Protocol of the Session on March 3, 2017

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

- Ich beantworte zuerst einmal die Fragen. Ihre Fragen kommen später an die Reihe, Herr Dammann-Tamke. Sie können gleich Fragen stellen. Ich muss zuerst einmal die Fragen des Parlaments beantworten, die eingereicht worden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit 2,114 Millionen Biolegehennen kommt mittlerweile fast jedes zweite deutsche Bioei aus Niedersachsen. Von daher haben wir - das war die Frage - von dieser verpflichtenden Eierkennzeichnung sehr profitiert.

Auch bei der Haltungsform Freiland, die ja zurzeit wegen der Vogelgrippe unter der Stallpflicht leidet, haben wir unter Rot-Grün von 2012 bis 2016 einen Zuwachs um mehr als 1 Million Freilandhühner auf 3,8 Millionen Ende 2016 erlebt. Hier haben wir sogar 128 Legehennenbetriebe mehr, was einem Zuwachs in unserer Regierungszeit um 45 % entspricht.

Deshalb hält das immer wieder vonseiten der Opposition vorgetragene Argument, eine Pflichtkennzeichnung und ein Ausstieg aus der Käfighaltung würden unsere Hühnerhaltung ins Ausland vertreiben und dort würden dann die Käfige gebaut, den niedersächsischen Zahlen jedenfalls nicht stand. Wir haben heute in Niedersachsen insgesamt deutlich mehr Legehennen als zu Zeiten der alten Käfigbatterien. Wir haben auch deutlich höhere Preise. Wir sind sehr zufrieden, was Bioeier, was Freilandeier angeht. Von daher haben wir in dem Bereich auch mehr Wirtschaftskraft, Wertschöpfung und Einnahmen für unsere Landwirte. Von daher ist die Ausweitung der Kennzeichnungspflicht auf tierische Produkte sowohl im Inland als auch für ausländische Ware aus meiner Sicht ein Erfolgsprojekt.

Zu der Frage 1: Welche konkreten Kritikpunkte hat die Landesregierung an dem von Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt vorgestellten Tierwohllabel? - Dieses neue Tierwohllabel von Minister Schmidt scheint leider in die Kategorie der freiwilligen, unverbindlichen und wenig aussagekräftigen Labels einzuordnen zu sein, von denen es schon eine riesige Vielzahl am Markt gibt. Es gibt einen riesigen Siegel-Dschungel und Dutzende Kennzeichnungen von Tierschutz- oder Herkunftskrite

rien auf dem Markt, den Verbraucherinnen und Verbraucher oft nicht mehr durchschauen.

Ob die Kriterien standhalten, können wir als Landesregierung nicht bewerten. Denn zu meiner Überraschung hat Bundesminister Schmidt gesagt, die Kriterien werden erst 2018 festgelegt. Auf den Markt soll dieses neue Tierwohllabel erst 2019 kommen. Ich hatte schon erwartet, dass er auch in der Zeit seiner Ankündigungen Kriterien entwickelt. Das Einzige, was vorgestellt worden ist, ist ein Design für dieses Label. Das können Sie sich herunterladen.

(Der Redner zeigt eine Unterlage)

Es sieht mit dem Sechseck ein bisschen wie das Biolabel aus. Es soll ein und zwei Sterne geben. Dieser Unterstrich ist schwarz-rot-gold. Einige wird das an Fußballtrikots erinnern. Aber es gibt nicht vier oder fünf Sterne, sondern höchstens zwei. Dort soll dann „Für mehr Tierwohl“ stehen. Es sieht dem Siegel sehr ähnlich, das Frau Aigner einmal mit großem Aufwand gemacht hatte. Es hatte auch zwei Sterne, aber den Text: „Für mehr Tierschutz“. Das ist das Siegel. Es ist schwarz und innen weiß. Die einzige Farbe ist ein schwarz-rot-goldener Unterstrich. Das kann man sich herunterladen.

Aber zu welchen Punkten man es bekommen soll und welche Kriterien erfüllt werden müssen, ist leider noch nicht vorgegeben. Der Bundesminister möchte im ersten Schritt lediglich für Schweinefleisch- und Mastgeflügelprodukte Kriterien entwickeln. Eine Kennzeichnung verarbeiteter Eier - also in Backwaren, Nudeln etc. - oder für Milchprodukte - Weidemilch könnte er auch einmal definieren - ist bislang nicht vorgesehen. Für dieses staatliche Tierwohllabel möchte er aber noch eine gesetzliche Basis schaffen. Ein Gesetzentwurf und ein Zeitplan zur Beratung im Bundestag und Bundesrat sind der Landesregierung nicht bekannt. Unklar bleibt auch, wie die vorhandene lobenswerte Brancheninitiative „Tierwohl“ eingebunden werden soll. Auch von dort gibt es ja sehr viel Kritik.

