutet, dass in Deutschland künftig sämtliche Daten der Bürgerinnen und Bürger über Telefonate und Surfverhalten im Netz anlasslos - und das mindestens drei Monate lang - gespeichert werden. Die damalige Begründung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach eine vorsorgliche und anlasslose Vorratsdatenspeicherung schlechthin unvereinbar mit Artikel 10 des Grundgesetzes und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist, wurde im Koalitionsvertrag nicht beachtet.

Die neusten Enthüllungen über die Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes NSA beleuchten kritisch die Datensicherheit und den Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland. Bei einer differenzierten Betrachtung muss jedoch zwischen dem Agieren der NSA und der Vorratsdatenspeicherung unterschieden werden. Beim Ersten handelt es sich um eine Inhaltsüberwachung, wogegen es sich beim Zweiten um eine Speicherung von Verbindungsdaten handelt. Allerdings besteht bei einer intransparenten massenhaften Datenspeicherung immer ein hohes Missbrauchsrisiko durch Dritte.

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen in Niedersachsen hat in ihrem Wahlprogramm zur letzten Landtagswahl festgeschrieben, dass sie die Schaffung und Öffnung immer neuer anlassloser Datensammlungen zur Strafverfolgung im Bundesrat blockieren will.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!)

- Finde ich auch.

Zudem hat die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie sich im Bundesrat für hohe datenschutzrechtliche Standards, auch auf der EU-Ebene, einsetzen will.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wird die Landesregierung ein späteres Gesetz zur Einführung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung im Bundesrat blockieren? Falls nein, warum nicht?

2. Wird sich die Landesregierung auf der europäischen Ebene für hohe datenschutzrechtliche Standards einsetzen, indem sie darauf hinwirkt, dass die oben genannte Richtlinie nicht nur hinsichtlich der Speicherungsfrist geändert wird?

3. Plant die Landesregierung zukünftig Initiativen, mit denen die Daten der Bürgerinnen und Bürger per Gesetz, mit strafbewehrten Klauseln, vor Zu

griffen Dritter - anders als bei der NSA-Affäre - geschützt werden?

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Abgeordneter Dr. Genthe. - Die Antwort der Landesregierung kommt vom Innenminister. Herr Pistorius, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung steht für einen starken Datenschutz.

Nicht etwa erst nach Bekanntwerden der NSASpähaffäre, sondern bereits unmittelbar nach der Landtagswahl hat die Regierungskoalition beschlossen, sich über den Bundesrat für einen hohen datenschutzrechtlichen Standard auch auf der EU-Ebene einzusetzen.

Zudem werden wir in dieser Legislaturperiode ein neues Landesdatenschutzgesetz ausarbeiten, mit dem wir in Niedersachsen einen unabhängigen, bürgernahen und effizienten Datenschutz verwirklichen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Datenschutz ist bei der Niedersächsischen Landesregierung ganz zweifellos in guten Händen.

Wir alle, meine Damen und Herren, wissen seit den im Sommer bekannt gewordenen Enthüllungen von Edward Snowden, dass ausländische Nachrichtendienste ohne Verdachtsmomente unsere Telefonate und unsere elektronische Kommunikation abgeschöpft haben. Klar ist: Das ist ein veritabler Skandal bisher ungekannten Ausmaßes. Hier werden Grund- und Menschenrechte mit Füßen getreten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Klar ist auch: Derartige Überwachungsmethoden sind Verstöße gegen unsere Verfassung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schon von Verfassungs wegen ist es unseren Sicherheitsbehörden - zu Recht - strikt untersagt, die Inhalte der Kommunikation unserer Bürgerinnen und Bürger ohne konkrete Verdachtsmomente auszuspähen. Das gilt ohne Wenn und Aber auch unter den Bedingungen des Internetzeitalters.

Meine Damen und Herren, bei der Vorratsdatenspeicherung - das klang in der Dringlichen Anfrage ja auch schon an - geht es aber keineswegs um Kommunikationsinhalte, sondern um die Speicherung von Verbindungsdaten. Das sind Rufnummern, Internetprotokolladressen oder Angaben über Zeit und Dauer von Internet- oder Telefonverbindungen.

Die Vorratsdatenspeicherung - auch das ist Stand der Dinge - ist europäisches Recht. Deutschland ist verpflichtet, europäische Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Das gilt selbstverständlich und grundsätzlich auch für die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung.

In der Anfrage wird der Berliner Koalitionsvertrag angesprochen. Zum einen handelt es sich bislang um ein Verhandlungsergebnis, und zum anderen verbietet es sich für mich zum jetzigen Zeitpunkt, bereits über konkrete Fragen der Umsetzung dieses Koalitionsvertrages zu spekulieren. Denn bekanntlich führt die SPD zurzeit noch eine Mitgliederbefragung darüber durch, ob die Partei in die ausgehandelte Große Koalition im Bund eintritt oder nicht. Dieser Entscheidung der SPD-Parteibasis zum Koalitionsvertrag werde ich hier nicht vorgreifen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2010 die ursprünglichen bundesrechtlichen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt - übrigens mit sehr überzeugenden Gründen, wie ich finde.

Zur ganzen Wahrheit gehört freilich auch, dass die Karlsruher Richter keineswegs die Vorratsdatenspeicherung als solche verworfen haben. So weist das Verfassungsgericht in seinem Urteil darauf hin, dass eine Vorratsdatenspeicherung nicht von vornherein verfassungswidrig sei.

Und mehr noch: In dem Urteil wird anerkannt, dass es gute sicherheitspolitische Gründe für dieses Ermittlungsinstrument gibt. So stellen die Richter ausdrücklich fest: Durch die Vorratsdatenspeicherung werden - ich zitiere - „Aufklärungsmöglichkeiten geschaffen, die sonst nicht bestünden und angesichts der zunehmenden Bedeutung der Telekommunikation auch für die Vorbereitung und Begehung von Straftaten in vielen Fällen erfolgversprechend sind“.

Weiter heißt es an einer anderen Stelle: „Eine Rekonstruktion gerade der Telekommunikationsverbindungen ist … für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung.“

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil die Umsetzung der EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung also nicht aus prinzipiellen Gründen für verfassungswidrig erklärt, sondern aus Gründen ihrer konkreten Ausgestaltung. Das ist ein wichtiger Unterschied. Das bedeutet nämlich: Wenn der deutsche Gesetzgeber es handwerklich besser macht, dann wird Karlsruhe die Regelung mutmaßlich nicht scheitern lassen.