Protocol of the Session on April 6, 2017

Das ist das Problem. Die Flüchtlinge werden ab dem nächsten Schuljahr nicht mehr anständig beschult, weil Sie die Unterrichtsversorgung sicherstellen wollen, weil Sie sich mit statistisch guten Zahlen über die Landtagswahl retten wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Auf Ihren Beitrag gibt es nun eine Kurzintervention des Kollegen Scholing. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Försterling, ich muss Sie an einer Stelle korrigieren: Sie haben gesagt, dass der Konsulatsunterricht unter den Rahmenbedingungen niedersächsischer Kerncurricula erteilt werde. Das ist nicht korrekt. Dieser Unterricht erfolgt nicht in der Verantwortung des Kultusministeriums bzw. des Landes Niedersachsen.

Noch einmal der Hinweis: Wir haben heute Morgen bei der Beratung der Dringlichen Anfrage zu diesem Thema zwei Zahlen im Hinblick auf den Konsulatsunterricht Türkisch gehört: Zurzeit erteilt in Niedersachsen eine Lehrkraft in diesem Rahmen Unterricht. Die Anzahl der Schüler kenne ich nicht. Warum ist diese Zahl eigentlich so gering? - Sie ist so gering, weil wir bei der Kernaufgabe des Landes, nämlich dem herkunftssprachlichen Unterricht, gut aufgestellt sind. 4 000 Kinder sind im Grundschulbereich in diesen Unterricht eingebunden, und der findet dann tatsächlich in der Verantwortung des Landes statt.

Der Konsulatsunterricht, dessen Anteil im Prinzip marginal ist, findet nicht in der Verantwortung des Landes statt und unterliegt auch nicht den niedersächsischen Kerncurricula.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Scholing. - Herr Försterling wird Ihnen antworten. Bitte!

Herr Scholing, dann können Sie, ebenso wie wir, Ihrem eigenen Antrag nicht zustimmen. Denn Sie fordern in Ihrem Antrag explizit den Ausbau des Konsulatsunterrichts. Aber wenn er nicht unter der Kontrolle des Landes Niedersachsen steht, sollten Sie doch die Ersten sein, die Ihrem Antrag nicht zustimmen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Kai Seefried [CDU]: Oder der Punkt wird rausgenommen!)

Vielen Dank. - Wir fahren fort. Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Lammerskitten.

(Zustimmung bei der CDU)

Bitte, Herr Kollege!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem Antrag von SPD und Grünen wird ein wichtiges Thema angesprochen: die Mehrsprachigkeit. Kinder und Jugendliche, die mehrere Sprachen fließend sprechen, haben im Leben - insbesondere später im Berufsleben - viele Vorteile.

Doch ich sage Ihnen ganz deutlich: Mit Ihrem Entschließungsantrag gehen Sie nun zu weit. Herr Försterling hat eben schon eine ganze Reihe von Gründen angesprochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir halten herkunftssprachlichen Unterricht grundsätzlich für sinnvoll. Doch beim Spracherwerb steht für uns die Integration im Mittelpunkt. Die Vermittlung der deutschen Sprache muss in unseren Kitas und an unseren Schulen an erster Stelle stehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das steht aber leider nicht in Ihrem Antrag. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, oberstes Ziel guter Bildung in unserem Land ist die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Dazu trägt zweifelsohne das sichere Beherrschen der Muttersprache bei. Für alle Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, gilt aber auch: Um dem Schulunterricht folgen zu können und in unserer Gesellschaft anzukommen, müssen Kinder in unserem Bundesland vor allem die deutsche Sprache sicher sprechen. Wenn ich mir überlege, wie wir Sie seit Ende 2014 immer wieder drängen

mussten, mehr Ressourcen für Sprachförderung zur Verfügung zu stellen, bin ich mir nicht so sicher, dass Sie in dieser Hinsicht unsere Auffassung teilen.

