Protocol of the Session on March 2, 2017

So Geis im „Handbuch des Staatsrechts“.

Unser Untersuchungsausschuss hat ans Licht gebracht, was der Innenminister lieber geheim

gehalten hätte. Die Arbeit der Parlamentarier führt offenkundig zu politischen Kurskorrekturen, zu denen Rot-Grün allein wohl nicht die Kraft gehabt hätte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich verweise da nur auf die gestrige Debatte und die heutige entsprechende Berichterstattung. Dazu bedurfte es des öffentlichen Drucks.

Ich kann daher nicht verstehen, wieso Sie bereits in Ihren Reden zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses dieses parlamentarische Mittel verwerfen. Max Weber konnte 1918 schließlich anknüpfen an viele Bemühungen in den deutschen Einzelstaaten, bei denen auch und gerade Sozialdemokraten für diese Rechte gekämpft haben. Beispielhaft seien hier die letztlich erfolglosen Versuche von Ignaz Auer und seinen Mitstreitern im preußischen Reichstag von 1891 bis 1913 genannt, nachzulesen in den Reichstagsverhandlungen unter dem Stichwort „Auer und Genossen“. Auers Arbeit wurde später durch die Sozialistengesetze eingeschränkt, und er floh - man höre und staune - nach Bayern.

Ich könnte weitere Beispiele nennen. Reden Sie doch einmal mit Ihrer ehemaligen Kollegin Dr. Heike Bockmann, die genau zu diesem Thema promoviert hat.

(Jörg Bode [FDP]: So ist es!)

Ich finde, in diese sozialdemokratische Tradition passen Ihre verächtlichen Reden über dieses wichtige Oppositionsrecht einfach nicht hinein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe daher eine Bitte: Nutzen Sie, SPD und Grüne, das Urteil des Staatsgerichtshofs, nutzen Sie die Debatte als eine Zäsur. Herr Minister Pistorius, legen Sie Ihre Strategie ab, diesen Untersuchungsausschuss zu behindern, anstatt ihn in seiner Arbeit zu unterstützen. Wenn Sie wirklich davon überzeugt sind, dass Sie sich nichts vorwerfen müssen, dann kämpfen Sie doch offen und selbstbewusst für Ihre Position, anstatt auf Tricksereien zu setzen, damit sich der Wähler ein Urteil bilden kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Anschlag der Safia S. auf dem Hauptbahnhof liegt über ein Jahr zurück. Der Tag, an dem wir zum ersten Mal Akten angefordert haben, jährt sich demnächst. Wem wollen Sie, Herr Minister, denn ernsthaft weismachen, dass es über ein Jahr dau

ert, diese Akten vorzulegen? - Überdenken Sie Ihre Aussagegenehmigungen! Noch nie hat es in Niedersachsen eine Landesregierung gegeben, die Beamten in einem Untersuchungsausschuss derart restriktive Beschränkungen auferlegt hat. Das wirft kein gutes Licht auf Ihre Arbeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.

Dieser Untersuchungsausschuss leistet eine gute Arbeit. Er hat vieles zutage gebracht, und er wird noch weitere Erkenntnisse bringen; das lässt sich jetzt schon erahnen. Er wird dieses tun, unabhängig davon, ob die Regierung ihn unterstützt oder ob sie torpediert, und unabhängig davon, ob SPD und Grüne sich einbringen oder nicht.

Ein Untersuchungsausschuss ist Mittel der Opposition. Das hat das Verfassungsgericht den Fraktionen von SPD und Grünen noch einmal deutlich ins Stammbuch geschrieben. Er sollte seine Arbeit nun zügig fortsetzen können.

Wir beantragen sofortige Abstimmung über unseren heutigen Antrag.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Es hat jetzt für die SPD-Fraktion das Wort der Kollege Grant Hendrik Tonne.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Nacke, nach dieser Rede bin ich geneigt, Ihnen zu empfehlen, es einfach einmal eine Spur kleiner zu halten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben gerade in einer völlig überzogenen Rede

(Christian Dürr [FDP]: Ist Verfas- sungsbruch eine Kleinigkeit, Herr Tonne?)

