Protocol of the Session on October 30, 2013

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 22. Oktober 2013 war ein guter Tag für Niedersachsen, weil endgültig festgestellt worden ist, dass das VW-Gesetz rechtskonform ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Diese Entscheidung ist auch der Historie von VW geschuldet, die ich in Stichworten in Erinnerung rufen will: 1938 gegründet, und zwar auch mit Geldern der Gewerkschaften, die zwangsenteignet worden sind, ist mit der Privatisierung 1960 versucht worden, einen ausgewogenen Interessenausgleich zur Regelung der Eigentumsverhältnisse zwischen Aktionären, Arbeitnehmern und dem Staat zu organisieren, um die Dominanz eines Großaktionärs auszuschließen. Damit ist das VWGesetz etwas Einzigartiges, zumal in § 4 Abs. 3 des VW-Gesetzes geregelt ist, dass wichtige Entscheidungen in der Hauptversammlung nur mit 80 % der Kapitalmehrheit plus einer Stimme getroffen werden können. Daraus resultiert auch die Sperrminorität des Landes Niedersachsen.

Einzigartig, meine Damen und Herren, ist aber auch das, was in der EU-Kommission vorgefallen ist, die die Beratungen über die Klage erst verschoben hat, dann erneut durchgeführt hat, wieder verschoben hat und schließlich mit einer knappen Entscheidung dem Beschlussvorschlag „Klage“ gefolgt ist.

Ich sage das auch mit Blick auf den 25. Mai 2014, weil dieser Vorgang einer knappen Mehrheitsfindung innerhalb der EU-Kommission auch deutlich macht, dass es ganz wichtig ist, welche Vertreter, welche Repräsentanten welcher politischer Parteien in der EU-Kommission sitzen und Entscheidungen herbeiführen. Die Frage ist, ob sie aus Parteien kommen, die sich unter dem Ideologiebegriff „freie Marktwirtschaft“ dafür einsetzen, private Kapitalinteressen durchzusetzen, oder ob sie aus einem Umfeld kommen, in dem unter dem Begriff „soziale Marktwirtschaft“ Kapitalinteressen eben auf Augenhöhe mit Arbeitnehmerinteressen stehen, meine Damen und Herren.

Ich glaube, dass bei diesem elfjährigen Kampf, der jetzt zugunsten des VW-Gesetzes entschieden worden ist, viele einen langen Atem haben mussten und hatten. Ich will an erster Stelle die Belegschaft von VW nennen, die zusammen mit dem Betriebsrat und der IG Metall immensen Wider

stand gegen den Abbau der Rechte der Beschäftigten geleistet hat.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Symbolisch war sicherlich die Demonstration im September 2009 mit 40 000 Beschäftigten vor dem Hochhaus in Wolfsburg. Ich will aber auch die Bundesregierung und alle Landesregierungen in diesem elfjährigen Kampf nennen, beginnend mit den Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel und Christian Wulff sowie ihren Nachfolgern; denn die Ministerpräsidenten haben sich nicht nur Kraft ihres Amtes formal für das VW-Gesetz eingesetzt, sondern sie haben alle aus tiefer innerer Überzeugung mit vollem Elan um den Erhalt des VW-Gesetzes gekämpft. Dafür danke ich insbesondere auch dem ehemaligen Ministerpräsidenten David McAllister und dem jetzigen Ministerpräsidenten Stephan Weil ganz persönlich und ausdrücklich.

(Beifall)

Kern der VW-Philosophie ist das Modell der Teilhabe. Dabei geht es darum, dass VW - wie manchmal behauptet wird - nicht trotz, sondern - ich glaube, da sind wir uns in diesem Hause einig - gerade wegen dieses Modells der Teilhabe als Global Player auf dem Weg zur Nummer eins der Automobilindustrie ist. Ein weiteres Modell dieser Teilhabe ist, dass wir bei VW gute Arbeit und gute Bezahlung vorfinden. Damit ist VW für mich sozusagen die Premiummarke der sozialdemokratischen Idee und auch der neuen Zielsetzung der rot-grünen Landesregierung, für gute und für anständig bezahlte Arbeit zu sorgen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus trägt die internationale Investitionspolitik von VW mit exportierten Arbeitsplätzen auch dazu bei, dass z. B. in Indien oder Brasilien Entwicklungen stattfinden oder dass - gestatten Sie mir die süffisante Bemerkung - auch der Export deutscher Mitbestimmung in die USA noch gelingen kann und sollte.

