Ich habe ja die gemeinsame Pressekonferenz des Herrn Innenministers und des Oberbürgermeisters von Hannover verfolgt. Die Veranstaltung im Lister Turm ist dann richtigerweise abgesagt worden. Sie haben auch zu Recht beklagt, dass vieles auf die Kommunen abgewälzt worden ist. Herr Pistorius, ich hätte mir gewünscht, dass es an dieser Stelle auch eine klare Ansage an Bundesaußenminister Sigmar Gabriel gibt - so wie Hans-Dietrich Genscher in den 80er-Jahren ausländischen Regierungsvertretern die Einreise nach Deutschland in ähnlichen Fällen verweigert hat, so wie der liberale Ministerpräsident der Niederlande Mark Rutte gesagt hat: Nein, die Familienministerin reist nicht in die Niederlande ein und kann hier keine Veranstaltungen machen.
Diese kruden Nazi-Vergleiche haben uns alle zu Recht aufgeschreckt. Spätestens mit der Inhaftierung eines deutschen Journalisten in der Türkei war uns klar, dass das Verhältnis zur türkischen Regierung - machen wir uns nichts vor! - gestört ist.
Deswegen sage ich: Wer nach Deutschland kommt, um hier als Regierungsvertreter der Abschaffung von Grundfreiheiten in seiner Heimat das Wort zu reden, der ist in Deutschland nicht willkommen - um das klar zu sagen, meine Damen und Herren. Er ist in Deutschland nicht willkommen - in aller Klarheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zweite Bemerkung: Einwanderungsland Deutschland. Ich will gerne an das anknüpfen, was Herr Onay gesagt hat. Wer beispielsweise türkischer Herkunft ist und in der zweiten oder dritten Generation hier lebt, insbesondere wer die deutsche Staatsbürgerschaft hat, gehört ohne jeden Zweifel dazu. Das muss die Gesellschaft auch nach außen leben. Daran kann kein Zweifel bestehen.
Gleichzeitig wissen wir, dass Deutschland als Einwanderungsland vor erheblichen Herausforderungen steht. Wir sind nach Japan das zweitälteste Land der Welt. Kein anderes westliches Land steht vor dem Hintergrund des demografischen Wandels vor solchen Herausforderungen wie Deutschland.
rungsland zu sein, sind Weltoffenheit und Toleranz. Wer sich - wie es Vertreter einer Partei außerhalb dieses Parlamentes zurzeit machen - in sein nationales Schneckenhaus zurückzieht, der verspielt in Wahrheit den Wohlstand und die Zukunft unseres Landes - um das auch in aller Klarheit zu sagen.
Liebe Kollegen, Einwanderungsland zu sein, heißt aber auch, sehr klar zu formulieren, was man will und wen wir in Zukunft nach Deutschland einladen wollen. Dabei müssen wir viel klarer als in der Vergangenheit zwischen „Einwanderung“ und „Asyl“ unterscheiden. Wer nach Deutschland kommen will, um hier ein besseres Leben zu haben, der muss die Kriterien dafür auch erfüllen. Allen voran muss er oder sie von der eigenen Hände Arbeit leben können. Alles andere würde in einer Sackgasse enden. Und das, meine Damen und Herren - das sage ich gerade in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Grünen -, heißt im Umkehrschluss: Wer als Asylbewerber aus noch so nachvollziehbaren Gründen nach Deutschland kommt, aber am Ende andere Gründe als echte Asylgründe hat, der wählt zur Einwanderung den falschen Weg.
Ich habe mich darüber gefreut, dass Kollegen der Grünen in Berlin gestern ein Einwanderungsgesetz vorgestellt haben. Willkommen im Club! Wir haben hier im Landtag ja bereits Vorschläge der FDP diskutiert. In Ihrem Vorschlag geht es vor allen Dingen darum - ich habe mir den Gesetzentwurf angeschaut -, eine Kommission zu gründen und Kriterien für Hoch- und Höchstqualifizierte festzulegen.
Aber gerade Hoch- und Höchstqualifizierte bekommen auch schon heute in Deutschland einen Aufenthaltstitel. Alle anderen, die nach Deutschland wollen, kommen zurzeit über das Asylsystem. In den letzten zehn Jahren sind weniger als 15 % der Migrationen nach Deutschland über das Einwanderungsrecht erfolgt. 2015 waren es sogar noch weniger als 5 %. Der überwiegende Teil kommt, wie gesagt, zurzeit über das Asylsystem. Das ist die Schieflage, die wir als Einwanderungsland derzeit haben.