Schülerinnen und Schüler, die hier bei uns zur Schule gehen und hier ihren Schulabschluss machen, müssen in erster Linie für einen Beruf oder ein Studium in Deutschland qualifiziert werden. Dazu gehört neben dem Erlernen von Englisch auch das Erlernen z. B. von Französisch, Spanisch oder - je nach Bildungsziel - auch Latein. Wer dann zusätzlich noch die Sprache seines Herkunftslandes gut beherrscht, hat weitere Vorteile.

Unserer Ansicht nach sind die bisherigen Angebote des Landes für den herkunftssprachlichen Unterricht zur Unterstützung der betreffenden Kinder und Jugendlichen völlig angemessen. Der Erlass „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ aus dem Jahr 2014 bildet dafür bereits jetzt eine sehr weitgehende und damit ausreichende Grundlage.

Herr Försterling hat eben in seiner Rede darauf hingewiesen, wo die Probleme eigentlich liegen. Sie liegen nicht in dem Erlass und in den Möglichkeiten, die dadurch eröffnet werden, sondern sie bestehen mit Blick auf die Ressourcen: Die Probleme sind fehlendes Geld, fehlende Lehrerstunden und fehlende Lehrkräfte.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, nachdem ich Ihnen jetzt gesagt habe, was wir wollen, sage ich Ihnen auch gerne, was wir nicht wollen: Wir wollen keine Kitas, in denen ganz offiziell neben Deutsch hauptsächlich Arabisch gesprochen wird. Solche Kitas tragen nicht zur Integration bei.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen keine Schulen, in denen die Herkunftssprache der Schülermehrheit zur sogenannten Schulhofsprache wird. Solche Entwicklungen können dadurch verstärkt werden, dass sich einzelne Schulen auf ein herkunftssprachliches Angebot in einer bestimmten Sprache spezialisieren.

Wir wollen nicht, dass Konsulatslehrer, bei denen wir die Sorge haben müssen, dass sie unsere Werte - z. B. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte - völlig anders verstehen, an unseren Schulen lehren.

Wir stehen dazu, dass das Erlernen und sichere Beherrschen der deutschen Sprache Kern der Integration in unsere Gesellschaft und damit auch

in unser Bildungssystem ist. Parallelgesellschaften, in denen keine Integration stattfindet, dürfen bei uns in Niedersachsen keine Chance haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und Grünen, bei der ersten Beratung im Plenum hatten wir folgende Fragen formuliert: Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Antrag? Welches Gesellschaftsbild steht dahinter? Geht es Ihnen wirklich um Integration? Warum erwähnen Sie die Bedeutung der deutschen Sprache als Schlüssel zum Bildungserfolg nicht? - Das war doch bislang Konsens in diesem Hohen Hause.

Auf diese Fragen, die wir in der ersten Beratung formuliert haben, haben wir in den Ausschussberatungen keine Antworten bekommen.

(Adrian Mohr [CDU]: Das ist bedauer- lich!)

Aus den vorgenannten Gründen und weil diese Antworten ausgeblieben sind, werden wir als CDUFraktion Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lammerskitten. - Für die Landesregierung hat nun das Wort Frau Kultusministerin Heiligenstadt. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Entschließungsantrag „Mehrsprachigkeit fördern“ von SPD und Bündnis 90/Die Grünen begrüße ich aus der fachlichen Sicht als Kultusministerin ausdrücklich. Wir haben auch bereits einige wichtige Schritte in die darin formulierte Richtung getan.

Als erstes Beispiel möchte ich den herkunftssprachlichen Unterricht an den Grundschulen nennen. Hier verfolgen wir, anders als einige andere Bundesländer, eine ganz klare Linie hin zum Unterricht in Verantwortung des Landes. Das haben wir auch bereits bei der Dringlichen Anfrage heute Morgen besprochen.

Anders als vor zehn Jahren gibt es in Niedersachsen fast keinen sogenannten Konsulatsunterricht mehr, also Unterricht im Auftrag von Herkunftsländern, der nicht der Aufsicht meines Ministeriums und damit der Aufsicht des Landes untersteht.