Dieses Label soll also freiwillig sein. Es erinnert an das von Frau Ex-Bundesministerin Ilse Aigner im Jahr 2013 leider weitgehend gescheiterte, ebenfalls zweistufige und mit zwei Sternen ausgezeichnete Label des Deutschen Tierschutzbundes „Für mehr Tierschutz“. An diesem damals gestarteten freiwilligen, aber leider von Handel und Verbrauchern nicht angenommenen Label nimmt nur noch eine Handvoll Betriebe teil. Ich glaube, in Niedersachsen sind nur noch vier Schweine haltende Betriebe dabei. Deshalb befürworten wir eine

Pflichtkennzeichnung ähnlich wie bei den Eiern, von der auch ausländische Ware betroffen ist, weil wir uns ähnlich wie bei der erfolgreichen Eierkennzeichnung eine erfreuliche Entwicklung versprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb richtet sich die Kritik der Landesregierung zum einen auf die bloße Freiwilligkeit; denn kein Handelsunternehmen muss dieses Label nutzen. Ich bezweifle zum anderen, dass die Handelsunternehmen von ihren Labels abrücken. Auch Vertreter der betroffenen Verbände der Tierhalter sind der Auffassung, dass ein freiwilliges Label nicht zielführend ist. So fordert die Deutsche Geflügelwirtschaft - ihr Präsident ist ja bekanntlich Friedrich-Otto Ripke; der sollte Ihnen bekannt sein - eine Pflichtkennzeichnung auch für verarbeitete Eier in Kuchen, Nudeln und in der Gastronomie. Die haben das noch einmal sehr beeindruckend mit entsprechenden Verbraucherbefragungen untermauert. Wir wollen nicht, dass ungekennzeichnete Käfigeier bei uns auf die Märkte kommen. Wenn wir das hätten, würde das unseren Legehennenbetrieben noch mehr helfen.

Das BMEL hat bisher leider keine ausgearbeiteten Vorschläge zum Tierwohllabel vorgelegt. Es wurde lediglich angekündigt, dass jetzt in Arbeitsgruppen Details erarbeitet werden sollen. Die bisher bekannten Eckpunkte wirken wenig substanziell und halbherzig und erscheinen nicht zielführend, um für einen großen Teil der Tierhaltungsbetriebe eine höhere Wertschöpfung zu ermöglichen. Außerdem ist verwunderlich, dass die Ideen jetzt erst gesammelt werden; denn bereits 2014 hat die HerbstAgrarministerkonferenz - also die Konferenz der Agrarminister von Bund und Ländern - eine Arbeitsgruppe eingesetzt und erste Vorschläge für eine Tierhaltungskennzeichnung auf den Tisch gelegt und verschiedene Vorschläge für die einzelnen Bereiche des Tierwohls gemacht. Konkrete Vorschläge - der achtseitige Abschlussbericht dieser Länderarbeitsgruppe, die unter der Federführung von Baden-Württemberg stand - liegen vor. Die hätte der Bund übernehmen können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wie der top agrar vom 27. Februar 2017 zu entnehmen ist, steigt auch unter den Landwirten, die mehr Tierschutz wollen - und das ist die große Mehrheit -, der Frust über die Initiative des Bundesagrarministers.

Ich zitiere aus diesem Artikel vom 27. Februar 2017:

„Nach wie vor sind zum angekündigten staatlichen Tierwohllabel nur wenige Fakten hinsichtlich der Kriteriengestaltung bekannt, weshalb es den Tierhaltern teilweise an Planungssicherheit mangelt. Darauf hat der Marktreferent der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), Matthias Quaing, am vergangenen Mittwoch auf der Wintertagung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in Hannover hingewiesen.

Die Umsetzung der Kennzeichnung nannte er nach bisherigem Stand ‚mehr Schein als Sein‘; einzig bekannt sei im Grunde das Aussehen des Labels. Aufseiten des Ministeriums sei ‚überhaupt keine Strategie‘ zu erkennen; vielmehr entstehe der Eindruck einer ‚getriebenen Politik‘, die aus dieser Position heraus Forderungen stelle.

