Protocol of the Session on December 13, 2016

(Starker, anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Meyer. - Um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat nun Herr Kollege Grupe gebeten. Bitte, Herr Grupe! Anderthalb Minuten.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das bringt nichts mehr!)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Minister Meyer, Sie haben auch heute wieder in Ihrer sehr eigenen Art mit persönlichen Angriffen nicht gespart. Sie haben das Hohe Haus ja schon vor einigen Monaten wissen lassen, dass ich damals aus dem Kreistag geflogen bin. Da ist mir kein Zacken

aus der Krone gefallen. Ich bin jetzt aber wieder dabei.

(Zustimmung bei der FDP)

Sie haben hier sehr eigentümlich dargestellt, wie sich die politischen Verhältnisse verändert haben. Es freut mich, dass Sie zufrieden sind. Sie haben einen Sitz verloren, wir haben zwei Sitze gewonnen. Sie meinen aber, dass Sie der CDU Vorhaltungen machen müssten.

Ein Prestigeprojekt Ihrerseits, bei dem man im ganzen Land deutlich sehen kann, wie Sie die Strukturen in den ländlichen Räumen fortentwickeln wollen, ist diese unsägliche Rahmenordnung für das Landschaftsschutzgebiet. In der Kreistagssitzung in der vergangenen Woche hatten die Grünen das Privileg, mit ihren vier Leuten völlig isoliert zu sein.

(Zurufe von der SPD)

Der gesamte Kreistag hat mit überwältigender Mehrheit beschlossen, diese Landschaftsschutzgebietsordnung wieder zurückzuführen. Alles, was die Grünen da reingepresst haben - 4 m Firsthöhe und 400 m2 Grundfläche, sodass man nur noch Hobbybauten errichten kann -, wurde vom Kreistag mit Ausnahme der Grünen einstimmig zurückgenommen. Das ist Ihre Politik! Die verhindern wir im übrigen Lande!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Ich stelle fest, die Besprechung zu Punkt c ist hiermit beendet.

Ich rufe jetzt auf

d) Doppelte Staatsangehörigkeit - keine Rolle rückwärts! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 17/7088

Es spricht Herr Kollege Dr. Pantazis. Bitte, Herr Kollege!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen. - Indem Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, auf Ihrem Essener Bundesparteitag gegen das Votum der Parteispitze den Be

schluss gefasst haben, die sogenannte Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern wieder einzuführen, haben Sie im Zeitalter der Globalisierung eine sprichwörtliche Mauer gebaut und somit eine politische Rolle rückwärts erster Klasse vollzogen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und nicht nur das. Sie haben sich hier eindeutig vom Kurs Ihrer Vorsitzenden und Kanzlerin abgewandt, Ihre eigene Zerrissenheit offenbart und sich - noch viel schlimmer - von den Populisten am rechten Rand treiben lassen. Das gestrige Interview des neuen Landesvorsitzenden in der HAZ glich geradezu einem eiernden Offenbarungseid.

Apropos Wertekompass: Dieser Beschluss steht symbolisch nicht nur für die aktuelle programmatische Zerrissenheit, sondern auch für einen schleichenden Liebesentzug, der Merkel nicht demontieren, aber immer weiter schwächen soll, wie die Süddeutsche Zeitung richtig konstatiert. Schritt für Schritt wird diese nach Ihrer eigenen Methodik politisch vorgeführt; denn im Vordergrund steht nicht mehr Ihre Willkommens- und Anerkennungskultur, sondern die Abschiebepraxis, das Burkaverbot, Deutsch im Grundgesetz und eben auch die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft.

Wofür das alles? - Es ist das erodierende Wählerpotenzial am rechten Rand unserer Gesellschaft respektive Ihrer Partei. Die Angst vor den Rechtspopulisten treibt Sie mittlerweile so sehr, dass Sie dieselben Ausgrenzungsmechanismen an den Tag legen. Mit diesem symbolträchtigen Beschluss haben Sie allerdings bewusst und willentlich die politische Mitte gen rechts verlassen und durch die gewünschten Schlagzeilen auch ein Klima der Unsicherheit in Zeiten des Wandels erzeugt.

