Protocol of the Session on June 15, 2017

Meine Damen und Herren, wir sind allerdings auch froh, dass sich die Landesregierung bei diesem Thema schon auf den Weg gemacht hat. Dazu gehört die Förderung für die Anlage von Grünflächen genauso wie die Förderung unserer Landwirte und Imker im Rahmen gemeinsamer Agrar- und Umweltprogramme. Genauso zu begrüßen ist die Forschung bezüglich des Einsatzes von Blühpflanzen in Biogasanlagen sowie die Einsetzung von Expertenteams, um die sich abzeichnenden Probleme anzugehen. Letztendlich könnte die Erarbeitung von Handlungszielen im Rahmen der niedersächsischen Naturschutzstrategie erheblich helfen.

Für diese Bemühungen zunächst einmal ein ausdrückliches Dankeschön an die Landesregierung und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Umweltministeriums! Sie sind da schon sehr gut unterwegs.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zur Wahrheit gehört aber auch: Dies alles ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Hier muss natürlich noch sehr viel mehr passieren. Das Artensterben ist nicht allein ein niedersächsisches Problem. Das müssen wir national und in der Folge auch international angehen.

Ganz wichtig ist: Das schaffen alle Akteure nur gemeinsam: Politik, Wirtschaft, Landwirtschaft, Imker, Naturschutzverbände wie NABU, Angler, BUND und Jägerschaft, aber auch alle Bürgerinnen und Bürger in ihren eigenen Gärten. Klar ist auch: Das bekommen wir nicht zum Nulltarif.

Wir haben in unserem Antrag umfassend dargelegt, welche Maßnahmen aus unserer Sicht erforderlich sein könnten. Dabei dürfte klar sein: Einige Maßnahmen werden auch schmerzhafte Einschnitte sein. Deshalb ist es gut, wenn alle Betroffenen gemeinsam zu Lösungen kommen, die dann auch von allen getragen werden. Das ist allemal besser, als am Ende dringend notwendige Beschlüsse fassen zu müssen, ohne dass die Betroffenen in einem ausreichenden Maße beteiligt waren. Deshalb laden wir Sie ein, liebe Kolleginnen und Kollegen auch auf der rechten Seite des Hauses, gemeinsam mit uns und allen anderen Akteuren nach dringend erforderlichen Lösungen zu suchen.

Ich fürchte, dass unsere Chancen, etwas im Sinne unserer Zukunft auf den Weg zu bringen, immer kleiner werden. Deshalb muss umgehend etwas passieren. Um erfolgreich zu sein, brauchen wir eine breite Öffentlichkeitsarbeit. Wir brauchen die Bereitschaft aller Beteiligten, dieses Problem anzugehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Planet, auf dem wir leben, ist einmalig. Wenn die Menschheit diesen Planeten zerstört, gibt es keine zweite Chance. Deshalb noch einmal: Es wäre gut, wenn wir das gemeinsam hinbekommen. Wir laden Sie auf jeden Fall herzlich dazu ein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Brammer. - Jetzt hat sich HansJoachim Janßen für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Herr Janßen, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass der Rückgang von Bienen dramatische Ausmaße angenommen hat, ist mittlerweile weithin bekannt. Andere Insektenarten wie Wildbienen, Hummeln, Schwebfliegen oder Schmetterlinge sterben stiller. In den letzten 20 Jahren hat die Insektenmasse - wie eben auch schon gesagt - um 80 % abgenommen. Wenn sich dieser Trend

fortsetzt, sterben viele Arten in weniger als zehn Jahren aus. Dieses Drama ist in der Öffentlichkeit weit weniger bekannt als das der Honigbiene.

