Das Haus ist, wie meistens morgens um diese Zeit, schon sehr gut besetzt. Ich stelle die Beschlussfähigkeit fest.
Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 11, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 17.30 Uhr enden.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die heutige Sitzung hat sich entschuldigt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Hans-Joachim Janßen.
Wie Sie wissen, liegen zwei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Man muss sich nur daran halten. Ich weise wie üblich besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind.
a) Warum hat die Landesregierung Sitzungsunterlagen durch Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen für vertraulich erklärt? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/8582
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Koalitionsvertrag der Landesverbände von Bündnis 90/Die Grünen und SPD vom Februar 2013 enthält auf Seite 16 die Ankündigung, die rotgrüne Koalition werde politische Entscheidungsprozesse transparenter machen und Zugänge zu Informationen und Beteiligung für Bürgerinnen und Bürger erleichtern.
Am 13. Juni 2017 beschloss die Landesregierung indes eine Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO), veröffentlicht im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 10/2017 vom 22. Juni 2017.
So erklärte die Landesregierung vorbereitende Sitzungsunterlagen für die Sitzungen der Landesregierung im neuen § 10 Abs. 3 Satz 2 für vertraulich. Zusätzlich zu den Niederschriften sind laut dem neuen § 12 Abs. 4 Satz 1 GGO Kabinettsvorlagen vertraulich.
Die Unterlagen und Vermerke zur Vorbereitung von Abstimmungen im Bundesrat und seinen Ausschüssen sind zusammen mit dem Stimmbogen ebenfalls vertraulich, geregelt in § 23 Abs. 5 GGO.
Vertraulich ist künftig auch der anfallende Schriftverkehr zur Vorbereitung von Veröffentlichungen und Mitteilungen an die Presse (§ 26 Abs. 3 GGO).
2. In welcher Art und Weise wirkt sich die Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen auf die Aktenvorlagen an den 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegen die islamistische Bedrohung in Niedersachsen“ und den 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Rechtsverstöße bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Verantwortung der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen“ aus?
3. In welchem Umfang ist das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs im Verfahren „Aktenvorlage betreffend den Staatssekretär a. D. Paschedag“ vom 24. Oktober 2014 bei der Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen berücksichtigt worden?
Danke schön, Herr Nacke. - Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz möchte für die Landesregierung antworten. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anfrage, insbesondere die Teilfrage 2, scheint davon auszugehen, dass die Landesregierung versuchen würde, durch eine Änderung ihrer Geschäftsordnung parlamentarische Auskunftsrechte zu schwächen. Das ist selbstverständlich nicht der Fall.
Der Umfang der parlamentarischen Informationsrechte ergibt sich aus der Verfassung, insbesondere aus den Artikeln 24 und 27. Die Grenzen der parlamentarischen Informationsrechte ergeben sich aus Artikel 24 Abs. 3. Selbstverständlich ist es nicht möglich, Rechte des Parlaments, die sich aus der Verfassung ergeben, durch eine Änderung der Geschäftsordnung der Landesregierung zu beschneiden. Selbstverständlich hat die Landesregierung das dadurch auch nicht versucht.
Die in der Frage angesprochene Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen steht vielmehr in einem engen Zusammenhang mit dem
von der Landesregierung in den Landtag eingebrachten Entwurf eines Transparenzgesetzes für Niedersachsen. Mit diesem Gesetzentwurf verfolgt die Landesregierung das Ziel aus der Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, politische Entwicklungen transparenter zu machen und den Zugang zu Informationen für Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern.
In diesem Gesetz wird den Bürgerinnen und Bürgern deswegen ein voraussetzungsloser Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen eingeräumt.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Entwurf eines Transparenzgesetzes bedeutet einen großen Schritt hin zu mehr Transparenz staatlichen Handelns.
Eine wesentliche Aufgabe bei der Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfs bestand deswegen darin, die Geheimhaltungsinteressen von privaten und öffentlichen Belangen auf der einen Seite und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen. Zum Schutz wichtiger öffentlicher und vieler privater Belange sind deswegen Bereichsausnahmen und Ausnahmetatbestände erforderlich, die den Zugang zu Informationen notwendig einschränken.
