Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zurzeit wird in vielen Landesparlamenten über ähnliche Anträge wie die uns heute zur Abstimmung vorliegenden von CDU und FDP diskutiert. Zum Teil tragen sie sogar die gleichen Überschriften und haben nahezu identische Inhalte. Ich denke, wir sind uns darin einig: Diese Anträge werden in allen Parlamenten mit dem Ziel eingebracht, den Menschen Angst zu machen, indem man ihnen sagt: Auch ihr seid von den Steuererhöhungsplänen von Rot-Grün betroffen.
Deshalb haben wir einen eigenen Antrag zu diesem Thema vorgelegt, um der Legendenbildung vorzubeugen und deutlich zu machen, worum es uns tatsächlich geht.
In den Anträgen von CDU und FDP wird zum Teil mit falschen Zahlen operiert. Das mag vielleicht an einem Übertragungsfehler liegen.
Inhaltlich hat sich die FDP besonders hervorgetan: Sie hat in ihrem ersten Antrag sogar die Abschaffung der Gewerbesteuer gefordert. Das ging ihr aber irgendwann wohl doch zu weit, sodass sie diesen Antrag zurückgezogen und einen neuen vorgelegt hat.
Beide Anträge von CDU und FDP blenden alle bestehenden Risiken und Herausforderungen für die öffentlichen Finanzen von Bund, Ländern und Kommunen aus. Daher kann ich nur sagen: Gut für Niedersachsen, dass Sie hier keine Regierungsverantwortung mehr haben.
Es wird auch überhaupt nicht auf konjunkturelle Risiken oder Zinserhöhungsrisiken eingegangen. Auch die Verschärfung der finanziellen Situation
durch die Schuldenbremse und den Fiskalpakt wird überhaupt nicht berücksichtigt. In diesem Zusammenhang muss man sagen: Wir leben ja nicht im Land der Glückseligen. Die Schuldenstandsquote, die wir in der Bundesrepublik Deutschland auf unter 60 % des BIP drücken müssen, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, befindet sich zurzeit noch bei 81,9 %.
Ausgeblendet wird auch die mittelfristige Perspektive, nämlich die völlige Neugestaltung der BundLänder-Finanzbeziehungen im Jahre 2020, die eine erhebliche Relevanz für die Kommunen haben kann.
Dies alles geschieht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Investitionen in Bildung und Infrastruktur dringend notwendig sind, die auch von Ihrer Seite immer wieder eingefordert werden. Und dass auch wir in Niedersachsen nicht in Geld schwimmen, dürfte Ihnen eigentlich noch bekannt sein. Wir müssen noch erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die Anforderungen von Schuldenbremse und Fiskalpakt zu erfüllen. Wir bekennen uns ausdrücklich dazu, dass wir diesen Anforderungen nachkommen wollen.
Vor diesem Hintergrund kann ich es Ihnen nicht ersparen, noch einmal einen Blick darauf zu werfen, was Sie uns so hinterlassen haben.
In den zehn Jahren schwarz-gelber Regierung ist die Verschuldung um nahezu 50 % auf etwa 60 Milliarden Euro gestiegen. Das strukturelle Defizit im laufenden Haushalt - der Finanzminister hat es Ihnen mehrfach vorgerechnet; ich weiß, Sie hören das nicht gerne;
(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Weil es falsch ist! - Gegenruf von Detlef Tan- ke [SPD]: Fakten, Herr Kollege!)
beträgt mehr als 1 Milliarde Euro. Und gerade Niedersachsen verzeichnet einen erheblichen Sanierungsstau im Bereich der öffentlichen Infrastruktur.
Dann kommt von Ihnen natürlich immer das Argument: Die Steuereinnahmen sind zurzeit so hoch wie nie. - Das ist richtig, aber das war auch in 52 von 61 Haushaltsjahren seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland der Fall.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Genau deshalb kommt ja die Schuldenbremse!)
In all diesen Jahren gab es einen Rekord bei den Steuereinnahmen gegenüber dem Vorjahr. Das ist aufgrund der Inflation und des Wirtschaftswachstums nicht verwunderlich, muss aber nicht so bleiben, wie wir alle aus eigener leidvoller Erfahrung wissen.
Neben der Dynamik der Einnahmensteigerung gibt es ja auch eine Dynamik der Ausgabensteigerung, die sich vollzieht, ohne dass wir politisch irgendetwas verändern.
Ich erinnere dazu an die wunderschönen Balkendiagramme, die wir im Hinblick auf die Entwicklung der Ausgaben in den Jahren 2008 bis 2012 noch unter dem Finanzminister Hartmut Möllring zur Kenntnis bekommen haben.
(Reinhold Hilbers [CDU]: Das waren noch Zeiten! - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Schöne Zeiten waren das! - Gegenruf von Detlef Tanke [SPD]: Schuldenzeiten waren das!)
