Protocol of the Session on February 3, 2017

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Entscheiden sich die Grünen anders als die Grünen auf Bundesebene, oder streiten wir uns untereinander? - Ich kann Ihnen versichern: Das werden wir nicht tun. Die rot-grünen Reihen waren in den letzten Jahren fest geschlossen, und sie werden auch fest geschlossen bleiben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Wahlmann, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Genthe zu?

Ja. - Bitte, Herr Dr. Genthe!

Vielen Dank für diese Möglichkeit.

Frau Wahlmann, ich hatte eben gesagt, dass die SPD in Schleswig-Holstein einem Antrag, der noch

wesentlich kürzer war als der, den wir hier vorgelegt haben, zugestimmt hat.

(Heiterkeit)

Dann beglückwünsche ich Sie zu Ihrem Antrag.

Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie das in der Sache eigentlich richtig finden, aber diesen Antrag nur deswegen ablehnen werden, weil Sie die rot-grünen Reihen nicht aufmachen wollen?

(Beifall bei der FDP)

Nein, das haben Sie nicht richtig verstanden. Ich komme nämlich jetzt zur Sache.

(Zurufe von der CDU: Ah!)

Es gibt durchaus gute Argumente für beide Seiten. Wir sind ja erst in der ersten Beratung.

Zu der einen Seite: Mit dem Fahrverbot als Nebenstrafe für Straftaten jeglicher Art will die Bundesregierung auch Täter erreichen, die sich von einer Geldstrafe allein nicht beeindrucken lassen. Ja, da gibt es tatsächlich den einen oder anderen Jungtäter, der die Strafe von Mama und Papa bezahlen lässt. Insbesondere Heranwachsende, die gerade erst den Führerschein gemacht haben und für die es auch wichtig ist, sich bei ihren Kumpels damit zu produzieren, trifft man mit einem Fahrverbot tatsächlich.

Es gibt einen kurzen Artikel in der ZRP 2010 von einem gewissen Herrn Busemann, der von einem Fahrverbot als Denkzettel oder Besinnungsmaßnahme spricht.

(Christian Calderone [CDU]: Guter Mann!)

Das ist auch nicht von der Hand zu weisen; denn einen Denkzettel verpasst man jungen Tätern mit einem Fahrverbot bestimmt. Ob sie dadurch allerdings zur Besinnung kommen, ist individuell sicherlich unterschiedlich. Aber das ist leider auch bei Geld- und Freiheitsstrafen so.

(Johanne Modder [SPD]: Das ist nicht nur bei Jugendlichen so!)

Die besonders reichen Straftäter, bei denen man davon ausgeht, dass sie sich durch eine Geldstrafe nicht beeindrucken lassen, trifft man mit dem Fahrverbot nicht. Denn wer sich schon von einer

Geldstrafe, bei der die Tagessatzhöhe 30 000 Euro beträgt - das sind insgesamt über 10 Millionen Euro, wenn man die Tagessatzhöhe hochrechnet -, nicht beeindruckt zeigt, wird sich wohl bei einem Fahrverbot ein Taxi oder auch einen Fahrer leisten können.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Was jedoch nicht zwangsläufig gegen ein Fahrverbot bei allgemeinen Straftaten spricht, sind der Stadt-Land-Bezug und die unterschiedliche Nutzung des Kfz. Natürlich sind Menschen unterschiedlich stark auf ihr Kraftfahrzeug angewiesen. Wer in der Stadt wohnt, kann öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Wer auf dem Land wohnt, beruflich auf seinen Führerschein angewiesen ist oder gesundheitliche Einschränkungen hat, der braucht das Auto wesentlich stärker. Das ist so. Aber bei der Urteilsfindung hat das Gericht ohnehin genau abzuwägen, inwieweit die Strafe auf den Täter einwirkt und inwieweit sie zur Resozialisierung beiträgt. Wir haben ein sehr hohes Vertrauen in unsere Richterinnen und Richter, dass sie gut abwägen können, ob ein Täter aus Hannover-City vor ihnen steht oder einer aus dem schönen Osnabrücker Land, der eventuell stärker auf seinen Führerschein angewiesen ist.

Was für uns ebenfalls nicht gegen ein Fahrverbot bei allgemeinen Straftaten spricht, ist der fehlende Zusammenhang zwischen Straftat und Strafe. Wir sind nicht der Meinung, dass da ein Zusammenhang bestehen muss, dass sie unmittelbar miteinander verknüpft sein müssen; denn das Motto „Auge um Auge, Zahn und Zahn“ haben wir weit hinter uns gelassen.

Eine Geldstrafe wird nicht nur bei Eigentumsdelikten verhängt. Eine Freiheitsstrafe wird auch nicht nur bei Straftaten gegen die persönliche Freiheit verhängt. Ansonsten gäbe es gar keine Strafe, die man bei Drogendelikten, Körperverletzungen oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verhängen könnte. Diese Delikte sind gute Beispiele dafür, dass man in einem modernen Rechtsstaat nicht unbedingt wollen kann, dass da ein direkter Zusammenhang besteht.

