Protocol of the Session on March 1, 2017

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, gehen Sie lieber einmal mit gutem Beispiel voran, statt immer nur mit einem Finger auf andere zu zeigen! Denken Sie daran: Vier andere Finger zeigen dann zurück auf Sie!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da Sie, Frau Kollegin, immer sagen, dass das totaler Unsinn sei, will ich Ihnen einmal sagen: Man bezeichnet als Unsinn immer das, was man selbst nicht versteht. Und das ist Ihr Problem, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte Ihnen zum Abschluss noch eines sagen, damit deutlich wird, dass wir uns darin einig sind, dass es ein Problem gibt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Was ist mit den 80 %? - Anja Piel [GRÜNE]: Dass Insekten so ein Reizthema sind, wer hätte das gedacht?)

- Es gibt das Problem. Ich habe es zu Beginn meiner Rede angesprochen. Ich habe auch die 80 % angesprochen; da brauche ich Ihre Belehrung nun ganz bestimmt nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da auch ich ein naturverbundener Mensch bin, da auch ich von diesen Grundlagen lebe, denke ich: Wir sollten uns nicht so sehr mit Vorwürfen, sondern stärker mit dem Ausbau der Biodiversitätsforschung beschäftigen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Re- den Sie mit sich selbst oder mit uns?)

Wir sollten den Ursachen wirklich auf den Grund gehen. Wenn Sie das nicht können - wir werden es machen! Sie kriegen demnächst von uns einen Antrag dazu.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Oesterhelweg. - Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort Herr Kollege Bosse. - Ich darf um etwas mehr Ruhe im Plenarsaal bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sehr dankbar dafür, dass sie dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat.

(Hermann Grupe [FDP]: Wir auch!)

- Zu den Gemeinsamkeiten komme ich ja noch.

Ich denke, dass dieses Thema - das zeigt ja auch die soeben geführte lebhafte Debatte - auf den Punkt gesetzt worden ist. Wir wissen vom Insektensterben. Wir wissen von der wichtigen Beziehung zwischen Insekten, Menschen und auch Landwirtschaft. Wir wollen natürlich keinen stummen Frühling. Im Gegenteil, wir wollen einen Frühling, der bunt ist, der duftend ist, der angefüllt ist mit Vogelzwitschern und mit Summen, der warm ist, der mild ist. Solch einen Frühling wollen wir.

Damit das so ist, sage ich: Dieses Thema eignet sich nicht für einen politischen Streit. Wir brauchen alle an einen Tisch. Wir brauchen die Gesamtgesellschaft. An dieser Stelle schließe ich auch die Landwirtschaft ganz, ganz deutlich mit ein.

Es gibt aber auch gute Botschaften und gute Beispiele, gerade auch im Land Niedersachsen. Ich denke z. B. an die Stadt Rotenburg (Wümme), die tatkräftig voranschreitet. Rotenburg ist als die wildbienenfreundlichste Kommune in Niedersachsen ausgezeichnet worden. Dort wird ganzjährig ein Blütenangebot vorgehalten. Dort werden den Insekten Möglichkeiten zum Nisten geboten. Dort wird an einigen Stellen nicht geharkt, sondern dort werden Laubhügel geschaffen, damit die Insekten die Möglichkeit haben, dort zu überwintern.

Auch andere Kommunen tun das. Die Städte Osnabrück und Hannover schreiten ebenfalls kräftig voran. Auch von unserer Seite aus gratulieren wir der Stadt Rotenburg (Wümme). Dort wird auch kräftig in Umweltbildung investiert. Wir brauchen aber auch noch eine gewisse Motivation für die Kommunen, damit sie dem Bienen- und Insektenschutz entsprechend gerecht werden. Darum haben wir in den Haushalt einen Topf mit 750 000 Euro zum Schutz und zur Erhaltung der Biodiversität in Städten und Dörfern durch Schaffung von Grünflächen und Grünstreifen eingestellt. An Ortsrändern, an Dorfrändern, zwischen den Straßen und an Gehwegen muss Saat eingesetzt werden. Diese Saat darf auch nicht gleich wieder abgemäht werden, sondern man muss sie grünen lassen. Das sind Maßnahmen, die die Kommunen schon in Kürze beantragen können.

