Durch die hervorragende Arbeit des Justizministeriums und des GBD ist es gelungen, diesen Gesetzentwurf sehr zügig hier in der zweiten Beratung zu behandeln. Vielen Dank dafür!
Die Hauptanliegen und Hauptzielrichtungen des Entwurfs sind deutlich zu erkennen: soziale Bindungen während einer Inhaftierung bewahren und fördern. Meine Damen und Herren, die Einbindung in familiäre, berufliche und gesellschaftliche Strukturen kann einem erneuten Abgleiten in die Kriminalität entgegenwirken.
Die Ausweitung von Besuchszeiten, Räumlichkeiten, in denen Gefangene mehrstündig mit ihren Besucherinnen und Besuchern ohne Aufsicht zusammen sein können, Maßnahmen, die dem Erhalt der Eltern-Kind-Beziehung dienen, beziehen sich auf diese Zielrichtung.
Resozialisierung wird bestmöglich gefördert. Beispielsweise sollen psychotherapeutische Maßnahmen oder soziales Training auch während der Arbeitszeit in größerem Umfang ermöglicht werden. Auch eine Anpassung der Arbeitsvergütung sowie die Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe in der U-Haft sieht der Gesetzentwurf vor.
Intensivierung der Entlassungsvorbereitung, Lockerungen, Bildungsangebote, offener Vollzug sowie die Vermittlung von Wohnung und Arbeit und der Aufbau tragfähiger sozialer Beziehungen sorgen für langfristige Perspektiven. Denn ohne Perspektive kann es keine Resozialisierung geben. Deshalb werden wir das Übergangsmanagement dahin gehend verbessern.
Ein Punkt in diesem Zusammenhang ist ein verpflichtender Informationsfluss von den Vollzugseinrichtungen zu den Führungs-, Aufsichts- und Bewährungshilfen. Ich nenne den Kolleginnen und Kollegen des Unterausschusses dazu ein kleines Stichwort: Schweiz. Unsere Reise in die Schweiz hat uns hierfür sehr wertvolle Hinweise gegeben.
Daran werden sich sicherlich auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP mit großer Freude erinnern.
So soll sichergestellt werden, dass die erforderlichen Informationen rechtzeitig vor der möglichen Haftentlassung vorliegen. Wir verankern im Gesetz eine intensive Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Stellen im Rahmen des Übergangsmanagements.
Ein weiterer Punkt ist die opferorientierte Vollzugsgestaltung. In der Vollzugsgestaltung werden insbesondere die Interessen der Opfer von Straftaten stärker in den Blick genommen. Die Anliegen der Opfer werden künftig überall dort einbezogen, wo Maßnahmen der Vollzugsbehörden ihre Belange berühren. Die durch eine Straftat Verletzten erhalten einen unmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber der Vollzugsbehörde hinsichtlich des Haftverlaufs der Täter sowie von Lockerungsmaßnahmen.
Die Wiederherstellung des Rechtsfriedens gewinnt ebenfalls an Bedeutung. Wir formulieren das Hinwirken auf einen Ausgleich materieller und immaterieller Folgen einer Straftat sowie auf die Stärkung
Ich stelle fest, dass viele wichtige Forderungen, die dieses Haus in dem einstimmig angenommenen Entschließungsantrag „Wirksame Resozialisierung von Inhaftierten ermöglichen!“ beschlossen hat, umgesetzt wurden.
Und ich möchte mich bei all denen bedanken, die im Anschluss an den Vollzug daran arbeiten, dass Resozialisierung gelingt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt grundsätzlich eine Modernisierung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes. Die Zielrichtung, die Rechte von Opfern von Straftaten zu stärken, findet selbstverständlich auch unsere Unterstützung. Alle strafrechtlichen Verfahren sind nach wie vor sehr auf den Täter fokussiert, und das Opfer solcher Taten gerät allzu oft aus dem Blick. Das Gesetz hätte an dieser Stelle vielleicht durchaus einen stärkeren Schwerpunkt setzen können, meine Damen und Herren.
Das Gesetz enthält weitere sinnvolle Änderungen wie die Anhebung der Besuchszeit und die Angleichung von Vergütungen. Aber die Erweiterung der Mindestbesuchszeit und die Angleichung der Arbeitsentgelte kosten natürlich Geld. Nach Auskunft des Justizministeriums geht es um 1 Million Euro. Es bleibt das Geheimnis der Justizministerin, woher dieses Geld kommen soll. In der allgemeinen Begründung zu dem Gesetzentwurf findet sich wiederholt die Formulierung, es werde davon ausgegangen, dass die Mittel und das Personal ausreichten. Formulierungen wie „es ist davon auszugehen“ oder „gleichwohl kann davon ausgegangen werden“ oder „dürfte dafür auskömmlich sein“ sind
aber kein Ausdruck seriöser Haushaltplanung. Hier wird eine seriöse Kostenanalyse durch Kaffeesatzleserei ersetzt.
Diese unseriöse Finanzierung droht, das berechtigte Anliegen zu entwerten. Die gesamte Finanzierung soll komplett aus dem Einzelplan 11 kommen. Die Justizministerin ist erneut daran gescheitert, frisches Geld für den auch gesellschaftlich so wichtigen Justizhaushalt zu sichern.
Hinzu kommt, dass die Personaldecke bei den Justizvollzugsbeamten bereits sehr dünn ist. Nicht einmal für eine Anpassung der Vollzugszulage an die Polizeizulage hat es in diesem Justizhaushalt gereicht. Allein die in Niedersachsen ausgeweitete Regelung über die Ausführung von Sicherungsverwahrten bindet unglaublich viel Personal. Hinzu kommen wirklich ernst zu nehmende Nachwuchssorgen.
