Wer dem Gesetz seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich jetzt von seinem Platz zu erheben. - Damit ist das Gesetz beschlossen.
Herr Rolfes, Sie wollten auch aufgefordert werden. - Ich danke Ihnen und auch dem Ausschuss, der toll beraten hat. Ich kann das in diesem Fall beurteilen.
Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Verankerung der Pflichten von Schülerinnen und Schülern im Niedersächsischen Schulgesetz - Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 17/7023
Für die FDP-Fraktion hat sich der Kollege Björn Försterling zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Försterling!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute schon diskutierte Fall der vollverschleierten Schülerin in Belm hat dazu geführt, dass wir uns in der FDP-Fraktion intensiv mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob eigentlich die Pflichten von Schülerinnen und Schülern hinreichend konkret im Niedersächsischen Schulgesetz geregelt sind.
Beim Blick in das Niedersächsische Schulgesetz stellt man tatsächlich fest, dass darin als einzige Pflicht konkret diejenige in § 58 geregelt ist, dass Schülerinnen und Schüler auch am Schulunterricht teilzunehmen haben.
Genau daraus leitet man dann im Erlass ab, dass die Schüler auch am Ganztagsbetrieb teilzunehmen haben etc. Im Erlass werden dann keine weiteren Pflichten für die Schülerinnen und Schüler geregelt, sondern man verweist im Erlass lediglich auf einen KMK-Beschluss vom 25. Mai 1973, der wiederum, wenn man sich das anschaut, auch nicht im Hinblick auf die Pflichten einzelner Schülerinnen und Schüler konkret wird, sondern wiederum nur auf das Schulverhältnis abstellt. Darauf haben wir gesagt: Möglicherweise schrecken das Ministerium und die Landesregierung auch deswegen vor konkretem Handeln in Belm zurück, weil man sich gar nicht sicher ist, ob die Rechtslage tatsächlich derart herhalten könnte, dass man vor einem Verwaltungsgericht besteht.
Aus unserer Sicht lässt es sich auch nicht erklären, warum man beispielsweise für Lehrerinnen ganz konkret im Schulgesetz sogar die Kleidungsfrage regelt, aber im Schulgesetz selbst nichts zu den Pflichten von Schülerinnen und Schülern sagt.
Deswegen schlagen wir Ihnen vor, eine Regelung zu fassen und § 58 dahin gehend zu erweitern, dass sich alle Schülerinnen und Schüler so zu verhalten haben, dass der Bildungsauftrag der Schule erfüllt und das Bildungsziel erreicht werden kann, und die Schülerinnen und Schüler dazu zu verpflichten, alles zu unterlassen, was den Schulbetrieb oder die Ordnung der von ihnen besuchten Schule oder einer anderen Schule stören könnte.
In anderen Schulgesetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren, findet sich eine solche Regelung, weil man anscheinend erkannt hat, dass es sinnvoll ist, das - weg vom KMK-Beschluss aus dem Jahr 1973 - auf eine schulgesetzliche Ebene zu stellen.
Wir schlagen weiterhin vor, dass ein Verstoß gegen diese Pflichten von Schülerinnen und Schülern auch dazu rechtfertigt, zum erweiterten Anwendungsbereich der Ordnungsmaßnahmen nach § 61 zu kommen, und nicht nur, wie bisher möglicherweise, einen einmonatigen Schulverweis zu fordern, sondern es auch möglich zu machen, die Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich I bis zu drei Monate von der Schule zu verweisen und im Sekundarbereich II auch gänzlich von der Schule zu verweisen.
Das bezieht sich eben nicht nur auf den Fall in Belm, sondern es bezieht sich grundsätzlich auf die Pflichten der Schülerinnen und Schüler. Von daher sind wir sehr gespannt auf die Gesetzesberatung.
Uns ist natürlich auch klar, dass ein Einzelfall wie in Belm nicht dadurch abschließend gelöst ist, indem man lediglich dazu kommt, dass man die Schülerin von der Schule verweisen muss, sondern da greifen dann natürlich andere Instrumente. Möglicherweise müssen wir uns hier im Landtag auch einmal mit der Frage beschäftigen, wie eigentlich Jugendhilfe dort funktionieren kann, welche Möglichkeiten wir insoweit haben. Ich finde, wir müssen auch offen darüber diskutieren, ob nicht eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, wenn man ein 14-jähriges Mädchen vollverschleiert zur Schule gehen lässt und auch in der Freizeit nur noch vollverschleiert aus dem Haus lässt. Denn ich glaube tatsächlich, dass dieses Mädchen in seiner Entwicklung deutlich beeinträchtigt wird, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Aber tatsächlich sollten wir uns davor hüten zu sagen, das müsse alles die Schule regeln. Schulen stoßen irgendwann an die Grenze des Machbaren, und dann ist eben die Jugendhilfe gefragt.