Am deutlichsten wird das u. a. im Bereich des Türkischunterrichts. Wir haben z. B. 51 herkunftssprachliche Lehrkräfte für Türkisch im Landesdienst an Grundschulen, die im Schuljahr 2015/2016 immerhin 4 379 Schülerinnen und Schüler unterrichtet haben. Ich denke, es ist gut, diesen Lehrkräften an dieser Stelle einmal ein großes Dankeschön zu sagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Adrian Mohr [CDU])

Wir wollen dieses Angebot für die Schülerinnen und Schüler insgesamt - natürlich auch für andere Sprachen - stärken, indem wir das Fortbildungsangebot für die herkunftssprachlichen Lehrkräfte verbessern. So wird beispielsweise für diesen Herbst eine Fortbildung für herkunftssprachliche Lehrkräfte für Türkisch geplant. Die Lehrkräfte sollen noch besser lernen, das landeseigene Curriculum für den herkunftssprachlichen Unterricht in ihrer Sprache umzusetzen.

Wir begnügen uns aber nicht mit dem herkunftssprachlichen Unterricht an den Grundschulen, sondern bereiten auch die Weiterentwicklung an den weiterführenden Schulen vor. Grundlage dafür ist der entsprechende Erlass aus dem Juli 2014. Danach sind Herkunftssprachen im Sekundarbereich I als Fremdsprachen der Schülerschaft insgesamt zugänglich zu machen. Auch das ist ein neuer Ansatz.

Wir brauchen dafür natürlich kompetente Türkischlehrkräfte, die wir aber leider noch nicht in dem Umfang haben, in dem wir sie uns wünschen. Türkisch für das Lehramt wird zurzeit an keiner niedersächsischen Hochschule angeboten. Deshalb sind wir auf die Unterstützung aus NordrheinWestfalen angewiesen, wo Zehntausende von Schülerinnen und Schülern einen regulären Unterricht in Türkisch als Fremdsprache besuchen und diese Sprache bis ins Abitur fortführen können.

Das Institut für Turkistik der Universität DuisburgEssen, an dem die Lehrkräfte für Türkisch als Fremdsprache in Nordrhein-Westfalen ausgebildet werden, hat für Niedersachsen ein Konzept für die Qualifizierung von bereits im Schuldienst tätigen Lehrkräften mit guten Türkischkenntnissen entwickelt. Dieses Konzept wird zurzeit vom NLQ geprüft. Wir wollen es so bald wie möglich umsetzen.

Es geht aber auch um Akzeptanz neuer Sprachen in der Schule. Das ist ebenfalls sehr wichtig. Die IGS Linden bietet dafür z. B. ein sehr positives

Beispiel. Dort ist Türkisch eine der angebotenen Wahlsprachen ab dem 6. Jahrgang. Das Angebot nahmen im vergangenen Schuljahr insgesamt 84 Schülerinnen und Schüler in den Klassen 6 bis 10 wahr.

Damit dieses Beispiel Schule machen kann, brauchen wir natürlich auch eine breite Fachdiskussion und Abstimmung mit den anderen zweiten und dritten Fremdsprachen. Die Stellung von Englisch als erster Fremdsprache ist davon selbstverständlich unberührt. Wir planen deshalb für den Herbst 2017 eine Fachtagung zum Thema „Mehr Mehrsprachigkeit wagen“, die ganz bewusst alle Fremdsprachen außer Englisch einbeziehen soll - die drei großen Sprachen natürlich, Französisch, Latein und Spanisch, aber auch die kleinen Sprachen wie Chinesisch, Italienisch, Japanisch, Niederländisch, Polnisch, Russisch und Türkisch.

Sie sehen: Wir sind auf einem guten Weg und darauf auch ein gutes Stück vorangekommen. Wir tun dies mit Augenmaß und erhoffen uns dabei langfristig die Unterstützung aller Fraktionen in diesem Haus; denn Mehrsprachigkeit trägt auch zur Völkerverständigung bei und unterstützt unsere Schülerinnen und Schüler in der Persönlichkeitsentwicklung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)