Aber wir alle haben wahrscheinlich schon gemerkt, dass Begegnungen mit Insekten aller Art - auch die eher unangenehmen wie verklebte Autoscheiben, Stiche am Badesee oder Fliegen im Wohnzimmer - in den letzten Jahren deutlich abgenommen haben. Für die Nahrungskette heimischer Ökosysteme ist das genauso ein Desaster wie für die Umweltdienstleistungen, die wir ansonsten kostenlos von Insekten erhalten. Insekten sind die Nahrungsbasis für viele Fische, Reptilien, Amphibien, Fledermäuse und vor allem für Vögel. Gerade die Zahl der Vögel des Offenlandes nimmt ebenfalls massiv ab - auch mangels Insekten als Nahrungsgrundlage bei der Jungenaufzucht. Uns droht ein stummer Frühling in zweifacher Hinsicht, nämlich ohne Summen und ohne Zwitschern.

Insekten, meine Damen und Herren, sind für einen funktionierenden Humusaufbau und damit für einen gesunden Boden wichtig. Insekten bestäuben 80 % unserer Nutzpflanzen. Wenn diese Nützlinge jetzt immer weniger werden, drohen massive Schäden in der Landwirtschaft und in der Nahrungsmittelproduktion. Wir werden es in Deutschland schlechterdings nicht so machen können wie in Teilen Chinas, wo die Bestäubung mittlerweile mit der Hand erfolgt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Abartig ist das!)

Meine Damen und Herren, die rot-grüne Landesregierung tut bereits viel für den Insektenschutz. Sie fördert das Anlegen von Blühstreifen. Die Blühstreifenflächen haben sich von 2012 bis 2016 fast verdoppelt. Wir haben die erhöhte Förderung für den Ökolandbau, und für die Anlage von Blühflächen in Siedlungsgebieten können Zuschüsse beantragt werden. Das Umweltministerium hat außerdem eine Arbeitsgruppe mit Expertinnen und Experten zum Thema Insektensterben eingesetzt, um Wissen zu bündeln und Maßnahmenpakete zu entwickeln.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Miriam Staudte [GRÜNE]: Sehr gut!)

Die Landesregierung ist auf einem guten Weg. Das wollen wir mit diesem Antrag nachdrücklich unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ursächlich für den Schwund der Insekten sind vor allem drei Faktoren: die abnehmende Pflanzenartenvielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen und im Siedlungsbereich, der Einsatz von Pestiziden, die Insekten kurz- oder langfristig töten, und weit verbreitete Lichtverschmutzung. Statt WinkelsteinCotoneaster-Kulturen oder - für Insekten noch schlechter - Kiesvorgärten mit Rollrasen und automatischem Rasenmäher, der diesen Rollrasen fingernagelkurz hält,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Damit auch gar nichts mehr blüht!)

brauchen wir gerade auch im besiedelten Bereich, in den Dörfern und Städten, möglichst vielfältige, blütenreiche Grünflächen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Über das Landschaftswerte-Programm der Landesregierung bestehen hier bereits Fördermöglichkeiten. Diese wollen wir ausbauen und attraktiver gestalten. Die rot-grüne Landesregierung fördert den Erhalt von Grünland - und das ist gut so.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es gibt Zuschläge für artenreiche Grünlandflächen. Trotzdem ist der Anteil solcher artenreichen Grünländereien nicht ausreichend. Das mesophile Grünland schwindet weiter. Wir werden hier nachbessern und flächendeckend attraktive Zuschläge in der Agrarförderung anbieten müssen. Darüber hinaus ist es wichtig, bei allen Planungen die Insektenfauna zu berücksichtigen. Das gilt für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen genauso wie für die Sicherung des Biotopverbundsystems und gleichermaßen für die Anlage von Hecken, Streuobstwiesen oder Wegerandstreifen.

Wegerandstreifen müssen im Übrigen gegen Überpflügen gesichert und illegal überpflügte Randstreifen der Natur zurückgegeben werden. Das sind keine kleinen Flächen. Hochrechnungen für Niedersachsen kommen auf ungefähr 10 000 ha, die auf diese Art und Weise illegal unter den Pflug genommen wurden.