Indes lasse sich mit gelabelten Produkten perspektivisch ein Marktanteil von mindestens 20 % erzielen, stellte der ISN-Experte unter Verweis auf Angaben der Universität Göttingen fest. Gekennzeichnete Fleischartikel, die für einen deutlich höheren Tierschutz stünden, würden in Deutschland bislang hingegen nur in geringem Umfang gekauft. Die Ansätze mit dem größten Marktanteil bezögen sich auf nicht investive Maßnahmen wie mehr Platz, Beschäftigungsmöglichkeiten und Raufutter.

Quaing bezeichnete die ‚Initiative Tierwohl (ITW) ‘ als Erfolgsprojekt, allein deshalb, weil sie ‚auf eindrucksvolle Weise‘ die Handlungsbereitschaft der Landwirte gezeigt habe und bereits einen deutlich höheren Marktanteil abdecke als alle bisherigen Ansätze in Deutschland zusammen. Auf der anderen Seite habe sie bei den Betrieben auf der Warteliste jedoch zu Frustration geführt.

Dem, dass dies eine lobenswerte Initiative ist, schließe ich mich ausdrücklich an.

Dann heißt es weiter - dieser Kritik schließe ich mich auch an -:

„Verbesserungsbedürftig ist nach Quaings Ansicht weiterhin, dass der Kunde keine Chance habe, sich im Laden bewusst für ein

ITW-Produkt zu entscheiden, da eine entsprechende Pflichtkennzeichnung fehle.

Aus Sicht von Christoph Becker vom DLGAusschuss Schweineproduktion haben die Landwirte ‚außer der reinen Anzahl an Tieren‘“

- bei mehr Tierschutz -

„nichts zu verlieren. Mit Honorierungsprogrammen für mehr Tierwohl seien auch bereits die Weichen gesetzt, dass Bauern ihre Bestände ohne Einbußen verkleinern könnten. Der Direktor Landwirtschaft bei Vion, Dr. Heinz Schweer, verwies auf die Rolle des Handels zur Umsetzung neuer Standards. An dieser Stelle müsse gegebenenfalls der Druck erhöht werden.“

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜ- NE])

„Die baulichen Änderungen für mehr Tierwohl im Schweinestall, auch für die Haltung von ‚Ringelschwanztieren‘,“

- ich habe mich über dieses Lob der ISN sehr gefreut -,

„sind laut Becker überschaubar. Insbesondere von der finanziellen Seite her müssten nur geringe Investitionen getätigt werden. Der ‚schwierige Teil‘ bestehe jedoch im Umdenken.

So erfordere die Prävention des Schwanzbeißens vor allem ein gutes Management. Nötig seien häufigere Stallkontrollen, konsequente Gegenmaßnahmen bei Kannibalismus und gegebenenfalls mehr Aufenthalt im Stall. Die Tiere bräuchten aber auch mehr Platz und Beschäftigung.“

- Das sagt der Vertreter der ISN! -

„Als beste Maßnahme habe sich dabei die periodische Minimaleinstreu bewährt, betonte der DLG-Experte. Alle anderen Mittel würden für die Schweine nach kurzer Zeit langweilig. Als das ‚intelligenteste domestizierte Tier‘ seien Schweine durchaus mit Hunden zu vergleichen und müssten entsprechend gefordert werden.

Aus ökonomischer Perspektive zahlten sich der Mehraufwand und die Umbauten aus, hob Becker“

- der DLG-Experte -

„mit Blick auf den eigenen Betrieb hervor. Sein Schweinebestand sei von 4 000 Tieren auf 3 000 zurückgegangen, die Einnahmen aber von 60 000 Euro auf 80 000 Euro gestiegen. Der Grund dafür ist laut Becker unter anderem der Aufschlag von 12 Cent/kg durch das Tierschutzlabel. Als weiteren ‚angenehmen Nebeneffekt‘ wertete der Landwirt,“

(Zuruf von der CDU)