Wir brauchen Vielfalt. Wir brauchen keine Monokulturen; denn die sind gefährlich. Wir brauchen bunte Wiesen. Wir brauchen keine grünen Wiesen. Letzten Endes gilt auch: Alle können und müssen mithelfen. Dafür muss querbeet bei allen Verständnis geweckt werden. Das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich. Denn alle, die wir hier sitzen, wollen sauberes Wasser. Alle wollen reine Luft. Alle wollen gesunde Nahrung. Alle wollen auch eine lebenswerte Umwelt. Das geht aber nur, wenn Ressourcen geschont werden und wenn man sich der Nachhaltigkeit zuwendet, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Viele Kommunen und auch viele Private - das sage ich ganz deutlich - tun das schon. Im Landkreis Wolfenbüttel, Herr Kollege Oesterhelweg, werden zusammen mit dem Landschaftspflegeverband Streuobstwiesen ausgewiesen. Dort schreiten alle gemeinsam voran: Landwirtschaft, Kommunen, Umweltverbände - alle gemeinsam setzen sich für Streuobstwiesen ein. Ich denke, an dieser Stelle sind wir durchaus Vorreiter.

Es geht aber auch noch weiter mit der Ausweisung von sogenannten wilden Wäldern, von Wiesen, von Gewässerrandstreifen, von Pflanzen, Hecken und Sträuchern. Jeder kann auch privat etwas tun. Zum Beispiel muss der Rasen auf einigen Quadratmetern mal nicht gemäht werden, sondern man kann ihn grünen lassen. Hier bieten sich in der Tat für jeden vielfältige Möglichkeiten, wie letztendlich auch die Natur vielfältig ist.

Wir brauchen meines Erachtens eine bedarfsgerechte Düngung. Wir müssen den Pestizideinsatz minimieren. Und wir brauchen strukturreiche Landschaften, die zu fördern sind.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, ich möchte mit einem Zitat von Albert Einstein enden, der einmal gesagt hat:

„Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung hat nun Herr Umweltminister Wenzel das Wort. Bitte, Herr Wenzel!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es durchaus bemerkenswert, dass hier von allen Seiten des Parlaments nachdenkliche Reden gehalten worden sind. Das zeigt, dass dieses Thema offensichtlich ernst ist.

Im Regelfall kann am Flug der Schwalben abgelesen werden, wie das Wetter wird. Die Insekten, die Hauptnahrungsquelle der Schwalben, fliegen hoch, wenn das Wetter gut zu werden scheint. Leider können wir das heute nur noch viel seltener als früher sehen; denn auch die Zahl der Schwalben ist deutlich zurückgegangen. Möglicherweise gibt es hier Zusammenhänge.

Meine Damen und Herren, das müssen wir sehr ernst nehmen. Die Gruppe der Insekten ist mit 33 500 Arten die artenreichste Gruppe unter den Lebewesen in Deutschland. Sie sind unverzichtbare Bestäuber auch für die Nahrungspflanzen des Menschen. Es geht ganz zentral also auch um uns selbst und um unsere Nahrungsgrundlagen. Wir haben insgesamt etwa 580 Wildbienenarten; allein 380 davon leben in Niedersachsen. Aber 50 % dieser Bestände sind bedroht. Das, meine Damen und Herren, ist wirklich ein sehr, sehr hoher Wert.