Wir brauchen nicht nur Hoch- und Höchstqualifizierte, sondern auch Fleißige, die im Mittelstand, im Handwerk, da, wo der Bedarf riesig ist, arbeiten wollen. In Ihrem Gesetzentwurf reißen Sie die Hürden dafür aber nicht ein, sondern bauen Sie neue Hürden auf. Beispielsweise wollen Sie den § 39 des Aufenthaltsgesetzes mit der Vorrangprüfung manifestieren. Sie wollen eine bürokratische Prüfung der Arbeitsbedingungen.
Also: Im Asylsystem sind Sie nicht bereit klarzustellen, dass es wirklich nur Verfolgten vorbehalten sein soll, und im Einwanderungsrecht reißen Sie mit Ihrem Entwurf nicht die Hürden ein.
Zum Schluss möchte ich noch Folgendes sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer nach wie vor nicht bereit ist, die Maghreb-Staaten, bei denen die Anerkennungsquote unter 3 % liegt, als sichere Herkunftsländer anzuerkennen, der befindet sich in einer Sackgasse. Der redet nicht einem progressiven Einwanderungsland das Wort, sondern der vermischt leider nach wie vor Einwanderungs- und Asylpolitik. Aber dies wird Deutschland nicht in eine erfolgreiche Zukunft führen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dürr. - Für die CDUFraktion hat ebenfalls deren Fraktionsvorsitzender das Wort. Herr Kollege Björn Thümler, bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Onay, ich habe in Ihrer Rede zur Aktuellen Stunde eine Prognose vermisst, was wohl nach dem Referendum angesagt ist. Ich weiß, dass das schwierig ist, weil es ja noch nicht einmal abgeschlossen ist. Gleichwohl hätte ich erwartet, dass Sie, wenn Sie schon dieses Thema zur Aktuellen Stunde anmelden, in der Aussage, was dann wirklich ansteht, etwas konkreter werden. Das habe ich vermisst.
Ich möchte Ihnen sagen: Ich teile Ihre Einschätzung. Es ist unsäglich, dass die Regierung Erdogan - und dabei ist es egal, ob es der Präsident selbst ist, sein Ministerpräsident oder andere Minister - Deutschland und andere europäische Staaten ständig mit Nazivergleichen überzieht. Das ist nicht hinnehmbar. Das ist historisch falsch, und das ist vor allen Dingen auch menschlich vollkommen falsch. Es dient einzig und allein dazu, dass
Herr Erdogan in der Heimat die Aufmerksamkeit bekommt, die er möglicherweise nicht hat oder vermisst, damit er Menschen an die Wahlurne bekommt, die bei dem Referendum Ja zu seinem autokratischen Führungsstil sagen. Das, meine Damen und Herren, lehnen wir entschieden ab. Dagegen müssen wir uns mit aller Macht zur Wehr setzen.
Genauso unglaublich und auch überhaupt nicht akzeptabel ist, dass der türkische Geheimdienst Menschen in Deutschland gezielt bespitzeln will und dafür deutsche Verfassungsschutzstellen um Amtshilfe bittet. Auch wenn auf diesen Listen Namen von Leuten stehen, die einer Bewegung angehören, über die man so oder so denken mag: Ich finde es unerträglich, dass so etwas im 21. Jahrhundert überhaupt möglich ist. Ich weise das in aller Schärfe zurück. Auch die Menschen, die sich der Gülen-Bewegung nahe fühlen, haben ein Recht darauf, in Deutschland unbeobachtet zu leben. Es sei denn, sie lassen sich etwas zuschulden kommen. Aber das ist nicht zu erkennen. Dementsprechend muss auch hier ein ganz klarer Kontrapunkt gesetzt werden. So geht es nicht, meine Damen und Herren! Auch davon müssen wir uns distanzieren.
Meine Damen und Herren, Herr Pantazis hat gerade gesagt, man müsse eine breite gesellschaftspolitische Diskussion über den Doppelpass führen. Meinetwegen, das kann man alles machen. Aber ein Doppelpass, ein Pass überhaupt oder eine deutsche Staatsbürgerschaft werden ja nicht auf Zuruf verteilt, sondern man muss die Staatsbürgerschaft schon aktiv beantragen.
Und wenn es nur 530 000 Deutschtürken in diesem Land gibt, die den deutschen Pass haben, aber noch 4 Millionen Menschen dazukommen, die ihn nicht haben, dann stellt sich die Frage nach den Ursachen: Worin liegen die Ursachen, dass 4 Millionen türkischstämmige Menschen keinen deutschen Pass beantragt haben? Denn die Möglichkeit, einen Doppelpass zu bekommen, ist ja gerade mit der Türkei möglich.
