Protocol of the Session on April 6, 2017

Das habe ich in der ersten Landtagsdebatte bereits angesprochen. Da sind wir wieder bei dem nicht vorhandenen Supergrundrecht auf Sicherheit.

Aber lassen Sie mich einmal auf das zurückkommen, was wir schon in der ersten Beratung, aber auch im Ausschuss immer wieder deutlich zu machen versucht haben. Wir sind ja nicht grundsätzlich gegen die Videoüberwachung.

(Jörg Bode [FDP]: Aber ein bisschen schon!)

Sie muss aber an klare Kriterien gebunden sein. Sie muss nämlich geeignet, erforderlich und angemessen oder - wie es rechtlich heißt - verhältnismäßig sein. Deshalb darf eine Videoüberwachung nicht pauschal und auf Verdacht ausgeweitet werden. Der Deutsche Richterbund sagt hier ganz klar, dass bei einer flächendeckenden, breiten Videoüberwachung vor allem Personen überwacht werden, die selbst keinen Anlass zu einer Überwachung bieten, und dass gleichzeitig auch ein Gefühl des diffusen Überwachtseins Einzug halten kann. Das halten wir ausdrücklich für nicht tragbar.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie hier ja schon mehrfach angesprochen wurde, ist das Problem aber auch die Bilderflut, also der Vollzug, die Auswertung. Das Monitoring ist eine Möglichkeit, das wirklich mit dem menschlichen Auge und der Reaktionsfähigkeit zu verknüpfen. Welche Schwierigkeiten bei einer IT-Lösung drohen, hat der Kollege Becker ja schon skizziert.

Was eine reine Aufzeichnung bewirkt, haben wir immer wieder gesehen, gerade in den sicherheitspolitischen Debatten, die angestoßen worden sind, z. B. zu den Vorfällen am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht. Das ist ja auch in Ihrem Antrag prominent benannt. Mindestens 80 Kameras waren dort und haben das alles gefilmt. Verhindern konnten die Kameras das aber nicht. Auch im Fall Anis Amri wurden die Bilder einer Kamera, die 24 Stunden an sieben Tage der Woche gefilmt hat, erst im Nachhinein ausgewertet. Damit wären wir dann wieder beim Monitoring.

Zu dem Hinweis des Kollegen Oetjen zum ÖPNV und zu den Videoüberwachungen - auch das ist ja Thema im Ausschuss gewesen und diskutiert worden -: Es ist richtig, dass dort tatsächlich die Möglichkeiten zur Videoüberwachung geschaffen werden. Ich habe unsere Position hier immer wieder kritisch deutlich gemacht, nämlich dass wir nicht teilen, dass das subjektive Sicherheitsgefühl zu einer echten Sicherheit beiträgt, sondern dass dies eher trügerisch ist. Dass dies heute weiterhin der Fall ist und wir zumindest Grünen-seitig weiter kritisch in der Diskussion bleiben, verdanken wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, der FDP, die 2009 in ihrer Verantwortung in der Landesregierung Fördermittel in Höhe von 500 000 Euro für den Einsatz von Videoüberwachung zur Verfügung gestellt hat. Herr Oetjen, wenn Sie sich an die

Ausschussunterrichtung zurückerinnern, wird sicherlich auch Ihnen das wieder einfallen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Es gibt auf Sie eine Kurzintervention des Kollegen Nacke. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Onay, ich weiß nicht, ob Sie das hier absichtlich falsch darstellen. Deshalb möchte ich ausdrücklich noch einmal sagen: Wenn wir argumentieren, dass die Menschen in öffentlichen Plätzen damit rechnen müssen, beobachtet zu werden, dann ist damit natürlich nicht eine staatliche Beobachtung gemeint, wie Sie dies gerade versucht haben darzustellen.

Was wir vielmehr deutlich machen wollen, ist das Spannungsfeld, dass sich die Leute in einem öffentlichen Platz - auf einem Jahrmarkt, in einem Bahnhof - ohnehin so verhalten, wie es sich gehört, weil sie wissen, dass Passanten, Personen, die sich in Cafés aufhalten, andere Menschen, die in diesem öffentlichen Raum unterwegs sind, sie jederzeit beobachten. Das heißt, diese Menschen verhalten sich so, wie man sich aus ihrer Sicht im öffentlichen Raum auch verhalten sollte. Das ist der Grund, warum die allermeisten Menschen gar keine Probleme damit haben, wenn solche öffentlichen Räume zum Schutz ihrer Interessen überwacht werden. Das ist auch in Bezug auf den öffentlichen Personennahverkehr sehr deutlich geworden. Darum geht es. Das ist die Argumentation, nämlich dass sich die Menschen in diesen Räumen entsprechend verhalten, weil sie wissen: Ich bin hier in der Öffentlichkeit. - Von mir aus sagen Sie es so, wenn Sie sich an dem Begriff „beobachten“ stören. Wer sich in der Öffentlichkeit befindet, hat überhaupt kein Problem damit.

Das Problem, das Sie herbeireden wollen, gibt es in diesem Maße nicht. Wenn Sie das hier falsch darstellen, dann ist das eine bewusste Fehlinterpretation. Das sollten Sie nicht machen! Das ist der Argumentation nicht würdig!

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Es antwortet Herr Kollege Onay. Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Kollege Nacke, ich habe den entsprechenden Teil tatsächlich nicht vollständig zitiert. Aber auch dann, wenn man sich ihn ganz anschaut, wird er nicht besser.