Deswegen ist es aus unserer Sicht notwendig, das Schulgesetz zu ändern - nicht nur für den Einzelfall, bei dem wir dann die Möglichkeit hätten, einen Schulverweis auszusprechen, um in dieser Zeit die Jugendhilfe intensiv arbeiten zu lassen, sondern um auch in anderen Fällen tätig zu werden. Diese
Frage stellt sich an der Oberschule Belm - ich habe das vorhin schon angesprochen - beim Blick auf den jüngeren Bruder dieser Schülerin.
Wir sind der Meinung, im Schulgesetz sollten die Pflichten klar geregelt werden. Ich freue mich auf die Beratung. Ich habe das Gefühl, dass wir sehr offen darüber sprechen können, ob diese Regelung erfolgen sollte oder nicht. Ich fände es begrüßenswert, wenn wir als Gesetzgeber klar sagten: Auch Schülerinnen und Schüler haben gewisse Pflichten zu erfüllen. Es gehört nun einmal zum Erwachsenwerden dazu, dass man auch gewisse Pflichten zu erfüllen hat.
Danke, Herr Försterling. - Die nächste Wortmeldung kommt von Heiner Scholing, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Herr Scholing!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Dank beginnen. Herr Försterling, vielen Dank für diese auch im Ton sehr angenehme Rede. Das ist sehr angemessen im Hinblick auf das Thema, das wir hier bereden.
Unsere Schulen sind Orte lebendiger Kommunikation, und Kommunikation ist selbstverständlich sehr viel mehr als Sprache. Kommunikation ist das hochgradig aufmerksame Gesicht einer Schülerin während des Versuchs im Physikunterricht. Kommunikation ist das gelangweilte Gesicht eines Schülers, der einem vielleicht zu langen Vortrag seines Lehrers „lauscht“. Kommunikation braucht Gestik und Mimik.
Meine Damen und Herren, wir sind uns einig: Wir wollen keine Vollverschleierung in niedersächsischen Schulen.
Soll aber nun ein Fall dazu führen, das Schulgesetz zu ändern? Reichen die vorhandenen Instrumente aus, oder tun sie das nicht? - Meine Fraktion geht davon aus, dass die vorhandenen Instrumente ausreichen.
Nach § 58 sind Schülerinnen und Schüler verpflichtet, regelmäßig am Unterricht teilzunehmen und die geforderten Leistungsnachweise zu er
bringen. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Vollverschleierung eine Verweigerung von Leistungsnachweisen darstellt.
Schulen sind übrigens in der Regel sehr geübt darin, mit Verletzungen der Schulordnung bzw. Verletzungen gesetzlicher Vorgaben umzugehen. § 61 des Niedersächsischen Schulgesetzes dürfte im Ranking der bekannten Gesetze in den Schulen einen oberen Tabellenplatz einnehmen. Schulen agieren immer im Spannungsfeld zwischen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen. Um immer wieder angemessen auf unterschiedliche herausfordernde Situationen eingehen zu können, brauchen Schulen Freiräume. Diese Freiräume sollten wir nicht beschneiden.
Ich sehe nicht, dass Schulen wegen der Debatten um eine vollverschleierte Schülerin besonders verunsichert sind, Herr Försterling. Dazu sind unsere Schulen viel zu geübt im Umgang mit herausfordernden Situationen.
Was Ihr Gesetzentwurf, Kollege Försterling, an Klärung herbeiführen soll, hat sich mir nicht erschlossen. Aber das mag sich im Verlauf der Debatte ja ändern. Ihr Vorschlag findet sich sinngemäß mit hoher Wahrscheinlichkeit in fast jeder Schulordnung unserer niedersächsischen Schulen. Hierin wird etwas deutlich: Schulen nehmen die Konkretisierung vor - nicht das niedersächsische Parlament. Sie tun das in aller Verantwortung gegenüber dem Erziehungs- und Bildungsauftrag, der im Schulgesetz verankert ist.
Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer, ringen immer wieder darum, für ihre Schülerinnen und Schüler Perspektiven offenzuhalten. Debatten, die wir hier immer wieder führen - die Einbringung dieses Gesetzentwurfs war eine löbliche Ausnahme -, helfen nicht. Sie helfen den Schulen nicht dabei, Bildungswege offenzuhalten und auf schwierige Situationen differenziert zu reagieren.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie die Eigenverantwortung der niedersächsischen Schulen ernst! Schulen können mit schwierigen Situationen gut umgehen.
(Ulf Thiele [CDU]: Ich habe den Minis- terpräsidenten vorhin sagen hören, die Schule habe möglicherweise ei- nen Fehler gemacht! - Gegenruf von Heinrich Scholing [GRÜNE]: Ist das eine Frage an mich, die ich noch be- antworten soll?)
- Sie haben noch Redezeit. Wenn Sie das wollen, können Sie das gerne tun. Sie haben noch 16 Sekunden. Sie kriegen das hin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines sollte uns wirklich klar sein: Hier ist nicht der Ort, an dem wir über das Verhalten einer einzelnen Schule urteilen. Dazu kennen wir alle miteinander die Situation viel zu wenig.
- Ich rede jetzt über mich und meine pädagogischen und politischen Überzeugungen. Ich rede im Moment nicht über den Ministerpräsidenten.