Also, hier kann man nicht einfach sagen, der Doppelpass löst alle Probleme, und wenn wir ihn haben, ist die Integration keine Frage. So einfach ist es nicht.
Hier gibt es schon zwei Seiten, Herr Pantazis. Davor kann man die Augen nicht verschließen. Dementsprechend gibt es hier einen Nachholbedarf.
Meine Damen und Herren, wenn ich sehe, in welcher Art und Weise Deutschtürken, also Türken mit deutschem Pass, Landsleute, behandelt werden, die sich gegen das Referendum aussprechen - die Worte, die dabei genutzt wird, sind „ehrlos“, „Vaterlandsverräter“ und Ähnliches mehr -, dann finde ich das beschämend. Denn: Das sind unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie haben sich bewusst für Deutschland als ihre Heimat entschieden. Und dann finde ich es unerträglich, dass sie weiter ausgegrenzt werden. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, sie in dieses Gemeinwesen nicht nur aufzunehmen, sondern sie als ebenbürtig zu akzeptieren. Das muss der Grundsatz der Politik sein, meine Damen und Herren.
Es kann nicht sein, dass wir in einen Überbietungswettkampf laufen nach dem Motto: Wer hat die klügsten Ideen? - Es kommt darauf an, klug damit umzugehen, wie man die Auswüchse des Referendums verhindert.
Die CDU-Landtagsfraktion hat schon im Juni 2015 das Programm „Niedersachsen - Deine Heimat“ für ein Zuwanderungs- und Einwanderungsgesetz in diesem Land verabschiedet.
- Das, liebe Frau Modder, ist der Unterschied zu Ihnen. Wir setzen uns auch in der Bundespartei mit solchen Papieren durch - weil die nämlich diskutiert werden. Und genau darauf kommt es an: dass wir gemeinsam Kriterien festlegen, wie die Ein- und Zuwanderung in dieses Land funktioniert. Und sie funktioniert eben nicht über das Asylrecht. Das ist der falsche Weg. Dazu brauchen wir ein Einwanderungsrecht.
Und wir brauchen vor allen Dingen den Mut - hören Sie doch mal zu! -, Kriterien festzulegen, nach denen die Einwanderung in unsere Gesellschaft stattfindet.
Da können Sie sich nicht wegmogeln, und herumschreien hilft auch nicht. Sie müssen mitentscheiden, wie dies gehen kann. Alles andere, meine Damen und Herren, bleibt auf dem halben Wege stehen und schadet denjenigen, die in dieses Land zuwandern wollen und die wir auch dringend brauchen - klare Kriterien, klare Ansage.
Letzte Bemerkung: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Und das ist es nicht erst seit dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland ist in seiner Geschichte immer Einwanderungsland gewesen. Wir haben gute Erfahrungen mit Zuwanderung gemacht. Die Preußen und auch andere haben es hinbekommen. Ich finde, an dieser Stelle dürfen wir nicht versagen, meine Damen und Herren. Deswegen noch einmal: Nehmen Sie das als Maßstab! Dann sind wir ziemlich dicht beieinander.
Vielen Dank, Herr Kollege Thümler. - Das Wort hat jetzt für die Landesregierung Herr Innenminister Pistorius.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben leider seit einigen Jahren in der Türkei eine Entwicklung hin zu einem Staat, in dem Grundrechte, Rechte von Minderheiten sowie das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit zunehmend unterminiert, man kann auch sagen, infrage gestellt und abgeschafft werden.
Angesichts des bevorstehenden Verfassungsreferendums über ein künftiges Präsidialsystem in der Türkei und damit im Zusammenhang stehenden geplanten AKP-Wahlkampfauftritten in Deutschland kommt man nicht umhin festzustellen: Das Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland hat sich verschlechtert. Man kann auch sagen: Die Lage hat sich verschärft.
Wir in Niedersachsen haben zu diesen Wahlkampfauftritten eine eindeutige Position bezogen: Wer die Stimmung weiter aufheizt und so die Sicherheit bei den Veranstaltungen gefährdet oder aber dazu beiträgt, dass das friedliche Zusammen
leben verschiedener Bevölkerungsgruppen in Niedersachsen und in Deutschland gefährdet wird, dem untersagen wir ganz klar, hier bei uns aufzutreten, meine Damen und Herren.
Daher haben wir als erstes Bundesland ein Verbot der politischen Betätigung für den stellvertretenden AKP-Vorsitzenden nach § 47 des Aufenthaltsgesetzes erlassen - und er hat sich daran gehalten.