Frau Kollegin Geuter, ich bitte Sie, ganz kurz innezuhalten. - Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben zu diesem Tagesordnungspunkt ausreichend Redezeit, zum Teil wurden auch Verlängerungen der Redezeiten beantragt. Im Moment hat die Kollegin Geuter das Wort. Ich bitte darum, im Plenarsaal keine Dialoge zwischen den Fraktionen zu führen. - Bitte, Frau Geuter.
Wir bekennen uns - das habe ich schon mal gesagt - ausdrücklich zu dem Ziel, von den Schulden herunterzukommen und gleichzeitig eine angemessene Finanzausstattung unseres Landes und seiner Kommunen zu erreichen. Dies lässt sich aber nicht allein durch Einsparungen an anderer Stelle erreichen; denn die Parameter auf
Deshalb sind wir der Meinung, dass wir maßvolle Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Vermögende brauchen, um langfristig zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen.
betroffen. Dass Sie hier davon reden, dass die Mittelschicht betroffen ist, zeigt, dass Sie von der Realität ganz wenig Ahnung haben.
Spannend wird es beim Thema der Erbschaftsteuer. Sie wollen daran gar nichts verändern. Das heißt, Sie wollen nicht einmal das umsetzen, was uns der Bundesfinanzhof aufgegeben hat. Er hat dringend angemahnt, in diesem Bereich die Steuergerechtigkeit wiederherzustellen. Der Bundesfinanzhof moniert bei der Erbschaftsteuer einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil die in den §§ 13 a und b des Erbschaftsteuergesetzes vorgesehenen Steuervergünstigungen in Teilbereichen wesentlich über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgehen. Ich denke, dass Sie hier keine Änderung anstreben, zeigt deutlich, worum es Ihnen geht. Steuergerechtigkeit kann es jedenfalls nicht sein.
Die FDP geht noch darüber hinaus: Sie möchte sogar einen Wettbewerbsföderalismus im Bereich der Erbschaftsteuer. Da kann ich Ihnen nur sagen: Sagen Sie doch ehrlich, was Sie wollen, nämlich eine Abschaffung der Erbschaftsteuer auf Raten!
Im Bereich der Vermögensteuer haben Sie eine ganze Menge an argumentativen Winkelzügen gebraucht, um den Versuch zu unternehmen, zu zeigen, dass diese juristisch nicht haltbar sei. Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist Ihnen nicht gelungen.
Es hat in der Bundesrepublik Deutschland über Jahrzehnte eine Vermögensteuer gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat 1995 auch nicht geurteilt, dass die Vermögensteuer abgeschafft werden muss, sondern es hat wegen der damaligen ungleichen Bewertung von Geld- und Immobilienvermögen lediglich die Erhebung in der damaligen Form nicht mehr gestattet. Ihre Behauptung, dass die Erhebung der Vermögensteuer mit sehr viel Verwaltungsaufwand verbunden ist, hat unser Finanzminister im Rahmen der Beantwortung einer Anfrage widerlegt, indem er ganz deutlich darauf hingewiesen hat, dass sich der Verwaltungsaufwand auf 1,8 % beschränkt. Ich denke, das ist eine Größenordnung, mit der wir leben können.
Ich könnte Ihnen noch zu vielen anderen Punkten Ihrer Anträge etwas sagen. Aber zum einen will ich mir das ersparen, zum anderen ist es auch aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Aber eines will ich noch deutlich machen: Was erleben wir denn im Moment auf Bundesebene? - Die Kanzlerin verspricht zusätzliche Wohltaten wie die Mütterrente und viele andere Dinge mehr,
(Reinhold Hilbers [CDU]: Schäuble legt für 2014 einen Haushalt ohne neue Schulden vor! Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen!)
(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Ohne neue Schulden! - Johanne Modder [SPD] lacht - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Die FDP hält sogar zusätzliche Steuergeschenke für möglich. Diese Aussagen sind so wenig belastbar, wie es Ihre letzte mittelfristige Finanzplanung für Niedersachsen war.
Diese von mir angesprochene bundesweite Strategie hat meines Erachtens nur ein Ziel: hohe und höchste Privatvermögen zu schützen. - Von daher kann ich Sie nur auffordern: Hören Sie mit dieser Realitätsverweigerung auf, und begeben Sie sich mit uns in einen konstruktiven Dialog, um die Ziele weniger Staatsschulden, eine gerechte Staatsfinanzierung und eine bessere Finanzierung von
Infrastruktur, Daseinsvorsorge und Zukunftsaufgaben zu erreichen und damit dem Verfassungsgebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wieder nachkommen! Ich fürchte aber, dass das erst nach dem 22. September möglich sein wird.