Aber apropos Transfer, meine Damen und Herren, weil wir darüber sprechen: Das Modell VW kann und sollte auch in Deutschland ein Vorbild sein, Elemente der Mitbestimmung und der staatlichen Beteiligung auch auf andere Institutionen und Betriebe zu übertragen. Ich glaube, da haben Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, noch einige Transferleistungen zu erbringen.

Aber heute ist ein Tag zum Feiern. Er ist ein Grund zur Freude. Deswegen freue ich mich für die SPDFraktion ganz besonders, dass es nach elfjährigem Kampf gelungen ist, endlich Rechtssicherheit herzustellen und damit bei VW auch mithilfe der Landesregierung sozial orientierte Unternehmenspolitik und eine erfolgreiche Wettbewerbsunternehmenspolitik durchzusetzen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Tanke. - Jetzt hat sich Dirk Toepffer, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass die jetzigen Regierungsfraktionen wenigstens eine Tradition der früheren Regierungsfraktionen übernommen haben und das Thema „VW-Gesetz“ hier zur Aktuellen Stunde angemeldet haben. Insofern freuen wir uns über die Kontinuität. Das ist sicherlich ein richtiges und spannendes Thema.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU] und Johanne Modder [SPD])

Gleichwohl, Herr Kollege Tanke, meine Damen und Herren, hoffe ich, dass es nun wirklich das allerletzte Mal war; denn das, was Sie in einem Nebensatz angesprochen haben, Herr Tanke, ist Folgendes: Das eigentlich Historische ist, dass wir jetzt wirklich die Hoffnung haben können, dass wir das Thema „VW-Gesetz“ und Angriffe aus Brüssel darauf heute das allerletzte Mal diskutieren; denn die Kommission hat gesagt: Ja, wir haben zwar nicht gewonnen, aber wir akzeptieren die Entscheidung jetzt. - Wir in Niedersachsen sind es wirklich leid, diese Angriffe aus Brüssel abwehren zu müssen.

Meine Damen und Herren, natürlich gibt uns diese letzte Diskussion die Gelegenheit, ein letztes Mal zu danken. Die Beschäftigten haben Sie beispielhaft bereits an allererster Stelle genannt. Das war richtig, Herr Kollege Tanke. Von daher nenne ich beispielhaft die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die in ihrem Haus einen ganz hervorragenden Gesetzentwurf erarbeitet hat, der so gut war, dass er jetzt der juristischen Überprüfung standgehalten hat.

(Beifall bei der CDU)

- Das ist Ihre Ministerin gewesen!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Zu Recht genannt worden ist hier auch der Beitrag von Christian Wulff. Was man wirklich nicht vergessen sollte: Ein Gesetz beschließen zu lassen, bedarf einer Mehrheit. Manchmal ist es schwierig, solche Mehrheiten - insbesondere in den eigenen Reihen - zu erstreiten. Auch das gehört zur Wahrheit: Die Widerstände aus Süddeutschland gegen diesen Gesetzentwurf haben wir nicht vergessen. Es ist ein historischer Beitrag von Christian Wulff gewesen, dass er sich gegen diese Widerstände durchgesetzt und für dieses VW-Gesetz gekämpft hat.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP und von Detlef Tanke [SPD])

Da ich diesen Namen erwähnt habe, möchte ich persönlich einen Punkt anmerken: Ich verstehe nicht, dass dieser historische Beitrag im Vergleich zu dem, was heute medial dem früheren Bundespräsidenten angelastet wird, so sehr in Vergessenheit geraten ist.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Zu Recht genannt wurde David McAllister, der in den Jahren seiner Ministerpräsidentenschaft in der Tat dafür gekämpft hat, dass dieses Gesetz auch der juristischen Überprüfung tatsächlich standgehalten hat.

Hier nenne ich aber auch den jetzigen Ministerpräsidenten. Er hatte zwischen seiner Vereidigung und dem Mai 2013, als das Plädoyer des Generalanwalts gehalten wurde, nicht so fürchterlich viel Zeit zu wirken, aber er hat es getan. Auch das haben wir registriert. Deswegen der Dank auch an Sie, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Und so, denke ich, werden wir beim Thema „VW“ auch künftig, wenn es um Innovationen und Arbeitsplätze geht, an einem Strang ziehen. Das gilt zumindest für SPD und CDU sowie, wie ich denke, auch für die FDP. Mit den Grünen, meine Damen und Herren, habe ich noch meine Probleme.