- das ist, glaube ich, vielleicht für Sie -

„viel entspannter in die Diskussion mit Kritikern gehen zu können.“

So viel also aus top agrar vom 27. Februar 2017. Die konventionellen Landwirte sagen: Mit mehr Tierwohl, weniger Tieren und höheren Preisen habe ich mehr Akzeptanz. - Das ist ein Erfolgsprojekt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher hat Niedersachsen ein breites Bündnis mit Landwirten wie der ISN, aber auch mit Kreisbauernverbänden, mit der Geflügel- und Schweinefleischwirtschaft sowie mit Verbraucher-, Umwelt- und Tierschützern gesucht, um eine nationale Tierschutzstrategie gemeinsam voranzutreiben. Zusammen mit Minister a. D. Lindemann, Minister a. D. Uwe Bartels und dem Präsidenten des Tierschutzbundes habe ich daher erfolgreich in Berlin für einen neuen bundesweiten Agrar- und Tierwohlkonsens geworben. Die Bundesratsinitiative Niedersachsens, die die Landesregierung beschlossen hat, wurde im Bundesrat mit übergroßer Mehrheit angenommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Er fordert die Bundesregierung auf, die Vorschläge des Kompetenzkreises Tierwohl auch zur Kennzeichnung tierischer Produkte - Vorsitzender Minister a. D. Lindemann - sowie die Vorschläge des Wissenschaftlichen Agrarbeirats der Bundesregierung jetzt umzusetzen. Dazu gehören sowohl mehr Förderung als auch Programme wie z. B. die Ringelschwanzprämie; dazu gehört aber auch, dass eine vernünftige Kennzeichnung dazu führt, dass die Verbraucherinnen und die Verbraucher frei entscheiden und mehr Tierwohl bei Landwirten endlich honorieren können. Zurzeit erkennt der Verbraucher nämlich nicht - anders als bei den Eiern -, wie das Schwein, das Huhn oder das Rind gehalten wurden.

Das Argument des Bundesagrarministers, dass eine Pflichtkennzeichnung allein in Deutschland rechtlich nicht möglich sei, wirkt wie eine Ausrede für Nichthandeln. So haben Großbritannien seit Langem die Nährwertampel und Frankreich 2016 zusätzliche nationale Herkunftskennzeichnungen für Fleisch und Milchprodukte gesetzlich eingeführt und von der EU-Kommission genehmigt bekommen. Nach dem von den grünen Abgeordneten in der Anfrage zitierten Gutachten von Professor Gundel - Europarechtliche Anforderungen an eine verbindliche nationale Tierwohlkennzeichnung, ZLR 6/2016 - ist eine verpflichtende Kennzeichnung nach Tierschutzkriterien auf einheimische und ausländische Waren ebenfalls rechtlich möglich und muss lediglich von der EU-Kommission genehmigt werden. Auch weitere Gutachten - ich erspare mir jetzt, sie alle im Detail vorzutragen -, z. B. das der Baden-Württembergischen Landesregierung, zeigen, dass eine nationale Kennzeichnung im Europäischen Binnenmarkt rechtlich zulässig ist. Dänemark, die Niederlande und Österreich planen ähnliche Tierschutzkennzeichnungen. Von daher wäre ein abgestimmtes Vorgehen dieser Tierschutzvorreiterländer im Binnenmarkt sehr wohl möglich.

Auch die Mehrheit der Bundesländer ist der Auffassung, dass ein verpflichtendes nationales Tierwohlsiegel rechtlich möglich und notwendig ist. So hat der Bundesrat mehrfach für die Ausweitung der Eierkennzeichnung auch auf verarbeitete versteckte Eier in Nudeln und Backwaren gestimmt. Auch die Geflügelwirtschaft sowohl in Niedersachsen als auch in Deutschland insgesamt fordert dies vehement ein, da Niedersachsen als Bio- und Freilandstandort Nummer eins sicher profitieren würde. Die nicht gekennzeichneten Eier aus Käfigbatterien aus dem Ausland gehen nämlich in den nicht gekennzeichneten Bereich bei den Backwaren und bei den Nudeln. Deshalb fordern auch viele niedersächsische Lebensmittelunternehmer, dass wir auch dort endlich eine ehrliche Verbrauchertransparenz bekommen. Ich möchte auch wissen, woher die Eier im Kuchen und in den Nudeln kommen.

Um gleiches Recht für alle zu gewährleisten und um keine Wettbewerbsnachteile für unsere Betriebe zu schaffen, ist bei einer Kennzeichnung aber auch eine intensive Kontrolle notwendig. Vielleicht haben Sie es schon gelesen. Ich kann Ihnen mitteilen, dass unser Landesamt für Verbraucherschutz, das LAVES, in Zusammenarbeit mit den zahlreichen Kommunen in den letzten Tagen in