Protocol of the Session on September 25, 2013

Nein.

Das will sie nicht. - Bitte sehr!

Meine Damen und Herren, wir werden uns von der Opposition nicht drängen lassen. Wir wollen und wir werden den übermäßigen Druck an den Gymnasien, den Sie aufgebaut haben, wieder abbauen. Dafür sind aber durchaus verschiedene Wege

denkbar. Und ich möchte - im Gegensatz zu Ihnen - den Dialog der Experten abwarten.

Ich kann mir eine Flexibilisierung der Oberstufe genauso gut vorstellen wie ein generelles Zurück zum G 9 mit individuellen Überspringensmöglichkeiten. Aber das, was Sie sich vorstellen - schlicht zum G 9 zurück, und wer im Turbogang nicht mitkommt, der macht noch ein Jahr extra -, machen wir nicht einfach mit.

Wir bleiben ergebnisoffen. Wir wollen, dass die Korrektur mit großem Fachverstand und sorgfältig vorbereitet wird. Den Fehler, den Sie 2003/2004 gemacht haben, werden wir nicht wiederholen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss. - Und wir wollen, dass überprüft wird, ob es wirklich notwendig ist, die Anzahl der Prüfungsfächer und die Anzahl der Klausuren, die Schwarz-Gelb erhöht hat, beizubehalten.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn dabei kurzfristig Umsetzungs- und Entlastungsmöglichkeiten herauskommen, dann wollen auch wir, dass sie sehr schnell umgesetzt werden. Aber Ihre Hauruckforderungen machen wir nicht mit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Korter. - Es hat sich jetzt für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Claus Peter Poppe gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Stoßrichtung dieser Aktuellen Stunde der FDP ist schon nicht ohne Pikanterie;

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

denn es war nicht zuletzt die FDP, die darauf gedrängt hat, die Gymnasien zu Schnellen Brütern zu machen. Die FDP hat das G 8 bis zu ihrer Wahlniederlage forciert, gestützt und verteidigt - und jetzt kommt sie als Erste mit dem Abrissbagger um die Ecke und drängt auf Eile. Das ist schon seltsam.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andret- ta übernimmt den Vorsitz)

Dabei ist es durchaus erfreulich, zu sehen, dass selbst bei den Neoliberalen ein Umdenken eingesetzt hat. Aus diesem Undenken allerdings den Vorwurf gegenüber den Regierungsfraktionen und gegenüber der Ministerin abzuleiten, sie handelten nicht schnell genug, ist schon aberwitzig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe in dem Zusammenhang von einer Rolle rückwärts gesprochen. Tatsächlich ist es eher ein Doppelsalto rückwärts, und der auch noch mit halber Schraube.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Das geht meistens schief!)

Dieser Vorstoß ist inhaltlich unausgegoren, für die Schulen problematisch und im Stil unerträglich peinlich.

Peinlich im Stil ist der Vorstoß deswegen, weil er auch nicht einen Hauch von Nachdenklichkeit enthält, von Einsicht, selbst falsch gelegen zu haben. Da lobe ich mir z. B. die Stellungnahme von Herrn Schmidt von NiedersachsenMetall, der ebenfalls ein Umdenken signalisiert hat, aber zuerst einmal eingesteht, dass er sich geirrt hat und die Folgen falsch eingeschätzt hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Von „Gift für die Schulen“ spreche ich, weil sie sich nach diesem Vorschlag in einer Hauruckaktion wieder umstellen sollen: alles auf null, alle Curricula neu justieren, Lehrbücher neu konzipieren, auf Jahre hinaus neue Unruhe verkraften.

Inhaltlich unausgegoren ist der Vorschlag, weil er an der entscheidenden Schnittstelle, der Klassenstufe 9/10, weniger von Flexibilität als von der Tendenz zum freiwilligen Wiederholen geprägt ist und weil er viel zu viele der 265 Stunden bis zum Abitur in die letzten Jahre packt. Das ist nur eine Umverteilung der Belastung.

Die Maßnahmen der Landesregierung, die wir als SPD-Fraktion unterstützen, sehen dagegen so aus: Der Start in die Überprüfung des Weges zum Abitur an den Gymnasien ist in einem sehr zügig einberufenen Dialogforum erfolgt, in dem Eltern,

Schülervertretungen und Lehrerverbände zu Wort kamen und sich durchaus konsensorientiert gezeigt haben.

Inzwischen ist eine Expertenkommission nicht nur einberufen worden, sondern auch schon in die Arbeit eingestiegen. Diese Kommission ist mit aus dem Dialogforum abgeleiteten klaren Prüfaufträgen ausgestattet. Sie wird z. B. prüfen, wie sich ein Abitur im eigenen Takt sinnvoll realisieren lässt oder wie die Anzahl der Prüfungsfächer und andere Stressfaktoren für Schülerinnen und Schüler verringert werden können. Diese Kommission wird bis Anfang nächsten Jahres einen Bericht vorlegen. Von einer Verzögerungstaktik kann also überhaupt keine Rede sein.