Wie die Justizbeamten nun diese Mehrbelastung abarbeiten sollen, bleibt ebenfalls das Geheimnis dieser Ministerin. Herr Scholing, an dieser Stelle reicht es nicht, sich bei den Beamten zu bedanken, sondern da werden konkrete praktische Hilfen erwartet.
Meine Damen und Herren, auch wenn wir zahlreiche Änderungen begrüßen, befürchte ich jedoch, dass die Vorhaben aufgrund der fehlenden Finanzierung zum größten Teil scheitern. Die Justizministerin benutzt dieses Gesetz lediglich als Feigenblatt für ihre Untätigkeit hinsichtlich der praktischen Probleme im Vollzug. Das werden wir nicht mitmachen.
Herr Kollege Dr. Genthe, darf ich Sie bitten, kurz zu bleiben? Herr Limburg bittet darum, eine Frage stellen zu dürfen.
(Dr. Marco Genthe [FDP]: Nein, der spricht bestimmt gleich noch! - Gegenruf von Helge Limburg [GRÜ- NE]: Wieso sollte ich gleich noch re- den? Das merke ich mir!)
- Alles klar. Dann fahren wir jetzt fort. Für die SPDFraktion hat nun das Wort Herr Kollege Brunotte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Niedersachsen bekommt ein modernes Vollzugsgesetz. Schon der Entwurf und die Diskussion im Fachausschuss haben gezeigt, dass sich die Landesregierung viele Gedanken darüber gemacht hat, was sie dem Landtag vorlegt. Auch die Anhörung, die wir im Ausschuss durchgeführt haben, hat mehr als deutlich gemacht, dass hier ein guter Entwurf auf den Tisch gekommen ist.
Der Vollzug in Niedersachsen lebt von Verlässlichkeit und Kontinuität. Diese Landesregierung hat mehr als deutlich gemacht, dass sie mit diesem Gesetzentwurf genau das weiterhin lebt, die guten Leistungen, die in diesem Bereich vollbracht werden, anerkennt und schaut, an welchen Stellen sich der Vollzug noch ein Stückchen besser macht lässt. Das zieht sich durch mehrere Schwerpunkte, die die Gesetzgebung mitbestimmen.
Der erste Bereich, in dem wir nachsteuern, ist der Bereich Opferschutz. Das Gesetz schafft die Voraussetzungen dafür, dass im Rahmen der Vollzugsgestaltung die Wiedergutmachung zum Thema gemacht wird und dass ein Auskunftsanspruch für Opfer von Straftaten entsteht, wenn es um das Thema Lockerungen und um die Entlassung von Tätern geht. Wir glauben, dass das ein wichtiger Beitrag für einen nachhaltigen Opferschutz ist.
Der zweite Bereich ist die Beseitigung einer Gerechtigkeitslücke. Es geht um die Angleichung der Vergütung in der Untersuchungshaft. Für viele mag es nur ein kleiner Schritt sein, aber für die Inhaftierten in der U-Haft ist das eine Frage der Gerechtigkeit. Ich glaube, dass diese Angleichung mehr als gerechtfertigt ist.
Der Kollege Scholing hat auf die Informationsreise unseres Ausschusses in die Schweiz hingewiesen. Wir haben aus der Schweiz - genauso wie aus Norwegen und Schweden, wo wir in der vorangegangenen Legislaturperiode waren -, Antworten auf die Frage mitgenommen, wie sich das Verhältnis von Arbeit und Therapie neu tarieren lässt.
Die Arbeitspflicht ist sicherlich ein wichtiger Baustein des Vollzugs, auch im Blick auf die Resoziali
sierung. Sie darf aber nicht einer Therapie entgegenstehen. Wir beenden mit diesem Gesetz den Vorrang der Arbeitspflicht vor der Therapie, wir beenden die Konkurrenz, dass sich ein Inhaftierter entscheiden muss, ob er arbeitet und Geld verdient oder ob er sich in Therapie begibt. Jetzt wird die Annahme einer Therapie mit vergütet. Das ist wichtig, um die Therapie durchsetzungsfähig zu machen.
Resozialisierung gelingt vor allem dann, wenn es für den Inhaftierten einen sozialen Empfangsraum gibt, wenn es Menschen gibt, die nach seiner Entlassung auf ihn warten und die ihm die Perspektive geben, dass es sich lohnt, in der Zeit der Haft an sich zu arbeiten, um die Ursachen der Straffälligkeit zu beseitigen, und dass es sich lohnt, darauf hinzuarbeiten, nach der Haft ein Leben in Straffreiheit zu führen. Deswegen stärken wir die Möglichkeiten, ein stabiles soziales Umfeld zu schaffen und soziale Bindungen aufrechtzuerhalten.
Wir weiten den gesetzlichen Anspruch auf Besuchszeiten deutlich aus: von mindestens einer Stunde auf mindestens vier Stunden im Erwachsenenvollzug und von bisher vier Stunden auf sechs Stunden im Jugendvollzug. Diese Mindeststandards werden in den Anstalten zwar jetzt schon, je nach den vorhandenen Möglichkeiten, zum Teil überschritten, aber wir setzen hier einen rechtlichen Rahmen, der den Inhaftierten die Sicherheit gibt, dass ihnen mindestens diese Zeiten zustehen.
Ferner stärken wir die Möglichkeiten für Langzeitbesuche. Solche Besuche sind wichtig, um mit der Familie in Kontakt zu treten, um Kinder zu treffen und um etwas mehr Zeit zu haben, als es bislang vielleicht der Fall war.