Protocol of the Session on February 1, 2017

Vor diesem Hintergrund sage ich meinen ganz ausdrücklichen Dank sowohl an das Kultusministerium und die Landesschulbehörde als auch an alle Verantwortlichen vor Ort für ihren sachlichen, ruhigen und verantwortungsbewussten Umgang. Mein ganz besonderer Dank geht an die Schule. Seit Wochen bewahrt man dort in einer sehr schwierigen Situation einen kühlen Kopf.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich erlaube mir an dieser Stelle den Einschub, dass es nach meiner Einschätzung auch zu den Pflichten der Opposition und hier insbesondere der CDU gehört, wenigstens ein kleines bisschen darüber nachzudenken, was man mit dem Hochziehen eines Einzelfalls und dem völligen Ausblenden von Maß und Mitte durch eine überzogene Debatte vor Ort alles an Unruhe und Unfrieden anrichtet und ob man ehrlicherweise glaubt, damit einer Lösung zuträglich zu sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Selbst Ihre eigenen Leute - das konnte man ja nachlesen - sind mittlerweile entsetzt über die Art und Weise dieser Kultur bzw. eher der Unkultur der Debatte, wie sie hier geführt wird.

(Johanne Modder [SPD]: So ist es!)

Ich finde, dass es Sie auch nachdenklich stimmen könnte, wenn sich der Landesschülerrat einschaltet und ausführt - ich zitiere aus der Pressemitteilung -:

„Die Schülerin soll in Ruhe ihren Abschluss an der Oberschule erfolgreich beenden und nicht im Mittelpunkt der Politik stehen. Wahlkampf auf Kosten einzelner Schüler, die kurz

vor ihrem Schulabschluss stehen, ist einfach inakzeptabel.“

Ich finde, dass er recht hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Tonne, lassen Sie eine Frage des Kollegen Thiele zu?

Bitte, Herr Kollege!

Herzlichen Dank, Herr Tonne.

Ich verstehe Sie so, dass Sie jetzt der CDULandtagsfraktion und auch anderen Akteuren zum Vorwurf machen, dass wir dieses Thema weiter thematisieren. Finden Sie das eigentlich richtig vor dem Hintergrund, dass der Ministerpräsident selbst sich vor wenigen Wochen öffentlich zu dieser Frage geäußert hat- im Übrigen mit einer Position, die, wie wir im Kultusausschuss gelernt haben, rechtlich höchst zweifelhaft und angreifbar ist - und damit die Debatte über den Landtag hinaus in die öffentliche Diskussion getragen hat und selber mitgestaltet?

(Zustimmung bei der CDU - Lachen bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Thiele. - Bitte!

Herr Kollege Thiele, das ist natürlich wieder die typische Art und Weise, wie Sie versuchen, eine Debatte zu interpretieren. Ich halte eines fest: Sie haben diese Debatte hochgezogen, und Sie versuchen, aus diesem Einzelfall politisches Kapital zu schlagen. Das werfe ich Ihnen in der Tat vor.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben damit angefangen. Sie sind für das Ausmaß dieser Debatte verantwortlich.

Das Verhalten von Schule, Landesschulbehörde, Landesschülerrat, Kultusministerium und allen

Beteiligten ist das wohltuende Kontrastprogramm, Herr Thiele, zu einer stets skandalisierenden und effekthascherischen Politik der CDU-Landtagsfraktion - in diesem Fall auch noch auf Kosten einer Schülerin.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Denn eines müssen wir doch auch einmal ganz deutlich festhalten: In diesem Fall sind es einzig und allein Sie, meine Damen und Herren von der CDU, die sich mühen, ja fast schon quälen, damit Sie endlich von außen den Schulfrieden an dieser Schule stören können. Ich empfinde es als besondere Genugtuung, dass Ihnen das trotz großer Anstrengungen nicht gelingt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Angesichts dieser Gesamtumstände muss man sich doch fragen: Was treibt Sie dazu, eine solche Debatte so zu führen? - Die Antwort ist ganz einfach: Sie versuchen unverantwortlich, Verunsicherung in der Bevölkerung zu säen - sei es durch diesen Antrag, sei es durch den Untersuchungsausschuss; dort ist Ihnen ja keine Behauptung zu abenteuerlich, als dass sie nicht ausgesprochen wird -, und zwar durch Skandalisierungsversuche, immer mit der dünnen Aussicht, hieraus politisches Kapital schlagen zu können. Wenn es eines letzten Beweises bedurft hätte, dann war es Ihre Rede eben gerade, Herr Nacke.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Geschaffen werden soll damit ein Klima der Angst. Ich prophezeie Ihnen: Das wird nicht funktionieren. Die Menschen in Niedersachsen sind schlauer. Sie haben in der Sache nichts aufzubieten. Deswegen werden wir Ihnen heute wieder einmal ein Stoppschild setzen und diesen völlig falschen Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Tonne. - Das Wort hat nun für die FDP-Fraktion Herr Kollege Försterling. Bitte!