Aber merken Sie sich eines: Der heutige gesellschaftliche Zusammenhang wird durch Anstand und Haltung und weniger durch Ausgrenzung und Spaltung gesichert.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Integrationspolitisch ist Ihr neuer alter Kurs gefährlich, weil Sie Inhaber zweier Pässe einem unverantwortlichen Generalverdacht im Hinblick auf ein vermeintliches Loyalitätsrisiko aussetzen. Durch Wiedereinführung des Optionszwanges zwingen Sie nämlich betroffene junge Menschen in eine unzumutbare Situation, sich zwischen ihrer Le

benswirklichkeit als Deutsche und ihrer Verbundenheit mit den familiären Wurzeln entscheiden zu müssen. Diese auf Zwang beruhende Praktik steht in krassem Widerspruch zu unserem Verständnis von Willkommens- und Anerkennungskultur und ist auch Ausdruck einer überholten national bestimmten Abschottungskultur des vorigen Jahrhunderts.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Zeitalter der Globalisierung erodieren zunehmend Grenzen zwischen den Nationalstaaten, und immer mehr Menschen wachsen bikulturell auf. Diese besitzen in der Regel auch mehr als eine Staatsbürgerschaft - Herr McAllister und meine Wenigkeit können hier exemplarisch genannt werden -, weil bereits zum jetzigen Zeitpunkt diverse Ausnahmen existieren. Ich kann mich gern wiederholen: An unser beider Loyalität ist wirklich nicht zu zweifeln.

Vor diesem Hintergrund erscheint es dann nur als konsequent, wenn neben uns allen Personengruppen eine Beibehaltung ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit zuerkannt wird und damit auch gesellschaftlich anerkannt wird, dass Menschen bikulturell aufwachsen. Der Staat sollte dies als Chance begreifen und zukünftig Brückenbauer zwischen den Kulturen sein.

Daher mein abschließender Appell an Sie: Bleiben Sie auf dem bereits eingeschlagenen Pfad einer teilhabeorientierten Integrationspolitik, und verlassen Sie endlich den nun verfolgten Weg, die wahltaktisch geprägte Populismusfalle. Es gilt doch, die jungen Menschen mit ausländischen Wurzeln, die bikulturell aufwachsen, für unsere freiheitliche Republik zu gewinnen, ja, sogar zu begeistern. Das geht mitnichten, indem wir sie aus vermeintlichen Loyalitäts- oder Sicherheitsgründen in eine unzumutbare Option zwingen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie sollen sich für Deutschland entscheiden wollen, nicht entscheiden müssen. Das ist genau der Punkt.

(Petra Tiemann [SPD]: Genau!)

Folgen Sie daher Ihrer Kanzlerin, Ihrem Bundesinnenminister, Ihrem ehemaligen und jetzigen Landesvorsitzenden, auch wenn er gestern noch einmal rumgeeiert ist. Sagen Sie Nein zur Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Denn diese stellt einen politischen Rückschritt für die Integration und eine Misstrauenserklärung gegen die weit überwiegende Mehrheit der Doppelstaatler dar, die voll hinter unserem Grundgesetz steht. In diesem Sinne: Lassen Sie uns in Zeiten des Wandels keine bereits überwunden geglaubten alten Mauern wieder aufbauen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Pantazis. - Es folgt nun für die FDP-Fraktion Herr Kollege Oetjen. Bitte, Herr Kollege!

Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jubel erklang auf dem CDU-Parteitag, insbesondere bei der Jungen Union, zum Beschluss der Ablehnung des Doppelpasses. Ich kann mich ein bisschen in die Junge Union hineinversetzen. Ich war ja selbst einmal drei Jahre lang Landesvorsitzender der besten Jugendorganisation der Welt, den Jungen Liberalen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP - Ulf Thiele [CDU]: Der zweitbesten!)

