Es ist bedauerlich, dass das, was vorhin in der Geschäftsordnungsdebatte mit großer Emotion vorgetragen worden ist, hier keine Chance gehabt hat. Stattdessen wird etwas diskutiert, bei dem man den Redebeitrag vom letzten Plenarabschnitt nur wiederholen kann.
Wir befinden uns in einem Rechtsstaat. Klar ist: Wer gegen die Regeln verstößt oder wer sie missbraucht, wer Sozialmissbrauch, Steuerbetrug oder was auch immer betreibt oder dessen verdächtig ist, gegen den muss ermittelt werden. Wenn ermittelt worden ist, dann muss ein Urteil gefällt werden. Das ist auch in diesem Fall alles genauso geschehen. Die Vorgänge liegen der Staatsanwaltschaft vor, es gibt Disziplinarverfahren. Es wird also ganz genau aufgeklärt werden, wann wer wo etwas getan hat und wer auch gegebenenfalls weggesehen hat. Das ist nichts Neues, sondern das findet in diesem Rechtsstaat immer und immer wieder statt.
Was etwas Neues ist - das muss man deutlich sagen -, ist das abgrundtiefe Misstrauen gegenüber Landesbediensteten, das in Ihrer Rede deutlich geworden ist.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Editha Lorberg [CDU]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist ei- ne Unverschämtheit! Sie verdrehen die Tatsachen! - Gegenruf von Anja Piel [GRÜNE]: Aber Frau Lorberg, so klingt das doch! Nichts anderes haben Sie gesagt! - Gegenruf von Editha Lorberg [CDU]: Das ist doch gar nicht wahr!)
Sie haben ein absolutes Misstrauen gegenüber Bediensteten des Landes Niedersachsen. Sie haben ein absolutes Misstrauen gegenüber unserer Polizei; denn die ermittelt so etwas, und Sie haben ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber der Justiz, die am Ende ein Urteil fällen muss. Das ist es, was Sie haben.
Als ich mich auf diesen Tagesordnungspunkt vorbereitet habe, als ich mir Ihren Antrag zur Aktuellen Stunde noch einmal angeguckt und die Panik gesehen habe, ist mir nur noch eines eingefallen: Ich habe an eine Drachenbootfahrt auf dem Zwischenahner Meer gedacht.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Da hatte aber niemand Panik, nicht mal Jens! - Anja Piel [GRÜNE]: Es konnten alle schwimmen!)
Genau in dieser Situation sind Sie wieder. Sie werden Ihrer Verantwortung nicht gerecht. Wer seiner Verantwortung nicht gerecht wird, handelt verantwortungslos. Das ist das, was Sie hier in dieser Debatte tun.
(Jens Nacke [CDU]: Das Zwischen- ahner Meer liegt im Ammerland! Sa- gen Sie das bitte dazu, Herr Kollege! - Gegenruf von Johanne Modder [SPD]: Das macht es auch nicht bes- ser! Das waren schöne Bilder!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Watermann, Parallelen bestehen da nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass damals auf dem Boot keiner in Panik war. Das ist einfach irgendwie passiert.
Ich möchte eines vorweg sagen, weil der Kollege Onay das wieder in diese Richtung gedreht hat. Er sagt: Da wird mit dem rechten Auge gezwinkert.
Ich möchte nur dafür plädieren, dass man nicht sofort versucht, jegliche Debatte, die sich etwa mit Asylleistungsmissbrauch oder Ausländerkriminalität befasst, in eine bestimmte Ecke zu stellen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Filiz Polat [GRÜNE]: Pauschalisierung und Generalisierung, Herr Birkner!)
Denn das schadet der Debattenkultur in unserem Land und auch in diesem Parlament ungemein. Wir müssen immer auch unterstellen und voraussetzen, dass selbstverständlich jedem hier im Hause an einer sachlichen, inhaltlich orientierten Debatte gelegen ist, in der es nicht darum geht, am rechten Rand zu fischen. Wenn Sie diese Unterstellung permanent machen, vergiften Sie die Debattenkultur in diesem Haus.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Sie verdre- hen hier Ursache und Wirkung!)
Die zweite Bemerkung betrifft ein Argument, das Sie auch üblicherweise anbringen. Wenn man hier wagt, Kritik an dem Verhalten, das in Behörden aufgetreten ist, zu äußern, und dies - für Sie sehr wohl nachvollziehbar - als Kritik an der Landesregierung formuliert, ist das Erste, was Sie sagen, wir würden die Mitarbeiter kritisieren. Das ist mitnichten der Fall. Wir kritisieren diese Landesregierung.
(Filiz Polat [GRÜNE]: Wenn Sie bei diesem Thema weiterhin so bei der CDU bleiben, werden Sie bei der Landtagswahl untergehen!)
Wir kritisieren den Minister dafür, dass er durch sein Verhalten solche Missstände entweder nicht beseitigt oder aber begünstigt. Das ist die Richtung der Kritik. Sie richtet sich nicht gegen die Mitarbeiter.
Das ist erstens natürlich nach wie vor die Frage, wie die Landesregierung mit den Sozialbetrugsfällen umgeht, die in der LAB NI - insbesondere durch die Mitarbeiterinnen - festgestellt worden sind. Es bleibt für mich dabei, dass ich nach wie vor einen mangelnden Aufklärungswillen der Landesregierung sehe.