(Lachen bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Ihre differenzierte Darstellung trägt hier nicht ganz; denn Sie sprechen in dem Antrag nach Ihrem Zitat davon:

„Polizisten würden an diesen Stellen genauso beobachten wie eine Videokamera. Moderne ‚intelligente‘ Überwachungssysteme können Gefahren teilweise sogar besser erkennen und helfen, Verbrechen oder Terror zu bekämpfen.“

Da geht es ausdrücklich nicht um den von Ihnen beschriebenen alltäglichen, sozusagen kommunikativen Raum, wenn viele Menschen, viele Augen dort sind, wenn das ein Beobachtungsraum ist.

(Jens Nacke [CDU]: Sie haben doch gerade den Satz zitiert: Sie müssen mit der Beobachtung rechnen!)

- Der Satz, den ich gerade vorgelesen habe, schließt genau an diesen Teil an. Lesen Sie sich also bitte Ihren Antrag noch einmal durch! Ich kann ihn jetzt in der kurzen Zeit nicht vollständig vorlesen. In Ihrem Antrag ist ausdrücklich die staatliche Beobachtung, die sicherheitsrelevante Beobachtung gemeint, nicht die von Ihnen gerade beschriebene alltägliche kommunikative Überwachung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN - Editha Lorberg [CDU]: Aber das eine schließt doch das andere nicht aus! Ich weiß nicht, was für ein Problem Sie haben!)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Pistorius das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der uns vorliegende Entschließungsantrag der CDU-Fraktion zur Videoüberwachung zeigt deutlich: Die CDU ist und bleibt ihrem Denken verhaftet, dass eine Ausweitung der Videoüberwachung als Selbstzweck eine absolute oder auch nur annähernd absolute Sicherheit gewährleisten könne, ohne dabei Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern zu nehmen. Dabei halten Sie uns als Landesregierung in Ihrem Antrag vor, einen angeblich widersprüchlichen Kurs zu fahren, der jedoch in der Realität, meine Damen und Herren, nicht existiert - um das ganz klar zu sagen.

Im Koalitionsvertrag wurde zwar eine Einschränkung der Videoüberwachung bei der Gefahrenabwehr vereinbart. Wir haben allerdings angesichts der veränderten sicherheitspolitischen Lage schnell und verantwortungsvoll reagiert und deutlich gemacht, dass wir an neuralgischen Punkten eine angemessene - ich wiederhole dieses wichtige Wort: angemessene - Ausdehnung der Videoüberwachung für sinnvoll halten, dabei aber den Schutz der Daten der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst nehmen.

Wir richten unsere Sicherheitspolitik an den aktuellen Erfordernissen aus und sind in der Lage, eigene Positionen abzuändern. Einen solchen selbst reflektierenden Politikstil würde ich mir übrigens auch von Ihnen wünschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit unserem Maßnahmen- und Sicherheitspaket zur präventiven Bekämpfung und Abwehr des islamistisch motivierten Terrorismus haben wir bereits im Januar angekündigt, die Regelungen zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum im Rahmen der rechtlichen Spielräume maßvoll zu erweitern. In dem Entwurf des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes werden diese Maßnahmen nun implementiert. Ihre Forderung nach einem neuen Gesetzentwurf zur Videoüberwachung ist daher schlicht und ergreifend obsolet.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Ihr Entschließungsantrag und Ihre darin enthaltenen Forderungen sind überhaupt davon gekennzeichnet, dass Sie Dinge vermischen, die nichts miteinander zu tun haben. Sie vermengen hier zwei Sachverhalte, die ganz klar zu differenzieren sind. Losgelöst von der Video

überwachung im öffentlichen Raum nach dem Gefahrenabwehrgesetz ist nämlich die Ausweitung der Videoüberwachung an Bahnhöfen, in Zügen oder Bussen zu betrachten.

An öffentlich stark frequentierten Orten, wie etwa im öffentlichen Personennahverkehr, kann es für eine Erhöhung der Sicherheit sehr sinnvoll sein, die Videoüberwachung auszudehnen. Mein Kollege Olaf Lies hat sich daher bereits für eine flächendeckende Videoaufzeichnung in Nahverkehrszügen ausgesprochen, eine entsprechende Initiative schon im April letzten Jahres in der Verkehrsministerkonferenz eingebracht und dort eine einstimmige Beschlussfassung erreicht.

Es wird also deutlich, meine Damen und Herren: Beim Thema Videoüberwachung fahren wir als Landesregierung einen klaren, gut abgewogenen Kurs. Daher ist der heutige Entschließungsantrag schlicht und ergreifend überflüssig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine Ausweitung der Videoüberwachung kann zwar ein geeignetes Instrument zur Gefahrenabwehr sein. Sie ist aber gleichzeitig auch weit davon entfernt, ein Allheilmittel zu sein, um Gewalttaten oder Anschläge zu verhindern. Sie kann sicherlich dazu beitragen, das Sicherheitsgefühl der Menschen zu steigern. Dabei sollten wir aber niemals aus dem Auge verlieren, dass eine Videoüberwachung immer auch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist und wir daher mit großem Bedacht und Augenmaß vorgehen müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließe und zur Abstimmung komme.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 17/6682 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit wurde der Ausschussempfehlung gefolgt.

Die folgenden Tagesordnungspunkte rufe ich vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Tagesordnungspunkt 18: Abschließende Beratung: Modellprojekt emissionslose Nordseeinsel - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/5832 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Drs. 17/7581

Tagesordnungspunkt 19: Abschließende Beratung: Die Energiewende zum Erfolg führen - Angebot und Nachfrage zusammenbringen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/6692 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Drs. 17/7582

Tagesordnungspunkt 20: Abschließende Beratung: „Power-to-Gas“ fördern - Die Energiewende zum Erfolg führen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/5478 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Drs. 17/7583

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen zu Tagesordnungspunkt 18, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen zu Tagesordnungspunkt 19, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen zu Tagesordnungspunkt 20, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist zu keinem der drei Tagesordnungspunkte vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Becker. Bitte!