(Unruhe)

- Ich darf noch einmal um etwas Ruhe bitten!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen die Debatte hier im Niedersächsischen Landtag ja nicht wegen des Mädchens in Belm, sondern wir führen die Diskussion deshalb, weil die Niedersächsische Landesregierung überhaupt keine klare Rechtsauffassung hat und in diesem Fall völlig plan- und hilflos agiert.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Das ist das Problem. Es geht hier wirklich darum, dass eine Landesregierung nicht von vornherein gesagt hat: Wir wissen gerade nicht, wie wir damit umgehen können. Wir wissen gerade nicht, ob wir die Schülerin tatsächlich rechtssicher dazu verpflichten können, die Vollverschleierung abzulegen, oder nicht. Deswegen müssen wir im Schulgesetz nachjustieren.

Das ist unsere Rechtsauffassung. Wir haben sie sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Das wäre im Übrigen auch ein gangbarer Weg für eine Landesregierung gewesen.

Stattdessen hat sich die Landesregierung hier mehrfach positioniert, indem sie gesagt hat: Ein Niqab in Niedersachsens Schulen ist unzulässig, weil die Schule den Bildungsauftrag nicht erfüllen kann. Als man dann gemerkt hat, dass man mit dieser Argumentation eigentlich sofort dafür sorgen müsste, dass die Schülerin die Vollverschleierung ablegt, hat man gesagt: Die Frage, ob der Bildungsauftrag der Schule erfüllt werden kann oder nicht, ist nicht mehr so wichtig, solange der Schulfrieden nicht gefährdet ist.

Was ist das denn für eine Argumentation, dass es, solange Ruhe in der Schule herrscht, völlig egal ist, ob eine Schule den Bildungsauftrag erfüllen kann oder nicht? Der Bildungsauftrag ist der originäre Auftrag der Schule, meine sehr geehrten Damen und Herren. Er muss erfüllt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich muss dabei dann auch der Schulfrieden eingehalten werden. Hier hätte man ansetzen müssen und nicht eine Scheindiskussion um den Schulfrieden führen dürfen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Aber wir reden hier doch über eine Minis- teranklage!)

Spannend ist, dass der Ministerpräsident in der Woche vor der letzten Plenarwoche versucht hat, das Thema abzuräumen, indem er klipp und klar

gesagt hat: Wir werden den Niqab an niedersächsischen Schulen unterbinden. Das gilt auch für die Schülerin in Belm, wenn sie an eine weiterführende Schule wechselt. - Das hat der Ministerpräsident so klargestellt.

Allerdings haben am vergangenen Freitag im Kultusausschuss die Vertreter des Kultusministeriums dem Ministerpräsidenten deutlich widersprochen, indem sie ausgeführt haben, auch dann gelte eine Einzelfallprüfung, und man könne jetzt gar nicht sagen, ob man die Vollverschleierung dann überhaupt verbieten könne oder nicht; denn man wisse ja noch gar nicht, an welche berufsbildende Schule die Schülerin möglicherweise wechselt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir erwarten hier von Ihnen einfach nur eine klare Rechtsauffassung der Landesregierung.

(Beifall bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Wenn Sie eine klare Rechtsauffassung haben, dann haben die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land auch das Recht darauf, dass sie umgesetzt wird.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben unsere Rechtsauffassung klargemacht. Ich lade Sie noch einmal herzlich dazu ein, mit uns an dieser Stelle das Niedersächsische Schulgesetz deutlich zu präzisieren, weil es ja einheitliche Meinung hier im Haus ist, dass wir keine Vollverschleierung in den Schulen wollen, weil der Bildungsauftrag sonst nicht erfüllt werden kann. Also gehen Sie diesen Weg mit uns gemeinsam, aber versuchen Sie nicht, sich weiter aus der Sache herauszumanövrieren! Man kann von einer Landesregierung erwarten, dass sie eine klare Rechtsauffassung hat und, wenn sie eine klare Rechtsauffassung hat, diese dann auch umsetzt.