Insekten stehen am Anfang der Nahrungskette, sind also ein frühes Warnzeichen. Auch Fleder

mäuse und Singvögel ernähren sich ganz maßgeblich von Insekten. Jetzt zeigt diese Untersuchung aus Nordrhein-Westfalen - Frau Staudte hatte sie erwähnt und in diesem Zusammenhang auch auf das Buch von Rachel Carson hingewiesen, das schon im Jahr 1962 sehr aufgerüttelt und dieses Thema schon damals zu einem weltumspannenden Thema gemacht hat - wirklich einen dramatischen Rückgang. Diese Untersuchung muss ernst genommen werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Früher haben Insekten auch von der Strukturvielfalt der kleinbäuerlichen Landwirtschaft profitiert. Man muss jetzt aber auch sehr genau gucken - damit will ich nicht unbedingt die Landwirtschaft kritisieren, Herr Oesterhelweg, aber man muss es zur Kenntnis nehmen -, welches die Auswirkungen sind, welches die Wirkungen sind und woran es liegt. Die Schläge sind viel größer geworden. Der Verlust an Strukturen und Wegrändern hat in den letzten Jahrzehnten - eigentlich schon in den letzten zwei Jahrhunderten - immer mehr zugenommen. Die Agrarstruktur hat sich ganz intensiv verändert. Grünland wird heute wesentlich intensiver bewirtschaftet als früher. Die Fruchtfolgen sind enger geworden. Das heißt, weniger verschiedene Früchte werden auf den Äckern angebaut. Auch Bioenergie und der damit verbundene Maisanbau haben zum Teil erheblich dazu beigetragen, dass die Fruchtfolgen verarmt sind. Die durchschnittliche Schlaggröße ist erheblich angewachsen.

Der Mineraldüngereinsatz hat sich ebenso vervielfacht wie die organischen Düngermengen. Wir wissen davon, weil wir in diesen Tagen ja auch noch über Nitrateinträge reden. Natürlich haben die Pestizideinsätze erheblich zugenommen. Der Einsatz von Totalherbiziden war zu Zeiten meiner Ausbildung noch die absolute Ausnahme. Heute ist er auf 40 % der Äcker eher der Regelfall.

Wir müssen auch die Forschungsergebnisse im Bereich der Neonicotinoide, die in starkem Verdacht stehen, vor allen Dingen in Bezug auf die Biene, aber auch in Bezug auf andere Insekten eine hohe Toxizität zu haben, ganz ernst nehmen.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das ist aber schon wieder eine sehr monokausale Betrachtung!)

- Es ist vielleicht angezeigt, die Hinweise und Untersuchungen, die es dazu gibt, wirklich ernst zu

nehmen und nicht so lange zu forschen, bis alle tot sind, Herr Dammann-Tamke.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Die dramatischen Bestandsrückgänge müssen wir ernst nehmen. Fakt ist aber auch: Wir wissen noch zu wenig.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Jetzt wird es schon besser!)

Deshalb ist es nicht angezeigt, einseitig Verursacher festzumachen. Wir wissen noch zu wenig, und deswegen werden wir das Monitoring verbessern. Wir werden auch eine Arbeitsgruppe einsetzen, die maßgebliche Ursachen genauer untersucht und Wege zur Verbesserung des Monitorings erarbeitet.

Wir halten es zudem für erforderlich, die Zulassungsverfahren für Pestizide erheblich zu verschärfen. Das ist auch z. B. zum Wasserschutz notwendig. Der Pestizideinsatz sollte schon aus Vorsorgegründen sehr deutlich gesenkt werden. Ich bin deshalb meinem Kollegen aus dem Agrarressort sehr dankbar dafür, dass er sich z. B. für die Imker, aber auch für den ökologischen Landbau massiv einsetzt.

Wir nehmen das Thema Insektensterben sehr ernst, meine Damen und Herren, auch weil der Mensch Teil der Nahrungskette ist und weil die Bienen beispielsweise eine gewaltige Bestäubungsleistung erbringen und damit auch einen wirtschaftlichen Beitrag, eine Systemdienstleistung, erbringen.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen fürs Zuhören und würde mich freuen, wenn wir alle gemeinsam an diesem Thema sehr ernsthaft weiterarbeiten.