Es muss abschließend nicht nur eine Freiheitsstrafe und Geldstrafe geben. Theoretisch kann es auch andere Strafformen geben.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Sinnvoll wäre bei einigen Straftätern beispielsweise gemeinnützige Arbeit, weil es bei manchen durchaus förderlich wäre, ihnen eine Tagesstruktur

zu geben und sie überhaupt erst einmal an Arbeit zu gewöhnen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Genau! Sehr gut!)

Aber auch das sieht unser Strafgesetzbuch nicht vor.

Damit will ich sagen: Es muss nicht zwangsläufig bei den beiden Strafen, nämlich Freiheitsstrafe und Geldstrafe, bleiben. Es gibt auch andere denkbare Möglichkeiten.

Ob aber tatsächlich das Fahrverbot eine solche Möglichkeit sein muss, ist aus einem anderen Grund fragwürdig, den Herr Dr. Genthe eben schon genannt hat. Dagegen spricht nämlich, dass es sich hierbei um eine Spezialsanktion ausschließlich für Inhaber einer Fahrerlaubnis handelt.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Das kann zu einer bedenklichen Schieflage zwischen Straftätern mit und ohne Fahrerlaubnis führen. Der Gesetzentwurf geht nämlich davon aus, dass zukünftig in manchen Fällen von einer Freiheitsstrafe abgesehen werden kann, wenn allein eine Geldstrafe in Kombination mit einem Fahrverbot ausreicht, um auf den Täter einzuwirken. Das heißt, jemand, der eine Fahrerlaubnis hat, kann um eine Freiheitsstrafe drum herumkommen, ein Täter ohne Fahrerlaubnis aber nicht. Das ist meines Erachtens mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar. Auf gut Deutsch: Es ist ungerecht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der FDP)

Außerdem: Warum soll es unbedingt ein Fahrverbot sein? Wenn man Straftäter dadurch bestrafen will, dass man sie in ihrer Fortbewegungsfreiheit einschränkt, warum dann nicht auch ein Verbot zum Fahrradfahren oder ein Verbot zum Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel? - Dass es das Fahrverbot schon in einem anderen Zusammenhang gibt, kann allein kein Grund sein. Ist die Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit überhaupt der richtige Weg, um einen Ladendieb zu bestrafen? - Ich glaube, das ist schwierig.

Sie sehen also: Man kann eine Menge Gründe dafür und eine Menge Gründe dagegen finden. Ich habe den Eindruck, dass quer durch alle Fraktionen jeder eine ganz persönliche Meinung dazu hat.

Wir sind ja erst in der ersten Beratung. Wir wollen mit Ihnen in einen Dialog treten und auch das Gespräch mit den Vereinen und Verbänden suchen. Ich freue mich auf interessante Diskussionen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nun hat für die CDUFraktion Herr Kollege Calderone das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie so oft ist die CDU in Niedersachsen auch bei dieser Frage Ihrer Zeit voraus.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bereits im Jahr 2010 forderte der damalige Justizminister Bernd Busemann, den Führerscheinentzug als eigenständige Sanktion bei allgemeiner Kriminalität einzuführen. Unterstützung erhielt Busemann seinerzeit vom Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, vom geschätzten CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach und von Justizministern der Länder, auch sozialdemokratischer Prägung. Damals saß die FDP übrigens mit im niedersächsischen koalitionären Boot. Die SPD allerdings kritisierte die Initiative des Landesjustizministers als überflüssig und undurchdacht.

Ein paar Jahre später ist die Sozialdemokratie in dieser Frage wieder aufgewacht. Sie widmet sich in geradezu unwürdiger Weise auf Bundesebene in der Öffentlichkeit diesem Thema. SPD-Justizminister Maas kündigt einen Gesetzentwurf an, der den Führerscheinentzug als Strafmittel zulässt. Der nordrhein-westfälische SPD-Justizminister Kutschaty will Steuerbetrüger mit einem Fahrverbot bestrafen. Die wirre Begründung lautet - ich zitiere -:

„Wenn der Zahnarzt sechs Monate seinen Porsche stehen lassen muss, trifft ihn das viel mehr als eine Geldstrafe.“

SPD-Bundesfamilienministerin Schwesig ist der Meinung, der Führerscheinentzug könne säumige Familienväter dazu zwingen, ihren Unterhaltspflichten nachzukommen. SPD-Ex-Vorsitzender Gabriel will Führerscheinentzug nur für Wohlhabende. Auch die SPD in Schleswig-Holstein hat sich posi

tioniert, wie schon eben vom Kollegen Genthe angesprochen.

Meine Damen und Herren, bei so viel sozialdemokratischer Vielstimmigkeit fehlen jetzt nur noch SPD-Umweltministerin Hendricks, die natürlich den Führerscheinentzug bei Umweltvergehen fordern muss, es fehlt SPD-Sozialministerin Nahles, die sich vielleicht mit einem Beitrag zum Thema Rentenniveau und Höchststrafe in die Diskussion einbringt, und es fehlt die SPD-Außenministerin Zypries, bei der ich mir aber eine inhaltliche Positionierung aktuell gar nicht vorstellen kann.