Ich erinnere mich noch gut an die Debatte im letzten Plenum, als der Minister hier und auch in der Pressekonferenz erklärt hat, das seien alles nur Missverständnisse gewesen. Er hat im Prinzip schon erklärt, eigentlich sei gar nichts daran und individuell vorwerfbar sei schon gar nichts. Auf der anderen Seite hat er aber auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es ein Disziplinarverfahren gebe. Mittlerweile gibt es ja wohl auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Das passt nicht zusammen.
Diese vorauseilende Entwarnung durch den Minister - es seien alles nur Missverständnisse; alles sei nicht so dramatisch, wie es dargestellt werde - ist aus meiner Sicht ein deutlicher Hinweis dafür, dass man die Dinge reflexhaft sofort bagatellisieren will, da man ihnen eben nicht auf den Grund gehen will. Damit schafft man wieder einen Anlass für die Diskussion, dass dort ein systematischer Missbrauch, etwa durch Asylbewerber, stattfindet, der in diesem Ausmaß aber natürlich nur einen Bruchteil der Asylbewerber betrifft. Wenn man hier versucht, das gleich wieder mit dem Mantel des Schweigens zu bedecken, liefert man genau denen wieder Argumente, die sagen: Na ja, so ganz sicher kann man sich ja nicht sein, dass die Landesregierung diesen Dingen tatsächlich nachgeht und einen echten Aufklärungswillen hat.
Das schadet am Ende der Diskussionskultur. Insofern bleibe ich dabei: Hier ist die Landesregierung in der Bringschuld.
Ein weiterer Punkt diesbezüglich ist, dass die Landesregierung bisher - zumindest soweit wir das sehen können - nicht dargelegt hat, wie sie eigentlich sicherstellen will, dass neben den bereits aufgedeckten Fälle keine weiteren vorgefallen sind. Geht man denn der Sache wirklich nach und arbeitet auch die Altfälle ab, um sicherzustellen, dass nicht schon in der Vergangenheit mehrfacher Asylbewerberleistungsbetrug stattgefunden hat? - Oder
sagt man: „Das ist nicht so wichtig; wir wollen bei der Nummer eigentlich nur durchs Loch kommen und das am Ende durch Zeitablauf erledigt sehen“? Das wäre inakzeptabel. Diesen Dingen muss konsequent nachgegangen werden.
Meine zweite Bemerkung knüpft an das an, was in der Braunschweiger Zeitung am 18. Februar berichtet worden ist. Die Polizei hat berichtet, dass die Zusammensetzung der Bewohner in der LAB NI ein Thema ist. Dort seien jetzt vorwiegend bzw. in großer Zahl ausreisepflichtige Menschen untergebracht, die entweder aus sichereren Drittstaaten kommen - das ist durch das Innenministerium bestätigt worden - oder deren Asylbegehren tatsächlich bereits abgelehnt worden ist. Die Polizei sieht eine Gefahr darin, dass dort vorwiegend Menschen untergebracht sind, die nicht so fürchterlich viel zu verlieren haben, weil sie sowieso ausgewiesen werden bzw. ausreisen müssen. Diese Änderung der Zusammensetzung der Bewohner ist für die Polizei - so die Kriminalpolizei vor Ort - eine neue Herausforderung.
Deshalb stellt sich natürlich die Frage an die Landesregierung: Welche Strategie haben Sie denn für den Umgang mit solchen Situationen?
Wie wollen Sie denn damit umgehen? - Das betrifft ja nicht nur die LAB NI in Braunschweig, sondern alle Einrichtungen. Gibt es da spezielle Präventionsstrategien? Gibt es spezielle Strategien, die sicherstellen, dass in Fällen, in denen man es mit bekannten Straftätern zu tun hat, nicht auf Freiwilligkeit gesetzt wird - abweichend von Ihrer Politik - und es möglicherweise schneller zur Abschiebung kommt?
Eine dritte Bemerkung möchte ich zum Abschluss noch machen - die Kollegin Lorberg hat das bereits angesprochen -: Es geht nach wie vor um die Frage - da sehe ich die Landesregierung in der Verantwortung -, wie Sie eigentlich mit Mitarbeitern umgehen, die Zivilcourage beweisen und solche Missstände direkt an die Polizei berichten.
Da kann man natürlich formal sagen, der Dienstweg ist umgangen worden. Das hat am Ende aber dazu geführt, dass Straftaten aufgedeckt worden sind. Wenn Sie in Behörden eine Kultur haben wollen, die - sage ich mal - solches Verhalten und nicht nur Duckmäuserei fördert, dann müssen Sie hier ein Zeichen setzen, dieser Mitarbeiterin entgegenkommen und ihr endlich Gerechtigkeit zu
teilwerden lassen. Dann dürfen Sie sie nicht im Regen stehen lassen, sodass sie am Ende die Leidtragende dieser Aktion ist.
Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Jetzt folgt die Landesregierung. Es spricht Herr Innenminister Pistorius. Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im Rahmen der letzten Aktuellen Stunde habe ich Ihnen gesagt, dass ich die pauschale Kritik an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Ebenen der Landesaufnahmebehörde in Braunschweig für nicht akzeptabel halte.