16 Minuten lang gebraucht, um einen formalen Beschluss, den wir heute zu treffen haben, zu erklären.

(Björn Thümler [CDU]: Sechs Mal vom Verfassungsgericht verurteilt!)

- Wir machen gerne auch noch den Exkurs zum Thema „Verfassungsbruch oder nicht?“.

(Björn Thümler [CDU]: Sechs Mal! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Nacke, ich war ja schon erfreut, dass Sie im Unterschied zu vorher angefangen haben zu differenzieren.

(Christian Dürr [FDP]: Sie sind Wie- derholungstäter!)

Sonst sind Ihnen Landtag und Landesregierung auch immer sehr wichtig. Heute habe ich zum ersten Mal eine Differenzierung in der Aufzählung gehört.

Wir könnten jetzt auch über Verfassungsbrüche in der letzten Wahlperiode reden; da gab es für Sie eine Reihe von krachenden Niederlagen. Aber was eine solche Aufzählung - Ihre oder unsere - mit dem heutigen Beschluss zu tun haben soll, ist mir, ehrlich gesagt, schleierhaft. Sie führt auch nicht weiter.

(Zustimmung bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Ich würde mal in die Urteile gucken!)

Ich finde, Sie könnten eine solche Debatte dann für sich in Anspruch nehmen, wenn Sie aus Ihren Erfahrungen klüger geworden wären. Wenn ich mir aber anschaue, was Sie zum Thema Gefahrenabwehrrecht auf den Tisch gelegt haben - mit dem Vorschlag, die Höchstdauer einer Ingewahrsamnahme von zehn Tagen auf 18 Monate zu erweitern

(Christian Dürr [FDP]: Was hat das denn damit zu tun?)

und eine Gefahrenprognose für sechs Monate zu stellen, rauschen Sie z. B. klar in die Verfassungswidrigkeit -,

(Björn Thümler [CDU]: Das zu beurtei- len, steht einem Gericht zu, nicht Ihnen!)

dann habe ich den Eindruck: Sie sind denkbar schlecht geeignet, uns hier Vorhaltungen zu machen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich finde, es wäre angebracht gewesen, dass Sie irgendwann einmal signalisiert hätten, ob Sie in diesem Untersuchungsausschuss zur Sacharbeit kommen wollen - „zurückkehren“ wäre hier der falsche Begriff.

(Ulf Thiele [CDU]: Sie sind zur Demut nicht fähig!)

Sie haben uns vorgeworfen, wir könnten möglicherweise genervt sein, und haben gesagt, das sei die falsche Voraussetzung. Damit aber haben Sie die Motivation Ihres Handelns entlarvt, nämlich: „Hauptsache, wir sind dagegen. Dagegensein ist unsere Aufgabe.“

(Christian Grascha [FDP]: Quatsch!)

Damit springen Sie erneut viel zu kurz.

(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Sie können es nicht!)

Deswegen sage ich Ihnen auch: Auf unserer Seite muss sich niemand Ihr VHS-Kurs-artiges Dozieren zum Thema „Regierung und Opposition“ anhören. Das war vollkommen verfehlt, Herr Nacke.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU - Zurufe von der CDU: Unglaublich! - Unverschämt! - Björn Thümler [CDU]: Dafür haben Parlamentarier ihr Leben gelassen, Herr Tonne! Sie sollten einmal in Demut gehen!)

Meine Damen und Herren, am 10. Februar 2017 hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof entschieden, dass der zeitliche Umfang der parlamentarischen Ermittlungen im Untersuchungsausschuss zu der Frage nach der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegen die islamistische Bedrohung in Niedersachsen nicht von der jetzige Wahlperiode in die vorherige Wahlperiode ausgedehnt werden darf.

Unser Wunsch nach Untersuchung in einem sachlichen, logischen zeitlichen Kontext - nämlich vom Beginn des Syrien-Krieges an bis heute - ist nicht umsetzbar.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Er ist ver- fassungswidrig! - Christian Dürr [FDP]: „Nicht umsetzbar“? Was Sie gemacht haben, war ein Rechts- bruch!)