Diese Kommission, der auch Vertreter des Philologenverbandes, mit dem Sie ja eng zusammenarbeiten, und der GEW angehören, aber als Kaffeekränzchen zu diffamieren, ist schon eine Hochnäsigkeit und Anmaßung sondergleichen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was wir von Rot-Grün auf jeden Fall vermeiden werden, ist, in ähnlicher Weise wie Schwarz-Gelb schlecht vorbereitet in eine so grundlegende schulorganisatorische Änderung wie die Umstellung des Abiturs hineinzustolpern.

So, meine Damen und Herren, halten wir es mit dem Abitur!

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die CDU-Fraktion hat sich nun Herr Hillmer zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schule ist ein komplexes System mit vielen Beteiligten. Jede Aktion in Schule ruft natürlich immer auch eine Reaktion in Schule hervor.

Schule ist auch kein Schnellboot. Sie müssen immer sehen: Ein Lehrer arbeitet 40 Jahre in der Schule, die Kinder sind 12 bis 13 Jahre in der Schule. Ein solches System kann man nicht innerhalb von Wochen, Monaten oder wenigen Jahren umsteuern.

Aber, meine Damen und Herren: Schule braucht in zentralen Fragen eine klare Orientierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Anfang des Jahrhunderts haben sich alle Länder in Deutschland auf den Weg gemacht - verständigt auf der KMK-Konferenz -, das Abitur nach zwölf Jahren zu vergeben. Einige Länder hatten das schon vorher gemacht, andere Länder haben danach umgestellt. Inzwischen haben alle einen Weg gefunden, umzustellen. Ich erinnere gerade Sie von der SPD an die Reden, die Ihr Ministerpräsident damals hier gehalten hat - als er noch Ministerpräsident war; später dann als Fraktionsvorsitzender -: für die Umstellung auf ein Abitur nach zwölf Jahren

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Für alle Schulen!)

- Ja, für alle Schulen.

Das, meine Damen und Herren, war damals auch Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion. Ich möchte daran erinnern: Deutschland war damals der kranke Mann in Europa - so wurde es jedenfalls bezeichnet. Das hat in unserer Gesellschaft - und auch an anderen Stellen; Sie wissen, was ich meine - eine hohe Veränderungsbereitschaft und eine hohe Bereitschaft zu Anstrengungen ausgelöst. In diesem Kontext haben wir alle gemeinsam, alle Länder, auch die rot-grünen, beschlossen, das Abitur nach achtjähriger Gymnasialzeit bzw. nach zwölfjähriger Gesamtschulzeit zu vergeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: So ist es! - Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Auch der europäische Vergleich hat damals eine Rolle gespielt. Wir mussten uns vorhalten lassen, dass unsere Hochschulabsolventen erst mit Ende 20 aus den Hochschulen in den Arbeitsmarkt kamen, während die Hochschulabsolventen in anderen europäischen Ländern, mit denen wir ja in gewisser Weise auch im Wettbewerb stehen, das schon mit Mitte 20 oder zum Teil auch noch früher geschafft haben.

Meine Damen und Herren, auch eine dritte Überlegung hat damals eine Rolle gespielt: Wir werden alle älter, wir müssen länger arbeiten, und das Wissen wächst immer schneller. Der Kontext des lebenslangen Lernens erfordert es einfach, dass man mit einem anderen Bildungsverständnis herangeht. Niemand von uns würde eine Radtour so beginnen, dass er von 8 bis 9 Uhr richtig strampelt und es dann rollen lässt. Wir brauchen eine Kultur des Lernens, die sich über das ganze Leben er

streckt. Deshalb muss Schule sich am Anfang mehr auf die Kompetenzorientierung konzentrieren und nicht mehr das ganze Wissen dieser Welt und jede Revolution und alles in den Unterricht hineinpacken. Das gilt auch weiterhin.

Es ist also ein langer Prozess, der auch ein Umdenken im Bildungsverständnis erfordert. Natürlich müssen die curricularen Vorgaben dazu geändert werden. Ich gebe gerne zu, dass dazu mehr getan werden kann - in der Ausdünnung und in der Straffung der curricularen Vorgaben.

Meine Damen und Herren, man kann in acht Jahren ein gutes Abitur machen und natürlich auch in neun. Die Ergebnisse der vergangenen Abiturjahrgänge haben gezeigt, dass die Absolventen nach acht Jahren in keiner Weise schlechter abgeschnitten haben. Es bringt auch nichts, das G 9 zu glorifizieren, weil sich in den letzten zehn Jahren in den Elternhäusern und in den Schulen mehr verändert hat als nur die Schulzeit. Ich möchte nur Stichworte wie die elektronischen Medien und weitere mehr benennen, die auch Einfluss auf das Zeitkontingent unserer Kinder haben.

Rot-Grün, meine Damen und Herren, Sie haben einen Stein ins Rollen gebracht, indem Sie das G 9 für die IGS wieder eingeführt haben. Sie haben den Schalter umgelegt und eine breite Debatte zur flächenmäßigen Umstellung zum G 9 ausgelöst. Ob Sie das gewollt haben oder nicht, es ist so: Wie die Zauberlehrlinge stehen Sie jetzt staunend vor einer Debatte, die Sie initiiert, aber nicht zu Ende gedacht haben.