Nach Artikel 1 § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs besteht der Anspruch auf Informationszugang deswegen nicht für Informationen, die einer Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegen, die durch die Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen - durch die GGO - geregelt ist. Die Landesregierung hat daher die Einbringung dieses Gesetzentwurfes in den Niedersächsischen Landtag zum Anlass genommen, die Bestimmungen der GGO, die die Vertraulichkeit von Besprechungen und Unterlagen regeln, zu überarbeiten.
Schon nach der alten Fassung der GGO waren die Besprechungen der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre nebst Niederschriften sowie die Niederschriften über die Kabinettssitzungen einschließlich der Kabinettsvorlagen, die Anlagen dieser Niederschriften sind, vertraulich. Daran hat sich also nichts verändert.
Nach der seit dem 13. Juni 2017 gültigen Fassung der GGO sind zudem die vorbereitenden Sitzungsunterlagen der Staatssekretärsbesprechungen und des Kabinetts vertraulich. Diese Änderungen stellen eine Vervollständigung der bereits bestehenden Vertraulichkeitsregelungen dar, mit der die Beratungen der Staatssekretärsrunde und des Kabinetts und die dazugehörigen Niederschriften und Unterlagen vom Informationszugang ausgenommen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Änderungen zielen darauf ab, den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess auf Regierungsebene zu schützen. Eigenverantwortliches Regieren erfordert einen von der Öffentlichkeit nicht ausforschbaren Bereich, in dem die Regierung in Ruhe Angelegenheiten erörtern und Entscheidungen vorbereiten kann. Dazu gehören Erörterungen innerhalb des Kabinetts - die waren auch bisher schon vertraulich - und die Vorbereitung von Regierungsentscheidungen im Wege ressortübergreifender Abstimmungen.
Darüber hinaus sind nach den Änderungen vom 13. Juni 2017 in Bundesratsangelegenheiten auch die einheitliche Stimmabgabe vorbereitende Unterlagen und Vermerke einschließlich der Unterlagen zu den Ausschussberatungen und der Stimmbogen vertraulich. Gleiches gilt für die Vorbereitung von Veröffentlichungen und Mitteilungen an die Presse. Wäre der dazugehörige Schriftverkehr - auch diese Informationen betreffen den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess der Regierung - der Öffentlichkeit zugänglich, bestünde die Gefahr, dass eine unbefangene Willensbildung der Regierung allein durch die Möglichkeit der Veröffentlichung beeinträchtigt wird.
Wie Sie wissen, kann die Landesregierung gemäß Artikel 24 Abs. 3 der Verfassung sogar gegenüber dem Landtag die Herausgabe von Informationen verweigern, wenn dadurch die Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Landesregierung wesentlich beeinträchtigt werden würden. Es wäre daher ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch zu unserer Verfassung.
Frau Ministerin, einen Moment, bitte! - Meine Damen und Herren, die Geräuschkulisse ist unangenehm. Ich denke, Sie alle haben ein Interesse daran, die Antwort der Landesregierung zu hören. - Jetzt geht es weiter!
Es wäre - das liegt eigentlich auf der Hand - ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch zu unserer Verfassung, wenn die Landesregierung solche Informationen nach dem Transparenzgesetz an den Bürger herausgeben müsste, sie gegenüber den Landtagsabgeordneten und den Ausschüssen aber verweigern könnte und müsste. Durch Artikel 1 § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs des Transparenzgesetzes in Verbindung mit der vorgenommenen Änderung der GGO werden solche Wertungswidersprüche vermieden.
Zu Frage 2: Der Anspruch eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf Vorlage von Akten richtet sich nach Artikel 24 Abs. 4 der Niedersächsischen Verfassung. Die Vorlage kann nur nach Maßgabe von Artikel 27 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung verweigert werden. Die Änderung der GGO, die ein bloßes Binnenrecht der Landesregierung darstellt, ändert an der Verfassungslage nichts.