Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor Monaten hier vorne die Aussprache mit dem Satz begann: „Lassen Sie uns über die Opfer rechter Gewalt sprechen“, kam erwartungsgemäß der Zwischenruf: Was ist mit den Opfern linker Gewalt? - Ich möchte das im Rahmen der Haushaltsdebatte noch einmal aufgreifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben jegliche politisch motivierte Gewalt im Fokus, ohne Ausnahme.
Aber ich möchte und muss offensichtlich noch einmal festhalten: Es ist eine rechte Blutspur, die der sogenannte NSU durch Deutschland gezogen hat. Mittlerweile gibt es eine hohe Anzahl von Todesopfern, die mutmaßlich rechten Tätern zugeordnet werden können.
Es ist kein Aufruf linker Gruppen bekannt, Flüchtlingsheime anzugreifen. Weder hat die Grüne Jugend in Salzhemmendorf gezündelt, noch haben Jusos oder Kommunisten Autos in Barsinghausen angesteckt.
Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Die Gefahr für unser demokratisches Gemeinwesen kommt vom rechten Rand.
Reden wir bitte zu einem vereinbarten Termin an anderer Stelle auch einmal über die von Ihnen regelmäßig angezeigte linke Gewalt. Dann werden wir uns auch da schnell einig werden können. Denn niemand auf dieser Seite des Hauses hält etwas von brennenden Autos und verprügelten Burschenschaftlern. Daraus aber den Untergang oder auch nur eine Gefährdung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung abzuleiten, ist abersinnig.
In unserer Haushaltsdebatte heute geht es noch einmal um das Programm der Landesregierung gegen rechts. Ich sage von dieser Stelle aus: Das ist aus vielerlei Gründen und gerade jetzt notwendig. Die Anschläge auf Flüchtlingsheime, die zunehmenden körperlichen Gewaltakte gegen Menschen und der sogenannte Hate Speech - all das sollte uns aufrütteln.
Neueste Meldungen sprechen von ca. 500 Reichsbürgern in Niedersachsen. Jüngste Zeitungsmeldungen von vorgestern weisen auf den Ankauf von gefährlichen Schreckschusspistolen gerade aus dieser Personengruppe hin.
Niedersachsen ist nicht Sachsen. Niedersachsen will und muss konsequent und nachhaltig jeder Entwicklung in diese Richtung hin einen Riegel vorschieben. Dabei geht es sowohl um das Bemühen, Menschen zum Aussteigen aus der rechten Szene zu bewegen, als auch um die Stärkung des demokratischen Engagements der Bürgerinnen und Bürger, die wir gewöhnlich als Zivilgesellschaft bezeichnen. Auf diesem Feld ist noch viel zu tun, sind doch breite Teile unserer Bevölkerung wenig gegen die Agitation von rechts sensibilisiert.
Nur zu oft hört man, das Treiben von Nazis dürfe man durch Gegendemonstrationen nicht auch noch aufwerten. Ich mag mir aber nicht ausmalen, wie das erste August-Wochenende in Bad Nenndorf heutzutage ohne den aktiven Widerstand der Initiative vor Ort aussehen würde.
Es waren in der Folgezeit nämlich die Menschen vor Ort, die es den neuen Nazis mehr und mehr unerträglich gemacht haben, ihren Trauermarsch abzuhalten.
Wir brauchen die Wachsamkeit und die Fantasie unserer Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen darüber hinaus auch ihren Mut. Denn der gehört mitunter dazu, will man sich dem braunen Treiben entgegenstellen.
Steine fliegen in Wohnhäuser und Schlafzimmerfenster, Drohbriefe und -mails erreichen die Menschen. Gut, dass wir mittlerweile die schon angesprochene Opferberatung auf den Weg bringen.
Was uns aber tatsächlich umtreiben sollte, ist die Tatsache, dass rassistisches und zunehmend antisemitisches Gedankengut auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist bzw. dort ist.
Ich bin 62 Jahre alt und war zehn Jahre lang Bezirksratsmitglied und fünf Jahre lang Abgeordneter im Stadtparlament. Dort habe ich Parlamentarismus ein wenig gelernt. Ich habe gelernt, auch einmal den Kompromiss zu schätzen, gelernt, respektvoll miteinander umzugehen.
All das ist derzeit im Niedersächsischen Landtag unterentwickelt. Und das schmerzt. Vor allen Dingen ist es auch ein fatales Zeichen nach draußen, wenn wir uns hier im Parlament wie die Brüllaffen benehmen.
(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN - Heinz Rolfes [CDU]: Was sollte denn diese Beleidi- gung zum Schluss?)
Vielen Dank, Herr Kollege. Über das Wort „Brüllaffen“ in diesem Raum können Sie vielleicht noch einmal nachdenken, Herr Kollege.
Ich habe jetzt aus den Reihen der CDU-Fraktion zwei Wortmeldungen für Kurzinterventionen. Nur eine ist möglich. Herr Kollege Lechner, Sie waren der Erste. Bitte!
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Höntsch, man muss sich schon wirklich der Realität verweigern, wenn man hier sagt, dass linksextremistische Gewalt in Niedersachsen keine prioritäre Rolle spielt.
Ihr eigener Innenminister hat hier am 27. Oktober aufgrund eines LKA-Berichts - ich lese daraus vor - vorgetragen, dass linksextremistische Gewalt in Niedersachsen steigt. 147 Gewalttaten 2015, 194 Gewalttaten 2016 - ein Anstieg um 30 %.
(Heinz Rolfes [CDU]: Er hätte doch jetzt die Möglichkeit gehabt, sich für die „Brüllaffen“ zu entschuldigen! - Unruhe)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ein Jahr intensiver Arbeit in Gerichten, in Staatsanwaltschaften und im Vollzug liegt hinter uns, aber natürlich auch bei der Erarbeitung dieses Doppelhaushalts. Mein herzlicher Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr besonderes Engagement, das sich in sensationellen Fahndungserfolgen wie jetzt bei der StA in Verden zeigt, aber im
Vor diesem Hintergrund, Herr Dr. Genthe, finde ich es unverantwortlich, so mit Zahlen zu spielen. Die absoluten Zahlen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu vergleichen, verbietet sich. Schleswig-Holstein hat bekanntlich 2,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, Niedersachsen 8 Millionen. Das passt dann im Vergleich nicht so richtig.
Die Fakten bei den Verfahrenslaufzeiten sehen ganz anders aus. Bei den Amtsgerichten - in den Zivilsachen - liegen wir im Bundesländervergleich - es sind immerhin 16 Länder - auf Rang 3, in Familiensachen liegen wir auf Rang 2, bei den Landgerichten - in den Zivilsachen, erste Instanz - liegen wir auf Rang 3 von 16. Die Staatsanwaltschaften in Niedersachsen gehören zu den Top 3, und das Finanzgericht in Niedersachsen belegt den Platz 1.
Aber immerhin sind wir dankbar dafür - und das ist ein Fortschritt -, dass die Änderungsanträge - anders als in den Vorjahren - den Justizhaushalt nicht als Spardose betrachten.