Ich weiß, wie es ist, wenn sich eine Jugendorganisation gegen ihre Mutterpartei durchsetzt.

Dieser Sieg der Jungen Union ist sehr schnell zum Pyrrhussieg geworden, nachdem Frau Merkel erklärt hat, ihr sei ja eigentlich egal, was diese Partei da beschließe. Was für eine Überheblichkeit, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Das hat sie nicht gesagt!)

Ich hätte mir gewünscht, dass die Junge Union den Rentenirrsinn von Frau Nahles aufs Korn nimmt, der zulasten der jungen Generation geht. Aber darum geht es an dieser Stelle nicht.

Zurück zum Doppelpass: Ich habe den Eindruck, dass die Menschen etwas ablehnen, was sie in der Regel nicht verstehen. Ich habe schon beim letzten Mal versucht, das hier zu erklären.

Die Mehrheit der Deutschen wächst mit einer deutschsprachigen Mutter und einem deutschspra

chigen Vater ohne Migrationshintergrund auf und hat in ihrem Alltag auch wenig Kontakt zu Menschen mit Migrationshintergrund. In der Regel haben diese Menschen Deutschland nur verlassen, um mal im Ausland Urlaub zu machen, nicht aber um woanders zu leben. Also kommt ihnen dieses Konstrukt der doppelten Staatsbürgerschaft irgendwie komisch vor. Wie kann das funktionieren, dass man in zwei Kulturen zu Hause ist? Wie soll die Mehrheit der Deutschen das auch verstehen, wenn sie es nie erlebt oder erlernt hat?

Deswegen lehnt aus meiner Sicht die Mehrheit der Deutschen den Doppelpass ab. Ich höre häufig den Satz: Man kann nicht Diener zweier Herren sein. - Ich frage mich: Ist das eigentlich das, was wir wollen? Wollen wir eine Loyalität zu einem Staat unabhängig davon, was in ihm passiert? Wollen wir Menschen in unserem Land nicht eigentlich loyal zu Demokratie und republikanischen Werten erziehen? Was passiert eigentlich, wenn ein Staat von einer Demokratie zu einer Diktatur wird, wie das gerade in der Türkei geschieht? Wünschen wir uns nicht Menschen, die dann nicht blind loyal zu ihrem Staat sind, sondern kritisch damit umgehen und sagen: „Wir verteidigen demokratische Werte!“? Ist mit Blick auf unsere eigene Geschichte nicht Otto Wels, der sicherlich damals von einer Mehrheit der Bevölkerung als illoyal gegenüber seinem eigenen Staat angesehen wurde, für uns alle ein Vorbild?

Verehrte Damen und Herren, ich glaube, dass wir uns bei der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft viel mehr auf das Wesentliche konzentrieren müssen. Was heißt doppelte Staatsbürgerschaft? Doppelte Staatsbürgerschaft ist aus Sicht der Freien Demokraten der Ausdruck davon, dass Menschen in zwei Kulturen zu Hause sind.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den Grünen)

Es ist ein Fakt, dass diese Menschen in beiden Kulturen zu Hause sind. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist nur der natürliche Ausfluss aus der Bikulturalität dieser Menschen. Deswegen sollten wir das nicht als Gefahr für unsere Gesellschaft sehen, sondern als Chance für unserer Gesellschaft, diese Menschen, die in zwei Kulturen zu Hause sind, dafür zu nutzen, Verständnis für die verschiedenen Kulturen bei den jeweils anderen zu wecken und Brücken, aber nicht Mauern zu bauen. In diesem Sinne stehen wir Freien Demokraten zu diesem Doppelpass als Ausdruck eines gesellschaftlichen Fortschritts und eines gesellschaftli