Ein erhebliches Problem stellt der Einsatz von Pestiziden dar. Dazu gehört auch die Saatgutbeize mit Neonicotinoiden. Angesichts der Nachweise von deren Schadwirkung wäre der erste Schritt ein komplettes Verbot dieser Stoffgruppe, so wie das z. B. die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, fordert. Aber selbst das wird nicht ausreichend sein. Bei der Zulassung von

Wirkstoffen ist eine umfassende Prüfung der Toxizität auf Insekten erforderlich, und zwar unter realen Bedingungen und nicht nur im Laborversuch.

Herr Janßen, darf ich Sie kurz unterbrechen?

Das ist partnerschaftliches Arbeiten. Herr Oesterhelweg, bitte schön!

Das finde ich hervorragend. Er wusste offensichtlich, dass ich eine Frage stellen wollte. - Herr Kollege, was sagen Sie zu den Ausführungen vieler Imker auch in verantwortlichen Positionen, dass sie sich gar nicht für ein absolutes Verbot der Neonicotinoide aussprechen, weil das dazu führen würde, dass der Rapsanbau in vielen Bereichen vollkommen eingestellt werden müsste, was wiederum auch der Imkerei schaden würde?

Herr Janßen, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Ich glaube, dass wir dahin kommen müssen, unsere Kulturpflanzen auch dann anbaufähig zu halten, wenn wir sie nicht mit giftigen Mitteln behandeln, die dazu führen, dass die Insektenfauna weiträumig darunter leidet. Dafür gibt es zahlreiche Studien. Ich würde dabei bleiben zu sagen: Nicotinoide gehören nicht ins Saatgut. Sie stellen eine Gefahr dar, deren Potenzial wir bislang überhaupt noch nicht abschließend erkennen können. Als Vorsorgemaßnahme sollte man auf jeden Fall darauf verzichten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Miriam Staudte [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Was wir brauchen, ist eine umfassendere Prüfung von Insektiziden - das hatte ich gerade schon gesagt -, insbesondere auch im Hinblick auf die Langzeitfolgen. Das gilt insbesondere auch für solche Mittel, die bereits zugelassen sind. Ich gehe davon aus, dass wir auch bei zugelassenen Mitteln, wenn wir sie intensiv nachprüfen, durchaus Wirkstoffe finden werden, die Insektengruppen zum Teil massiv schädigen - Insektengruppen, die

nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen wie z. B. Bienen. Bei Bienen ist es auffällig, die hat natürlich jeder im Fokus. Aber z. B. Springkäfer oder Schnellkäfer wird kaum jemand so schnell auffinden. Von daher glaube ich, dass wir da noch mehr finden werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Noch ein kurzer Satz zu den Leuchtmitteln: Wir haben allein in Deutschland 9 Millionen Straßenlaternen - auf neun Einwohner kommt eine. Sie wirken wie Staubsauger. Hier sind Umrüstungen dringend erforderlich - am besten auf warmweiße LEDs; die sind am verträglichsten.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende des Plenums. - Nein, am Ende des Plenums starten wir in die Sommerpause. Wir sind noch nicht am Ende des Plenums; das dauert noch eine Weile.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Nicht, dass gleich alle weglaufen!)

Aber es ist noch nicht zu spät, heimische Blühmischungen im Garten oder auf brachliegenden Flächen anzusiedeln. Als Unterstützung haben wir Ihnen heute etwas mitgebracht: Wildblumensaatgut. Ich würde mich freuen, wenn Sie es verwenden können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Der Redner verteilt das Wild- blumensaatgut an Abgeordnete)

Jetzt wird verteilt, Herr Dr. Deneke-Jöhrens. Dann hat Herr Grupe das Wort zu einer Kurzintervention. - Herr Grupe, eine Sekunde! - Ich darf an Herrn Janßen die Bitte richten: Hier wird abgeliefert, dann geben wir das weiter.

(Heiterkeit - Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Wir haben schon Abneh- mer gefunden!)

- Ach so. Das habe ich mir gedacht.

Das Wort hat jetzt Herr Grupe zu einer Kurzintervention. Bitte schön, Herr Grupe!

Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank, Herr Janßen, dass Sie wieder zurückgekommen sind.