(Zuruf von Anja Piel [GRÜNE])

Sie, liebe Frau Piel, müssen, glaube ich, noch ein bisschen nacharbeiten. Den etwas holprigen Start Ihrer Exekutive zu Beginn dieses Jahres haben wir

nicht vergessen. Der Auftritt von Minister Wenzel war ja denkwürdig. Wir erinnern uns an die Wirtschaftswoche vom 26. Januar 2013, in der es noch nett klang: „Grüne wollen VW-Konzern verändern“. - Focus online wurde am 1. Februar 2013 dann deutlicher. Dort hieß es: „Eifriger Grüner nervt Volkswagen-Bosse“.

Nun könnte man sagen: Na ja, das waren eben die Bosse. - Aber netterweise hat der Betriebsratschef Bernd Osterloh dann geantwortet, wobei er Herrn Minister Wenzel in der von mir zitierten Ausgabe eine „gesunde Portion Halbwissen“ in Bezug auf VW bescheinigt hat. Immerhin hat er netterweise von „Halbwissen“ gesprochen. Dann hat er aber bemerkenswerterweise auch erklärt, wie es zu diesem Halbwissen gekommen ist; diesen Satz fand ich bemerkenswert, ist damals aber ein bisschen untergegangen. Herr Osterloh hat ihm nämlich bescheinigt - so steht es bei Focus online -, Kontakte zu den niedersächsischen Grünen habe es bisher noch nicht gegeben.

Man beachte: 30 Jahre, nachdem Sie in diesen Landtag eingezogen sind, wird Ihnen vom Betriebsratschef des wichtigsten niedersächsischen Unternehmens bescheinigt, dass bisher keine Kontakte stattgefunden haben. Meine Damen und Herren, das muss dringend anders werden!

Ich fürchte, es wird noch häufig Angriffe auf diesen erfolgreichen Konzern geben, die wir gemeinsam abwenden müssen. Bis dahin müssen Sie aus Ihrem Halbwissen eine gesunde Portion Vollwissen machen. Arbeiten Sie daran, dann können wir gemeinsam wirken!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Toepffer. - Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Piel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

(Jens Nacke [CDU]: Sie war auch noch nicht bei VW!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Toepffer, ich glaube, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich freue mich an diesem Punkt, dass wir uns in so großer Einigkeit über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum deutschen VW-Gesetz freuen.

Wir begrüßen, dass das Land Niedersachsen auch weiterhin eine Sperrminorität an VW-Aktien halten und damit wichtigen Einfluss auf dieses Unternehmen nehmen kann. In diesem Herbst hat der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil endlich einen Schlussstrich unter einen zehn Jahre andauernden Streit gesetzt. Diese Auseinandersetzung - Herr Toepffer, auch da bin ich bei Ihnen - hat zum Schluss absurde Formen angenommen. Wir alle sind, glaube ich, froh, dass sie beendet ist.

Wir wissen, dass die Brüsseler Wettbewerbshüter da an manchen Punkten ein wenig übers Ziel hinausgeschossen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Warum aber - und diese Frage richtet sich auch an Sie - begrüßen wir als Grüne ein Gesetz, das es dem Land Niedersachsen erlaubt, diese Sperrminorität wahrzunehmen und Einfluss zu nehmen? Werden die Grünen am Ende zu einer Pro-AutoPartei?

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, man hat uns in den vergangenen Jahren von Technikferne bis zu übertriebener Verzichtsmentalität so manches zugewiesen. Ich bin sicher, dass der Umweltminister bei VW nicht mit Halbwissen geglänzt hat, sondern einfach mit Ansprüchen, die vielleicht ein bisschen über das hinaus gingen, was VW leistet. Ich glaube, das muss man nicht als Halbwissen bezeichnen. Es hat durchaus Kontakte der Grünen zu VW gegeben.

(Zuruf bei den Grünen: Schon immer!)

Ich selbst habe im letzten Herbst während des Wahlkampfs bei einem längeren Besuch ein Gespräch mit Herrn Winterkorn und auch mit den Betriebsräten geführt.